Sie stecken in Pestiziden, Medikamenten, Kosmetika sowie etlichen Plastikprodukten: die sogenannten Umwelthormone. Umwelthormone sind organische Molekülverbindungen, die sich wie Hormone verhalten: Also sie steuern lebenswichtige Körperfunktionen. Zum Beispiel Atmung, Kreislauf oder Stoffwechsel, Fortpflanzung oder Wachstum und die Entwicklung zu Mann oder Frau beim Fötus. Umwelthormone reichern sich in Boden, Luft und Wasser an und gelangen über die Haut oder die Atmung in den Körper von Mensch und Tier.
"Unter Umwelthormonen versteht man Stoffe, die von außen auf den Organismus, auf den Menschen oder ein Tier einwirken, und das Hormonsystem stören."
Andreas Gies ist Leiter der Abteilung Umwelthygiene beim Bundesumweltamt:
"Und zwar in einer solchen Weise stören, dass wir nachteilige, gesundheitliche Veränderungen haben. Diese Stoffe sind gefährlicher als andere Stoffe, sie verändern nicht nur Strukturen in unserem Körper, sondern sie greifen in die Steuerung unseres Körpers ein. Und dies gerade während der Entwicklung, unserer vorgeburtlichen Entwicklung oder der vorgeburtlichen Entwicklung von Tieren. Wenn unser Geschlecht festgelegt wird, wenn viel von unserem Verhalten festgelegt wird, wenn unser ganzer Körperbau festgelegt wird. Und das macht die so gefährlich."
Das Hormonsystem benutzt Botenstoffe, um bestimmte Prozesse in Gang zu setzen, und schickt diese Stoffe auf dem Blutweg durch den Körper. In der Fachsprache wird das Hormonsystem auch endokrines System genannt und Umwelthormone entsprechend als endokrine Disruptoren bezeichnet, also auf Deutsch: hormonelle Störer.
Umwelthormone befinden sich in vielen Weichmachern
Umwelthormone befinden sich in vielen Weichmachern, darunter die sogenannten Phthalate. Weichmacher machen Kunststoffe geschmeidig. Sie kommen in Produkten zum Einsatz, die eigentlich besonders sicher und unbedenklich sein sollten: zum Beispiel in Kinderspielzeug und Lebensmittelverpackungen. Andere bekannte endokrine Disruptoren sind die sogenannten Bisphenole, allen voran Bisphenol A. Sie befinden sich beispielsweise in der Innenbeschichtung von Konservendosen. Auch viele Pestizide enthalten Umwelthormone. Winzige Restpartikel können sich auf den gespritzten Lebensmitteln befinden. Seit mehr als 20 Jahren befasst sich die Fachwelt mit zunächst unerklärlichen Phänomenen bei Mensch und Tier:
"Zuerst ist es aufgefallen bei der verminderten Spermienqualität", sagt Andreas Gies.
"Wir haben heute noch ein Drittel der Spermien, die von einem Mann produziert werden, wie noch in den 50er-Jahren..."
"Man ist auf die sogenannten endokrinen Disruptoren aufmerksam geworden, weil sich die Trends bei bestimmten Krankheitsbildern beim Menschen immer verschlechtert haben."
Der Toxikologe Andreas Kortenkamp lehrt an der Brunel University of London:
"Ein Beispiel sind Hodenkrebs oder Brustkrebs, oder Missbildungen bei kleinen Jungen, Hodenhochstand, Missbildungen am Penis. Einige Mediziner haben die Frage gestellt: Woran liegt das eigentlich? Die klassische Medizin konnte keine Antworten finden. Dann hat sich aber herausgestellt durch Laboruntersuchungen am Tier, dass bestimmte Chemikalien in der Lage sind, ähnliche Bilder auch im Tierversuch auszulösen, da war die Verbindung geknüpft."
Das Parlament der Europäischen Union beschloss im Jahr 2009, hormonell wirksame Stoffe zu regulieren und notfalls zu verbieten. Die General-Direktion Umwelt der Europäischen Kommission erhielt den Auftrag, wissenschaftliche Kriterien zu entwickeln, nach denen gefährliche Umwelthormone identifiziert werden können.
"Das ist ja eines der Grundprinzipien der Umweltpolitik der Europäischen Kommission, die muss wissenschaftlich begründet sein."
