Müller: Guten Morgen, Frau Simon!
Simon: Was wollen Sie in Sachen Hochwasserschutz erreichen?
Müller: Wir wollen erst einmal erreichen, dass es nicht in Vergessenheit gerät. Nach der Oder-Flut haben wir viele spontane Vorschläge bekommen, drei Monate später war nichts mehr davon zu hören. Zwei Jahre später kam dann die Elbe-Flut. Und wir haben gemerkt, wie schrecklich sie sich ausgewirkt hat. Insofern ist es jetzt wichtig, dass wir jetzt die Konsequenzen beschließen und auch umsetzen, damit wir nicht in zwei oder drei Jahren wieder vor dem gleichen Problem stehen.
Simon: Was heißt das denn ganz konkret? Was können Sie heute mit den Kollegen vereinbaren?
Müller: Wir werden heute hoffentlich vereinbaren, dass zum einen Schleswig Holstein davon lebt, was Niedersachsen und Brandenburg an Hochwassermaßnahmen unternehmen. Diese Länder wiederum leben davon, was in Sachsen oder in der Tschechischen Republik entsteht. Also, wir brauchen eine Koordinierung. Nicht jedes Bundesland darf nur an sich denken. Das ist das erste. Zum anderen brauchen wir Überschwemmungsgebiete. Wir haben festgestellt, dass die Flutung der Havelpolder in Brandenburg die Erlösung für die niedersächsischen Deiche war. Dies gilt auch für Schleswig Holstein oder Mecklenburg Vorpommern. Und wir müssen darauf hin arbeiten, dass wir in Sachen Klimaschutz weiterkommen, und das nicht verbrämt ideologisch oder auf dem Papier. Der Ausbau erneuerbarer Energien ist einfach entscheidend, auch wenn er sicherlich erst in zwanzig oder dreißig Jahren hilft.
Simon: Es gab ja auch Dinge, die Sie als Umweltminister eines Landes vor Ort regeln konnten. Es hat sich bei der großen Flut heraus gestellt, dass es oft sogar über die Kreisgrenzen hinaus Koordinationsprobleme gab. Haben Sie da in Schleswig Holstein ergriffen?
Müller: Das ist richtig. Diese Probleme hat es gegeben. Die hat es auch bei uns im Norden gegeben. Wir haben ein ungefähr drei Kilometer langes Deichstück, was zu zwei Dritteln Mecklenburg Vorpommern und zu einem Drittel Schleswig Holstein betrifft. Da war die Situation so, dass Mecklenburg Vorpommern so ungefähr fünf bis zehn Meter höher lag. Sie hatten also keine Sorgen und wollten sich um den Deich nicht primär kümmern. Aus deren Sicht war das verständlich. Da sind wir zur Zeit in guten Gesprächen, dass eine einheitliche Regelung für diesen Deich entsteht. Es soll eine einheitliche Zuständigkeit geben, die auch über Ländergrenzen hinweg gilt. Die Signale sind sehr positiv.
Simon: Sie sprachen die Maßnahmen gegen eine neue große Flut an. Der Bund hat ja nach der Flut zum Beispiel davon abgesehen, die Elbe für die Schifffahrt weiter auszubauen. In Bayern hält die Landesregierung dagegen an einem Ausbau der Donau fest. Gibt es da unter den Umweltministerkollegen eigentlich eine Diskussion?
Müller: Aber mit Sicherheit wird es die geben. Es hat sie ja auch schon in der Vergangenheit gegeben. Der Streit beginnt ja nicht erst jetzt, sondern den muss man klar und deutlich führen. Ich halte es schlicht für unverantwortlich, sei es die Elbe oder die Donau, hier die Flüsse planlos und rücksichtslos immer weiter auszubauen. Und man nimmt leider keine Rücksicht darauf, dass das Wasser sich dann andere Bahnen sucht, dass es immer schneller kommt. Es kommt auch mit immer geringeren Vorwarnzeiten. Das was wir eben just im Sommer an der Elbe erlebt haben, das wollen wir uns an der Donau erst gar nicht leisten. Darum sind die Maßnahmen der bayerischen Regierung schlicht falsch.
Simon: Wie allein stehen Sie denn da mit Ihrer Meinung unter den Umweltministern?
Müller: Ich glaube, ich stehe da gar nicht so allein. Ich weiß, dass es eine ganze Reihe von Kollegen gibt, die gesagt haben, dass das, was der Bund beschlossen hat, richtig und vernünftig sei. Man kann fast nach Parteifarben sortieren, also grüne und rote Umweltminister halten das Vorhaben des Bundes für vernünftig. Leider gibt es auch die sogenannte B-Seite. Das sind die Kollegen aus den CDU-regierten Ländern. Und die sind weitgehend anderer Auffassung. Darüber muss und wird man heute in Frankfurt reden. Ich glaube, dass es eine spannende Diskussion werden wird.
