"Dass wir jetzt akzeptieren, dass die Europäische Kommission im Komitologieverfahren - also hinter verschlossenen Türen - Grenzwerte auf lange Zeit aushebelt, dass der VW- und Dieselskandal nicht genutzt wird, um die Grenzwerte zu bestätigen, sondern dauerhafte Überschreitungen zuzulassen, das ist einfach nicht in Ordnung", beklagt sich die Vorsitzende der grünen Fraktion, Rebecca Harms.
Im sogenannten Komitologieverfahren, einem technischen Ausschuss der Mitgliedsstaaten, war festgelegt worden, dass Pkw mehr als das doppelte des Grenzwertes an Stickoxiden ausgestoßen dürfen, ab 2021 immer noch das 1,5-fache. Das Parlament, das die strengen Euro-6-Normen schon 2007 verabschiedet hatte, war nicht beteiligt, erklärt Matthias Groote von der SPD:
"Ich glaube, da steht noch richtig Ärger ins Haus für die nächsten Wochen und Monate, und ich glaube, darüber werden wir uns unterhalten müssen, ob in Zukunft technische Ausschüsse Gesetzgebung aushöhlen, komplett verändern, sodass man sie gar nicht mehr wiedererkennt. Das sogenannte Regelungsverfahren soll eigentlich technische Details klären und nicht Gesetzgebung von den Füßen auf den Kopf stellen."
Weshalb auch der Justizausschuss des Parlaments ein Veto empfohlen hatte.376 Abgeordnete hätten dem heute zustimmen müssen. Zu dieser absoluten Mehrheit fehlten allerdings 59 Stimmen. Linke und Grüne hatten sich im Vorfeld klar für ein Veto positioniert, Konservative dagegen.
Sozialdemokraten und Liberale als Zünglein an der Waage
Sozialdemokraten und Liberale galten als entscheidende Stimmen - und wurden von Lobbyisten der Umweltverbänden pro und der Autobauer und Gewerkschaften kontra Veto bearbeitet.
"Bei uns in der Fraktion gab es auch Für und Wider, muss man sagen: Delegationen, die in die eine oder andere Richtung gegangen sind, weil fachlich die Kommission auf uns zugegangen ist. Das hat einigen gereicht, anderen nicht", resümiert Matthias Groote. Zugegangen ist die Kommission auf die Kritiker mit der Überprüfung des zweiten Konformitätsfaktors - also des Stickoxid-Wertes, der ab 2021 gilt und das 1,5-Fache des eigentlichen Grenzwertes betragen wird. Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska erklärte vorm Parlament:
"Wir haben in unserem Vorschlag explizit die jährliche Überprüfung des zweiten Konformitätsfaktors aufgenommen. Das Ziel ist, diesen Faktor so schnell wie möglich auf 1 zu senken - spätestens aber bis 2023."
Spätestens dann sollen also die ursprünglich vereinbarten Grenzwerte wieder gelten - so zumindest der Plan der Kommission.
Die aktuelle Wagenflotte überschreitet auch die neuen Grenzwerte
Herbert Reul von der CDU zeigt sich so mit dem Abstimmungsergebnis zufrieden:
"Es wird in jedem Falle besser. Es wird vielleicht nicht so viel besser, wie die Grünen sich das wünschen. Aber unter uns gesagt: Besser und schnell ist doch besser als ein drei Jahre alter Zustand."
Denn bisher liegt die Menge des tatsächlich ausgestoßenen Stickoxides bei vielen Fahrzeugen deutlich höher, als es selbst die erleichterten Grenzwerte in Zukunft zulassen werden.