Die Generaldirektion Umwelt beauftragte also zunächst eine wissenschaftliche Studie per Ausschreibung. Den Zuschlag erhielten Andreas Kortenkamp und sein fünfköpfiges Team. Die Studie sollte noch offene Fragen beantworten:
"Gibt es überhaupt Hinweise für Assoziationen zwischen chemischer Exposition und diesen Krankheitsbilder, die Frage kann mit ja beantwortet werden. Dazu kam noch die Evidenz mit kontrollierten Tierversuchen, all das haben wir analysiert, und einen Bericht dazu geschrieben und der Kommission präsentiert. Die Schlussfolgerung, die daraus gezogen wurde, war: Ja, das ist nötig, durch vorsorgende und eingreifende Umweltpolitik an das Problem heranzugehen."
Der sogenannte Kortenkamp-Bericht wurde im Jahr 2012 veröffentlicht. Er erntete viel Lob bei Kommission und Parlament. Die Biologin Susanne Smolka vom Pestizid-Aktionsnetzwerk PAN hat den Prozess intensiv begleitet:
"Die EU-Kommission, sie hatte eine ganz klare Deadline, nämlich bis zum 13. Dezember 2013. In den Jahren zuvor wurden Experten gehört, es wurden Fachgruppen gehört, wo unter anderem auch PAN mit beteiligt war und auch Wissenschaftler und Industrievertreter, letztendlich lag dann im Sommer ein erster Entwurf vor von der Generaldirektion Umwelt."
Bis zum Sommer 2013 hielt die Generaldirektion Umwelt der Europäischen Kommission das Lenkrad für die Regulierung von Umwelthormonen fest in der Hand, man war im Zeitplan. Jetzt hätte der Entwurf nur noch veröffentlicht werden müssen, damit das Parlament darüber abstimmen könnte. Aber nach Einschätzung von Susanne Smolka hatten nicht alle Beteiligten ein Interesse daran, bei diesem Thema möglichst bald Entscheidungen zu fällen.
"Leider, das kennen wir von der Debatte des Tabakkonsums, wichtig ist, Irritationen hervorzurufen, um erst mal Zeit zu gewinnen."
Nicht nur eine Scheindebatte
Beim Rauchen zum Beispiel hat es rund 50 Jahre gedauert, bevor es durch die Politik stärker reguliert wurde. So lange galt es als wissenschaftlich nicht erwiesen, dass Rauchen tatsächlich schädlich ist.
Wenn Substanzen verboten werden, müssen neue gefunden werden. Das kostet Zeit und Geld und schmälert möglicherweise Gewinne. Die Industrie lässt ihre Interessen in Brüssel von zahlreichen Lobbyisten vertreten. Sie macht sich dabei die Wissenschaft zunutze.
Auch der Bericht von Andreas Kortenkamp wurde schon bald wissenschaftlich angegriffen – durch eine industriefinanzierte Studie aus Amerika.
Wenn Substanzen verboten werden, müssen neue gefunden werden. Das kostet Zeit und Geld und schmälert möglicherweise Gewinne. Die Industrie lässt ihre Interessen in Brüssel von zahlreichen Lobbyisten vertreten. Sie macht sich dabei die Wissenschaft zunutze.
Auch der Bericht von Andreas Kortenkamp wurde schon bald wissenschaftlich angegriffen – durch eine industriefinanzierte Studie aus Amerika.
"Das ist so eine übliche Taktik, die läuft dann darauf hinaus, wo Rauch ist auch Feuer. Viele Leute haben dann mit etwas Verwirrung darauf reagiert, nicht jeder liest einen 400-Seiten-Bericht durch. Meiner Ansicht nach war das auch genau das Ziel der irreführenden Kritik der Industrie, nur ein bisschen Rauch und Nebel zu veranstalten, um den Eindruck zu erwecken, als ob unser Bericht kontrovers sei."
"Es gibt bei dem Thema viele Fragezeichen. Wir wissen bei den meisten Substanzen nicht, in welcher Dosis sie was verursachen. Deswegen ist das auch ein wichtiges Thema, um das wir uns kümmern müssen, aber ich warne auch vor Panikmache."
