In dieser Woche haben sich die Agrar- und Fischereiminister der EU online getroffen, um erste Gedanken zu ihrer Strategie "Farm to fork", also "Vom Hof auf den Tisch", auszutauschen. Das Ziel ist der Schutz der Artenvielfalt und ein nachhaltiges Lebensmittelsystem. Weniger Pestizide, weniger Düngemittel, weniger Antibiotika, und mehr ökologische Landwirtschaft lauten die Schlagworte. Zur Strategie gehört, dass der Einsatz von Pestiziden bis 2030 um die Hälfte reduziert werden soll. Das ist vor allem deshalb notwendig, weil zum Besipiel wichtige Bestäuber-Insekten durch Pesitizideinsatz vernichtet werden, wie Susanne Smolka vom Pestizid-Aktionsnetzwerk im Interview erläutert.
"Es geht um die zukünftigen Generationen"
Pia Behme: Warum brauchen wir überhaupt eine so starke Reduktion von Pestiziden, wenn die Qualität auch von Lebensmitteln ohne Biosiegel doch gesichert zu sein scheint.
Susanne Smolka: Es geht ja nicht nur um die Lebensmittel-Qualität für die Verbraucherinnen und Verbraucher; es geht darum, dass es wichtig ist, zukünftigen Generationen die Möglichkeit zu gewähren, überhaupt nachhaltig Landwirtschaft betreiben zu können. Sie haben dramatische Umwelteffekte durch den Einsatz von chemischen Pestiziden in der Landwirtschaft. Wenn ich nur darauf blicke, auf die wichtige Bestäuberleistung von Insekten, nicht nur von Honigbienen, gerade von Wildbienen und anderen Bestäuber-Insekten, dann müssen wir berücksichtigen, dass ungefähr 84 Prozent aller Anbaukulturen in Europa von dieser Bestäuberleistung abhängig ist.
Und wir sehen andererseits, dass zum Beispiel in Deutschland in den letzten 30 Jahren allein die Biomasse von Insekten um über 75 Prozent zurückgegangen ist, und das in Schutzgebieten. Wir haben einen eklatanten Schwund an Artenvielfalt und auch an Bestäuber-Insekten und auch an natürlichen Antagonisten zu den Schädlingen auf dem Feld, also den Nützlingen. Wir müssen wirklich auch die landwirtschaftlichen Flächen einbinden in ein Konzept, wie wir Artenvielfalt schützen können und fördern können.
"Farm to fork-Strategie begrüßen wir sehr"
Behme: Jetzt möchte die EU innerhalb von zehn Jahren den Einsatz von Pestiziden um 50 Prozent reduzieren. Sehen Sie einen sinnvollen Fahrplan zu diesem Ziel?
Smolka: Das ist der allererste Förderplan, den wir sehen. Das Ziel, die Abhängigkeit der Landwirtschaft von Pestiziden zu reduzieren und Reduktionsmaßnahmen zu implementieren, das gibt es bereits seit 2009 im Pestizidrecht. Wir haben zum Beispiel auch die Förderung von Bioanbau zum Beispiel in der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie stehen. Das Problem war bislang, dass es niemals eine Zahl gab, eine klare Reduktionszahl mit einem konkreten Zeitplan. Das ist jetzt erstmalig in der "Farm to fork"-Strategie von der Kommission reingeschrieben worden, und das begrüßen wir sehr.
Behme: Wenn wir uns jetzt das Pestizid Glyphosat anschauen. Da gibt es konventionelle Landwirte, die sagen, andere Mittel seien viel giftiger.
Smolka: Ja, das sehen wir auch so. Das ist grundsätzlich ein Problem, dass wir immer wieder das Problem haben im chemischen Pflanzenschutz, dass der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben wird. Die Abkehr von Glyphosat, den Ersatz mit anderen chemischen Mitteln halten wir nicht für zielführend. Wir müssen wirklich über eine Agrarwende nachdenken. Das bedeutet auch, dass es andere Maßnahmen gibt, wie man zum Beispiel Unkrautkontrolle machen kann. Es gibt Landwirte, die zeigen anderen Landwirten, wie das geht, und das funktioniert auch, und natürlich müssen die Landwirte unterstützt werden, auch finanziell für diese Umstellung. Es ist ganz wichtig, die "Farm to fork"-Strategie, die jetzt in der Debatte ist, zu verknüpfen mit der Debatte um die gemeinsame Agrarpolitik.
"Andere Mitgliedsstaaten sind schon besser aufgestellt"
Behme: Wenn wir uns jetzt in der EU ein bisschen umschauen – wie gehen andere EU-Staaten mit dem Thema um? Gibt es da Herangehensweisen, die Vorbild für die EU-Strategie sein könnten?
Smolka: Die Landwirtschaft ist sehr heterogen in der EU. Man muss auch immer gucken, wo man sich befindet, weil allein die Anbaukulturen ja unterschiedlich sind. Es gibt zum Beispiel traditionell in Österreich und auch in Tschechien mehr Bioanbau. Das ist jetzt auch ganz neu, dass die Strategie sagt, 25 Prozent Bioanbau-Förderung. Wir stehen in Deutschland jetzt bei acht Prozent. Da sind andere Mitgliedsstaaten schon besser aufgestellt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.