Einmal in der Woche fährt ein ganz besonderer Tanklaster durch den Hafen von Emden. Er hält neben der "Ostfriesland", einer Autofähre, die täglich mehrmals zwischen dem Festland und der Insel Borkum pendelt. Der Tanklaster versorgt das Schiff mit tiefgekühltem, flüssigem Erdgas. Claus Hirsch, der Leiter der Technischen Inspektion bei der Reederei "AG-Ems", erklärt wie das Gastanken funktioniert.
"Die Mitarbeiter von uns haben Schutzkleidung an. Die bereiten jetzt das Anschließen des Schlauches vor. Die Kupplungen werden mit Stickstoff getrocknet, anschließend wird der Schlauch aufgeschraubt. Die Schutzkleidung ist nötig, weil das Gas eben mit minus 160 Grad extrem kalt ist, was eigentlich auch die einzige Gefahr dabei ist."
Umweltfreundliche Alternative zu Schweröl und Diesel
Liquefied Natural Gas, LNG, so heißt das flüssige Erdgas unter Fachleuten. Es gilt als umweltfreundliche Alternative zu Schweröl und Diesel, weil es sehr sauber verbrennt. Die Reederei "AG Ems" entschied sich daher als erste deutsche Reederei, auf LNG umzusteigen. Sie hat die 25 Jahre alte "Ostfriesland" renoviert und einen LNG-Antrieb eingebaut.
Weltweit sind heute etwa 80 LNG-Schiffe in Betrieb, viele davon in Norwegen. Im Vergleich zur Gesamtzahl der Handelsschiffe von etwa 70.000 ist das wenig. Doch LNG ist im Kommen, weil die Internationale Seeschifffahrts-Organisation in London, die IMO, Schadstoffgrenzwerte festgelegt hat. Besonders strenge Grenzwerte gelten in den Abgaskontrollgebieten, zu denen die Küstengewässer der USA, die Nordsee und die Ostsee gehören. Reeder müssen deshalb Anlagen zur Abgasbehandlung einbauen oder auf saubere Treibstoffe umsteigen. Für Claus Hirsch ist LNG die bessere Lösung, obwohl das Gas derzeit ein wenig teurer als Öl ist.
"Wir wissen, dass wir zu 100 Prozent Feinstaub vermeiden. Wir haben 85 Prozent weniger Stickoxide, 95 Prozent weniger Schwefeloxide. Das sind Gase, die uns Menschen definitiv jetzt sofort schädigen würden. Und wir haben just heute Messungen gemacht für den CO2-Gehalt, und auch da sind wir 20 Prozent von dem unter dem Diesel."
Die Bauteile mussten durch den Schiffs-TÜV
Solche Messungen lässt Claus Hirsch regelmäßig durchführen. Denn der Umbau der "Ostfriesland" wurde durch das deutsch-holländische EU-Projekt "maritim" unterstützt, das umweltfreundliche Schiffstechnik fördert. Die Kooperationspartner wollen genau wissen, wie viel Schadstoff der LNG-Antrieb einspart.
Der Umbau der "Ostfriesland" war anspruchsvoll. Das alte Heck wurde komplett abgesägt und durch ein neues mit Gas-Anlage ersetzt. Zudem mussten Claus Hirsch und seine Kollegen Neuland betreten. Da der Betrieb eines LNG-Schiffs in Deutschland ein Novum war, mussten die neuen Bauteile von der Klassifizierungsgesellschaft DNV GL in Hamburg abgenommen werden, einer Art Schiffs-TÜV. Diese genaue Prüfung war nötig, weil Erdgas zusammen mit Luft explosive Gemische bilden kann. Das soll um jeden Preis verhindert werden. Die AG-Ems musste daher hohe Sicherheitsanforderungen erfüllen. Dazu zählen doppelwandige Leitungen und explosionsgeschützte Maschinenräume.
"Es war ein Risiko als erste, für dieses Risiko sind wir belohnt worden, nicht nur jetzt mit dem Erfolg des Schiffes, sondern, die EU hat uns als Pilotprojekt gefördert. Und jetzt, vier Jahre nach der Entscheidung, kann man deutlich sagen, es war die Richtige."
Der stinkende Qualm aus den Schornsteinen ist Geschichte
Inzwischen hat die Internationale Schifffahrts-Organisation IMO die größte Hürde für den Bau und Betrieb von LNG-Schiffen ausgeräumt. Sie hat verbindliche Richtlinien für die Sicherheit von gasbetriebenen Schiffen erlassen, die vom 1. Januar 2017 an gelten werden. LNG-Experten wie Gerd-Michael Würsig vom Schiffs-TÜV DNV GL gehen deshalb davon aus, dass die Zahl der LNG-Schiffe weiter zunehmen wird. Etwa 80 neue Schiffe sind derzeit im Bau, darunter auch ausgesprochen riesige Dampfer.
"Kreuzfahrtschiffe werden jetzt dazu kommen. Unter dem Aida-Label baut Carnival vier große Kreuzfahrtschiffe. Zwei in Papenburg und zwei in Turku, also die Meyer-Werft ist die Ausführende. Und diese Schiffe werden Ende des Jahrzehnts in Fahrt kommen."
Vor allem in den Abgaskontrollgebieten dürfte es künftig mehr LNG-Schiffe geben. Komplett ersetzen wird das Flüssiggas die anderen Treibstoffe aber nicht, weil die Abgaswerte für die übrigen Meeresgebiete weniger streng sind. Dort werden Reeder künftig auf schwefelarme Treibstoffe setzen oder Abgasreinigungsanlagen bevorzugen. Für die Borkum-Besucher an Bord der "Ostfriesland" aber ist der stinkende Qualm aus den Schornsteinen jetzt Geschichte.