Hält der Mediziner Peter Liese dagegen. Er sitzt für die CDU im Europäischen Parlament. Die Diskussion um die Gefährlichkeit von Umwelthormonen sei nicht einfach nur eine Scheindebatte:
"Wir haben wirklich viele Probleme, wo wir genau die Ursache und die Wirkung lokalisieren können, zum Beispiel beim Rauchen, das ist offensichtlich; bei Antibiotikaresistenzen, auch bei Krankenhauskeimen. So viele Informationen über die Dimension der Gefahr und das, was man tun muss, haben wir bei den hormonell wirksamen Substanzen nicht. Es gibt tausend Ursachen, warum bestimmte Krankheiten zunehmen, das hat auch mit dem Lebensstil zu tun. Das kann mit Faktoren zusammenhängen, die wir noch nicht genug untersucht haben, wie zum Beispiel elektromagnetische Strahlung. Es kann auch mit diesen Stoffen zusammenhängen, aber mir ist das wichtig, dass wir da genau hinschauen. Nicht jede Substanz, die in irgendeiner Form auf das Hormonsystem wirkt, kann als Ursache für diese Erkrankung gebrandmarkt werden."
Kritiker zweifeln an der Schädlichkeit
Für Deutschland als Mitgliedsland der EU geht es auch darum, den Industriestandort mit seinen großen Chemiekonzernen, allen voran Bayer und BASF, zu schützen. Roland Solecki vom Bundesinstitut für Risikobewertung, kurz BfR, meldet Zweifel an, dass Umwelthormone wirklich so schädlich für die Menschheit sind:
"Zum einen ist die Entstehung dieser Krankheiten sehr komplex, dann wirken diese Substanzen sehr unterschiedlich und mit der Ausnahme von Arzneimitteln ist die Untersuchung am Menschen häufig nicht möglich. Letztlich werden häufig diese Krankheiten rückwirkend mit möglichen Ursachen in Verbindung gebracht. Das ist in der Regel sehr schwierig, hier sind sehr kostenintensive, sogenannte prospektive Studien nötig, die sowohl die Aufnahme der Stoffe als auch Ernährungsgewohnheiten mit berücksichtigen. Eine solche Studie wird derzeit vom BfR durchgeführt."
Den tschechischen Europa-Abgeordnete Pavel Poc ärgert die lange Debatte über mögliche Verbote. Er sitzt für die Sozialdemokraten im Parlament:
"Ich würde sagen, es gibt nicht nur wissenschaftliche Hinweise, sondern immer mehr Beweise, dass Umwelthormone entscheidend zu Krankheiten und Behinderungen beitragen. Das geht von Fettleibigkeit über Krebs, Unfruchtbarkeit bis hin zu Missbildungen und Autismus. Wir haben in der EU eine wahre Krebsepidemie, ich gehe davon aus, dass dies auch mit den Umwelthormonen zu tun hat."
Obwohl die Mehrheit der Parlamentarier denkt wie Pavel Poc, gibt es in der EU immer noch Streit über das Thema. In der Kommission gerieten die Generaldirektionen aneinander. Die Direktion Gesundheit hat dann eine neue Studie bei der EFSA in Auftrag gegeben, der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, ohne die federführende Generaldirektion Umwelt mit einzubeziehen.
Um möglichst viele Stoffe vor dem regulierenden Zugriff der EU-Behörden zu schützen, wollte die Industrie nun unter anderem Grenzwerte und die Potenz eines Stoffes, also den Grad seiner Gefährlichkeit, ins Spiel bringen. Der Ansatz folgt der klassischen Risikobewertung im Chemikalienrecht. Das sei sinnvoll, findet der EU-Parlamentarier Peter Liese:
Um möglichst viele Stoffe vor dem regulierenden Zugriff der EU-Behörden zu schützen, wollte die Industrie nun unter anderem Grenzwerte und die Potenz eines Stoffes, also den Grad seiner Gefährlichkeit, ins Spiel bringen. Der Ansatz folgt der klassischen Risikobewertung im Chemikalienrecht. Das sei sinnvoll, findet der EU-Parlamentarier Peter Liese:
"Gutes Beispiel ist Vitamin D, das brauchen wir alle zum Leben, in höheren Dosen wirkt das auf das Hormonsystem und kann sogar als Rattengift genutzt werden. Die Dosis macht das Gift, und ich glaube es wäre falsch zu sagen, weil ein Stoff grundsätzlich in das Hormonsystem eingreift, muss er sofort verboten werden."