Simon: Gehen Sie denn davon aus, dass es auch wirklich Ergebnisse geben wird?
Müller: Natürlich wird es Ergebnisse geben. Niemand kann sich vor seine Bevölkerung stellen und sagen, er ignoriere das, was in Dresden passiert ist und das, worunter Sachsen-Anhalt leiden musste. Gerade auch die Kollegen aus diesen beiden Ländern werden da zu recht ganz heftig drauf dringen. Insofern glaube ich, dass wir einerseits in der Koordination mit dem Bund weiterkommen werden. Da bin ich sehr zuversichtlich. Aber wir werden sicherlich auch dazu kommen, dass jeder Umweltminister zeigen muss, was er auf den Weg gebracht hat. Und da kann man auch voneinander lernen.
Simon: Die Konferenz wird sich auch mit dem Dosenpfand beschäftigen. Inzwischen gibt es ja circa 100 Klagen gegen das Dosenpfand, aber nur in einem einzigen Verfahren bekam bisher der Gegner recht. Das war vor dem Verwaltungsgericht in Düsseldorf. Die Bundesregierung will dabei bleiben, das Dosenpfand am 1. Januar 2003 einzuführen. Wie stehen Sie angesichts der etwas unsicheren Rechtssituation dazu?
Müller: Das wird unter den Umweltministern eine spannende Diskussion. Sie findet in dem sogenannten Kamin statt, das heißt, ohne Protokoll und ohne Mitarbeiter. Da kann man auch etwas freier reden. Man muss also nicht davon ausgehen, dass man sich dafür sofort auch vor der Presse rechtfertigen muss. Richtig ist, dass es 100 Klagen gegeben hat. Ein Großteil davon ist zurückgezogen worden. Die klagenden Einzelhändler wissen nämlich genau, dass sie das Dosenpfand auf dem juristischen Weg nicht verhindern können. Ihre politische Kampagne ist ja auch bei der Wahl am 22. September gescheitert. Die Entscheidung für Nordrhein-Westfalen ist ein Problem. Beide Seiten haben sich auf eine sogenannte Sprungrevision geeinigt. Das heißt die nächste abschließende Instanz wird urteilen. Dies wird aber wahrscheinlich nicht vor Februar oder März geschehen, nach dem was man so hört. Insofern wird man zum einen darüber diskutieren, welche Vollzugsmöglichkeiten es gibt ohne Nordrhein-Westfalen. Nach meinen Informationen ist Jürgen Trittin zu recht entschlossen, das Dosenpfand zum 1. Januar durchzusetzen.
Simon: Gehen Sie auch davon aus, dass es dafür in der Umweltministerkonferenz eine Mehrheit geben könnte?
Müller: Wenn ich etwas provokant wäre, würde ich sagen, das ist egal. Es ist nämlich geltendes Recht. Die Umweltminister ersetzen ja auch nicht den deutschen Bundestag oder den Bundesrat. Das wäre ja auch etwas vermessen. Die Lage ist klar. Wir müssen jetzt klären, wie eine effiziente Umsetzung sowohl für Verbraucherinnen und Verbraucher, die das ja zu 80 Prozent wollen, aber auch für den Einzelhandel aussieht. Wir wollen ihnen ja auch nichts Unzumutbares aufbrummen.
Simon: Aber ganz praktisch: Wenn zum Beispiel Nordrhein-Westfalen wegen dieser Regelung aus Düsseldorf ausgenommen werden müsste, dann könnten ja alle möglichen Leute für ihre Dosen entweder nach Nordrhein-Westfalen gehen oder die Dosen über die Landesgrenzen hinweg entsorgen.
Müller: Ich gehe davon aus, dass es eine Art Kennzeichnung geben wird. Sonst hätten wir das gleiche Problem in Deutschland und dann auch zum Beispiel an der französischen oder österreichischen Grenze. Es muss eine Kennzeichnung geben. Die gibt es ja auch schon. Denken Sie an skandinavische Modelle. Da ist es ja möglich, für eine skandinavische Dose Pfand zu bezahlen und auch zurück zu bekommen. Mit einer deutschen Dose können Sie da nicht schummeln gehen. Wahrscheinlich wird man dieses Modell in Deutschland einsetzen, mit Ausnahme Nordrhein-Westfalens. Das ist keine schöne Situation. Das ist auch verwirrend. Das haben aber die zu verantworten, die die Klage angestrengt haben. Bis Februar oder März wird man das wohl aushalten und dann eine einheitliche Lösung haben.