BfR hält generelles Verbot für überzogen
Tatsächlich kommen hormonell wirksame Substanzen auch natürlicherweise in Lebensmitteln vor, beispielsweise in Sojabohnen und sogar in Kaffee. Auch das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung, BfR, hält ein generelles Verbot von Umwelthormonen für überzogen. Das entspricht der Position der Bundesregierung. Roland Solecki ist Leiter der Abteilung Pestizid-Sicherheit beim BfR:
"Das BfR hat sich sehr intensiv an der Entwicklung von wissenschaftlichen Kriterien beteiligt. Des Weiteren: Wenn wir einen Stoff beurteilen, wollen wir eine komplexe Bewertungsmatrix heranziehen, bei der gemeinsam die Stärke, die Wirkung bei besonders niedrigen Dosierungen und auch die Konsistenz mit beurteilt werden in einer zusammenfassenden Bewertung."
Zu Fragen der menschlichen Gesundheitsgefährdung durch Umwelthormone möchte sich Roland Solecki nicht direkt äußern. Auf seiner Website erklärt das Institut für Risikobewertung:
Die derzeit vorliegenden Daten zur Exposition gegenüber einzelnen Substanzen wie Bisphenol A oder Phthalaten ergeben keine wissenschaftlich fundierten Belege für eine Gesundheitsgefährdung, auch nicht für besonders empfindliche Verbrauchergruppen wie Kleinkinder oder Jugendliche in der Pubertät.
Sind Umwelthormone also gar nicht so gefährlich, wie vielfach behauptet?
Die Studie der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA kommt allerdings - wie zuvor schon der Kortenkamp-Bericht - zu dem Ergebnis, dass Grenzwerte und Potenz bei der Bewertung von Umwelthormonen nicht ausreichen.
Der EU-Parlamentarier Pavel Poc ist Mitglied im Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit:
Die Studie der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA kommt allerdings - wie zuvor schon der Kortenkamp-Bericht - zu dem Ergebnis, dass Grenzwerte und Potenz bei der Bewertung von Umwelthormonen nicht ausreichen.
Der EU-Parlamentarier Pavel Poc ist Mitglied im Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit:
"Wenn wir uns wirklich vor Umwelthormonen schützen wollen, müssen wir sie verbieten. Man kann hier kaum über akzeptable Dosen nachdenken. Denn schon winzigste Mengen können sehr ernste Folgen haben, beispielsweise beim menschlichen Fötus. Die Konsequenzen sieht man vielleicht erst, wenn das Kind zehn oder fünfzehn Jahre alt ist. Wir müssen sie wirklich verbieten."
Die Biologin Susanne Smolka
"Wenn ein Fötus in seiner Entwicklung in einem ganz bestimmten Zeitfenster exponiert wird mit so einem Stoff, kann es sein, dass nur wenige Moleküle, eine ganz geringe Dosis reicht, um das Signal zur Hirnentwicklung zu ändern."
"Ähnlich können Sie sich das vorstellen, wenn jemand mit dem Hammer auf ihren Kotflügel haut, ist das unschön, aber es passiert nichts weiter."
Andreas Gies vom Bundesumweltamt
"Wenn jemand mit dem Hammer in ihr Lenkrad haut, dann verzieht sich der ganze Wagen, und sie haben lang anhaltende und schwere Schäden."
Im März 2013 stimmte das Europäische Parlament dem Papier einer schwedischen Abgeordneten zu, die Kriterien Grenzwert und Potenz fallen zu lassen. Umwelthormone sollten wegen ihrer Stoffeigenschaft grundsätzlich verboten werden. Ein mutiger Schritt:
"Es ist das allererste Mal in der Geschichte, dass Gesetze sich nicht am Risiko orientieren, sondern an der Gefahr."
Susanne Smolka:
"Und dann passierte die Lobby-Aktion. Da gab es einen Brief von 18 Toxikologen, die sagten, dieser Entwurf wäre unwissenschaftlich."
Sommer 2013 in Brüssel. Die Veröffentlichung des Entwurfs der Generaldirektion Umwelt stand kurz bevor. Da erreichte ein Brief die wissenschaftliche Chef-Beraterin der EU-Kommission, Anne Glover. Dem Brief lag ein Leitartikel bei, der in vier Toxikologie-Magazinen veröffentlicht worden war. 18 Toxikologen hatten ihn unterschrieben. Andreas Kortenkamp:
"Behauptet wurde, die Kommission macht hier Panikmache, und dass die vorgeschlagenen Kriterien und Maßnahmen mit wissenschaftlichen Prinzipien nicht im Einklang stehen."
Die wissenschaftliche Chefberaterin Anne Glover organisierte ein Treffen zwischen beiden Lagern. Auch Andreas Kortenkamp war dabei. Die Toxikologen zogen ihre Vorwürfe aus dem Leitartikel, dem Editorial, dann schnell zurück:
"sodass viele verblüfft waren, sich angeschaut haben und gefragt haben: Okay, wenn es so einfach ist, die Toxikologen zur Zustimmung von verschiedenen wissenschaftlichen Prinzipien zu bringen, was war denn eigentlich der Zweck dieses Editorials?"
Toxikologen pflegen Verbindungen zur Industrie
Eine Recherche von Environmental Health News hat ergeben, dass von den 18 Toxikologen 17 Verbindungen zur Industrie pflegen. Ihr Ziel haben sie in jedem Fall erreicht: Die demokratisch gewählte Institution, die Generaldirektion Umwelt, gab das Steuer ab, der gesamte Prozess zur Regulierung von Umwelthormonen steht seitdem still, gesetzlich vorgeschriebene Termine zur Veröffentlichung des Entwurfs, also der Grundlage für eine Gesetzgebung, wurden ignoriert.
Stattdessen setzte die Generalsekretärin der Kommission unter Manuel Barroso, Catherine Day, ein impact assessment durch: eine Abschätzung der wirtschaftlichen Folgen einer Regulierung von Umwelthormonen. Ein Prozess, dessen Abschluss nicht vor 2016 zu erwarten ist. Nötig sei er trotzdem, findet der Parlamentarier Peter Liese.
Stattdessen setzte die Generalsekretärin der Kommission unter Manuel Barroso, Catherine Day, ein impact assessment durch: eine Abschätzung der wirtschaftlichen Folgen einer Regulierung von Umwelthormonen. Ein Prozess, dessen Abschluss nicht vor 2016 zu erwarten ist. Nötig sei er trotzdem, findet der Parlamentarier Peter Liese.
"Weil wir seit vielen Jahren das Prinzip haben, dass Gesetzgebungen, die erhebliche Auswirkungen haben, von einer Folgenabschätzung begleitet werden müssen. Ich verstehe nicht, warum man jetzt sagt, dass in diesem Fall es ausgerechnet nicht passieren sollte."
Fragt sich bloß, warum die Kommission nicht schon früher auf diese Idee gekommen ist. Andreas Kortenkamp äußert seine Einschätzung:
"Jedes Jahr Verzögerung bei der Regulierung bedeutet Millionen von Euros an Gewinn. Und das impact assessment wird jetzt als Instrument missbraucht um dieses Ziel zu realisieren."
Ob das der wahre Grund ist, lässt sich nicht belegen. Und die Folgen möglicher Verbote abschätzen zu lassen, ist legitim.
Aber dass auch oft versucht wird, auf politische Prozesse Einfluss zu nehmen, ist unbestritten. Und daher beklagt Christoph Then von Testbiotech die fehlende Unabhängigkeit der Wissenschaft in Deutschland und der EU, gerade bei der Risikoforschung:
Aber dass auch oft versucht wird, auf politische Prozesse Einfluss zu nehmen, ist unbestritten. Und daher beklagt Christoph Then von Testbiotech die fehlende Unabhängigkeit der Wissenschaft in Deutschland und der EU, gerade bei der Risikoforschung:
"Da ist überall eine große Nähe zu Industrie. Auf Knopfdruck kann die Industrie auch bestimmte Reaktion hervorrufen: kann also sagen, befasst euch bitte mal mit diesem Thema und äußert euch als unabhängige Wissenschaftler dazu. Das war bei den endokrinen Disruptoren genauso, dass man eine ganze Reihe von Wissenschaftlern dazu gebracht hat, sich hier so zu äußern, dass die Position der Europäischen Kommission, die eigentlich schon reif zur Abstimmung war, diskreditiert wurde. Das hat letztendlich zu nichts anderem geführt, als dass der Abstimmungsprozess unterlaufen wurde, gestoppt wurde."
Weil gesetzlich vorgeschriebene Termine ignoriert wurden, gehen Schweden und 21 andere Mitgliedsländer, darunter auch Deutschland, juristisch gegen die EU-Kommission vor. Es kann also noch dauern, bis Umwelthormone aus unserem Alltag verschwinden. Bis dahin empfiehlt die Gesellschaft für Endokrinologie, Lebensmittel frisch und unverpackt einzukaufen und Getränke wieder aus Glasflaschen zu trinken.