Link: Interview als RealAudio
Simon: Was wollen Sie in Sachen Hochwasserschutz erreichen?
Müller: Wir wollen erst einmal erreichen, dass es nicht in Vergessenheit gerät. Nach der Oder-Flut haben wir viele spontane Vorschläge bekommen, drei Monate später war nichts mehr davon zu hören. Zwei Jahre später kam dann die Elbe-Flut. Und wir haben gemerkt, wie schrecklich sie sich ausgewirkt hat. Insofern ist es jetzt wichtig, dass wir jetzt die Konsequenzen beschließen und auch umsetzen, damit wir nicht in zwei oder drei Jahren wieder vor dem gleichen Problem stehen.
Simon: Was heißt das denn ganz konkret? Was können Sie heute mit den Kollegen vereinbaren?
Müller: Wir werden heute hoffentlich vereinbaren, dass zum einen Schleswig Holstein davon lebt, was Niedersachsen und Brandenburg an Hochwassermaßnahmen unternehmen. Diese Länder wiederum leben davon, was in Sachsen oder in der Tschechischen Republik entsteht. Also, wir brauchen eine Koordinierung. Nicht jedes Bundesland darf nur an sich denken. Das ist das erste. Zum anderen brauchen wir Überschwemmungsgebiete. Wir haben festgestellt, dass die Flutung der Havelpolder in Brandenburg die Erlösung für die niedersächsischen Deiche war. Dies gilt auch für Schleswig Holstein oder Mecklenburg Vorpommern. Und wir müssen darauf hin arbeiten, dass wir in Sachen Klimaschutz weiterkommen, und das nicht verbrämt ideologisch oder auf dem Papier. Der Ausbau erneuerbarer Energien ist einfach entscheidend, auch wenn er sicherlich erst in zwanzig oder dreißig Jahren hilft.
Simon: Es gab ja auch Dinge, die Sie als Umweltminister eines Landes vor Ort regeln konnten. Es hat sich bei der großen Flut heraus gestellt, dass es oft sogar über die Kreisgrenzen hinaus Koordinationsprobleme gab. Haben Sie da in Schleswig Holstein ergriffen?
Müller: Das ist richtig. Diese Probleme hat es gegeben. Die hat es auch bei uns im Norden gegeben. Wir haben ein ungefähr drei Kilometer langes Deichstück, was zu zwei Dritteln Mecklenburg Vorpommern und zu einem Drittel Schleswig Holstein betrifft. Da war die Situation so, dass Mecklenburg Vorpommern so ungefähr fünf bis zehn Meter höher lag. Sie hatten also keine Sorgen und wollten sich um den Deich nicht primär kümmern. Aus deren Sicht war das verständlich. Da sind wir zur Zeit in guten Gesprächen, dass eine einheitliche Regelung für diesen Deich entsteht. Es soll eine einheitliche Zuständigkeit geben, die auch über Ländergrenzen hinweg gilt. Die Signale sind sehr positiv.
Simon: Sie sprachen die Maßnahmen gegen eine neue große Flut an. Der Bund hat ja nach der Flut zum Beispiel davon abgesehen, die Elbe für die Schifffahrt weiter auszubauen. In Bayern hält die Landesregierung dagegen an einem Ausbau der Donau fest. Gibt es da unter den Umweltministerkollegen eigentlich eine Diskussion?
Müller: Aber mit Sicherheit wird es die geben. Es hat sie ja auch schon in der Vergangenheit gegeben. Der Streit beginnt ja nicht erst jetzt, sondern den muss man klar und deutlich führen. Ich halte es schlicht für unverantwortlich, sei es die Elbe oder die Donau, hier die Flüsse planlos und rücksichtslos immer weiter auszubauen. Und man nimmt leider keine Rücksicht darauf, dass das Wasser sich dann andere Bahnen sucht, dass es immer schneller kommt. Es kommt auch mit immer geringeren Vorwarnzeiten. Das was wir eben just im Sommer an der Elbe erlebt haben, das wollen wir uns an der Donau erst gar nicht leisten. Darum sind die Maßnahmen der bayerischen Regierung schlicht falsch.
Simon: Wie allein stehen Sie denn da mit Ihrer Meinung unter den Umweltministern?
Müller: Ich glaube, ich stehe da gar nicht so allein. Ich weiß, dass es eine ganze Reihe von Kollegen gibt, die gesagt haben, dass das, was der Bund beschlossen hat, richtig und vernünftig sei. Man kann fast nach Parteifarben sortieren, also grüne und rote Umweltminister halten das Vorhaben des Bundes für vernünftig. Leider gibt es auch die sogenannte B-Seite. Das sind die Kollegen aus den CDU-regierten Ländern. Und die sind weitgehend anderer Auffassung. Darüber muss und wird man heute in Frankfurt reden. Ich glaube, dass es eine spannende Diskussion werden wird.
Simon: Gehen Sie denn davon aus, dass es auch wirklich Ergebnisse geben wird?
Müller: Natürlich wird es Ergebnisse geben. Niemand kann sich vor seine Bevölkerung stellen und sagen, er ignoriere das, was in Dresden passiert ist und das, worunter Sachsen-Anhalt leiden musste. Gerade auch die Kollegen aus diesen beiden Ländern werden da zu recht ganz heftig drauf dringen. Insofern glaube ich, dass wir einerseits in der Koordination mit dem Bund weiterkommen werden. Da bin ich sehr zuversichtlich. Aber wir werden sicherlich auch dazu kommen, dass jeder Umweltminister zeigen muss, was er auf den Weg gebracht hat. Und da kann man auch voneinander lernen.
Simon: Die Konferenz wird sich auch mit dem Dosenpfand beschäftigen. Inzwischen gibt es ja circa 100 Klagen gegen das Dosenpfand, aber nur in einem einzigen Verfahren bekam bisher der Gegner recht. Das war vor dem Verwaltungsgericht in Düsseldorf. Die Bundesregierung will dabei bleiben, das Dosenpfand am 1. Januar 2003 einzuführen. Wie stehen Sie angesichts der etwas unsicheren Rechtssituation dazu?
Müller: Das wird unter den Umweltministern eine spannende Diskussion. Sie findet in dem sogenannten Kamin statt, das heißt, ohne Protokoll und ohne Mitarbeiter. Da kann man auch etwas freier reden. Man muss also nicht davon ausgehen, dass man sich dafür sofort auch vor der Presse rechtfertigen muss. Richtig ist, dass es 100 Klagen gegeben hat. Ein Großteil davon ist zurückgezogen worden. Die klagenden Einzelhändler wissen nämlich genau, dass sie das Dosenpfand auf dem juristischen Weg nicht verhindern können. Ihre politische Kampagne ist ja auch bei der Wahl am 22. September gescheitert. Die Entscheidung für Nordrhein-Westfalen ist ein Problem. Beide Seiten haben sich auf eine sogenannte Sprungrevision geeinigt. Das heißt die nächste abschließende Instanz wird urteilen. Dies wird aber wahrscheinlich nicht vor Februar oder März geschehen, nach dem was man so hört. Insofern wird man zum einen darüber diskutieren, welche Vollzugsmöglichkeiten es gibt ohne Nordrhein-Westfalen. Nach meinen Informationen ist Jürgen Trittin zu recht entschlossen, das Dosenpfand zum 1. Januar durchzusetzen.
Simon: Gehen Sie auch davon aus, dass es dafür in der Umweltministerkonferenz eine Mehrheit geben könnte?
Müller: Wenn ich etwas provokant wäre, würde ich sagen, das ist egal. Es ist nämlich geltendes Recht. Die Umweltminister ersetzen ja auch nicht den deutschen Bundestag oder den Bundesrat. Das wäre ja auch etwas vermessen. Die Lage ist klar. Wir müssen jetzt klären, wie eine effiziente Umsetzung sowohl für Verbraucherinnen und Verbraucher, die das ja zu 80 Prozent wollen, aber auch für den Einzelhandel aussieht. Wir wollen ihnen ja auch nichts Unzumutbares aufbrummen.
Simon: Aber ganz praktisch: Wenn zum Beispiel Nordrhein-Westfalen wegen dieser Regelung aus Düsseldorf ausgenommen werden müsste, dann könnten ja alle möglichen Leute für ihre Dosen entweder nach Nordrhein-Westfalen gehen oder die Dosen über die Landesgrenzen hinweg entsorgen.
Müller: Ich gehe davon aus, dass es eine Art Kennzeichnung geben wird. Sonst hätten wir das gleiche Problem in Deutschland und dann auch zum Beispiel an der französischen oder österreichischen Grenze. Es muss eine Kennzeichnung geben. Die gibt es ja auch schon. Denken Sie an skandinavische Modelle. Da ist es ja möglich, für eine skandinavische Dose Pfand zu bezahlen und auch zurück zu bekommen. Mit einer deutschen Dose können Sie da nicht schummeln gehen. Wahrscheinlich wird man dieses Modell in Deutschland einsetzen, mit Ausnahme Nordrhein-Westfalens. Das ist keine schöne Situation. Das ist auch verwirrend. Das haben aber die zu verantworten, die die Klage angestrengt haben. Bis Februar oder März wird man das wohl aushalten und dann eine einheitliche Lösung haben.
Link: Interview als RealAudio