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Umweltschutz in Frankreich
Präsident Macron möchte dem Klima Verfassungsrang geben

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will Klima- und Artenschutz in der Verfassung verankern. Die Bürger sollen in einer Volksbefragung darüber abstimmen. Kritik daran kommt auch von Umweltschützern. Ein Argument: Es gibt längst eine Umwelt-Charta, die Verfassungsänderung sei daher überflüssig.

Von Christiane Kaess |
Frankreichs Prasident Emmanuel Macron (M.) und die französische Umwletministerin Barbara Pompili auf einem Klima-Bürgerkongress in Paris
Frankreichs Präsident Macron will darüberabstimmen lassen, ob der Umweltschutz in der Verfassung verankert werden soll (dpa/AP Photo/Thibault Camus)
Die Ankündigung kam überraschend. Präsident Macron hatte bereits dreieinhalb Stunden mit dem "Bürgerkonvent für das Klima" diskutiert. Dann stellte er in der Antwort auf eine der Fragen – wie ganz nebenbei – eine Volksabstimmung in Aussicht.

Referendum soll zeitnah stattfinden

Dafür dass der Schutz der Umwelt, von Tier-und Pflanzenarten sowie der Kampf gegen den Klimawandel in Artikel eins der französischen Verfassung festgeschrieben werden soll, gibt es Beifall. Umweltministerin Barbara Pompili beeilte sich nach Macrons Ankündigung mitzuteilen, dass ein Referendum noch 2021 stattfinden soll. Allerdings weiß niemand, ob das angesichts der Pandemie realistisch ist. Premierminister Jean Castex war deshalb vorsichtiger: "wenn möglich" – so sagte er, könne man die Volksbefragung vor der Präsidentschaftswahl im Frühjahr 2022 abhalten. Und leidenschaftlich ergänzte er:
"Ich glaube, dem Volk das Wort zu geben, ist die Quintessenz der Demokratie. Es ist eine Ehre für den Präsidenten, das einzusetzen. Natürlich ist die Opposition dagegen, aber das Wichtige ist, dass das Volk das letzte Wort hat."

Kritik an Macron-Vorstoß
In der Opposition wittert man einen Coup. Für Marine Le Pen von extrem rechten Rassemblement National handelt es sich um das zigste politische Manöver Macrons. Damien Abad, Fraktionsvorsitzender der rechtsbürgerlichen Republikaner, sprach von einer Instrumentalisierung der Ökologie zu politischen Zwecken.
Der linkspopulistische Jean-Luc Mélenchon kündigte an, er werde gegen ein Referendum stimmen, das für ihn lediglich eine Manipulation bedeute. Nicht alle in der Opposition sind dagegen. Yannick Jadot, Europa-Abgeordneter und Galionsfigur der französischen Grünen, wirft Macron zwar auch ein politisches Manöver vor und argwöhnt, der Präsident wolle sich vor der Wahl im Frühjahr nur als Klimaschützer profilieren. Aber Jadot konnte nicht umhin, ein mögliches Referendum zu unterstützen.
"Dafür kämpfen die Umweltschützer schon sehr lange. Seit Jahren verlangen wir, dass die Verfassung das Klima und die Biodiversität besser schützt."
Ansicht des Walchensee-Kraftwerks direkt am See zwischen bewaldeten Hügeln gelegen.
"Green Deal" - Europas Kampf gegen den Klimawandel
Für EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen ist die Begrenzung der Erderwärmung ein Top-Thema. Ihr sogenannter Green Deal soll dazu beitragen, dass Europa im Jahr 2050 erster klimaneutraler Kontinent wird.
"Dieser Vorschlag ist entweder ein politischer Streich, dann wird der Senat dem keinen Beistand leisten. Oder er ist etwas Brauchbares, dann müssen wir erst einschätzen, was die Konsequenzen sind."

Kritiker verweisen auf bereits existierende Umwelt-Charta

Warum sollte die Opposition dem Präsidenten ein Geschenk machen?, fragen politische Beobachter. Sagen die Bürgerinnen und Bürger "ja" zum Festschreiben des Klimaschutzes in der französischen Verfassung, könnte Macron als Macher damit glänzen. Andererseits könnte der Präsident wiederum auf die Bürgerlichen im Senat deuten, wenn diese ein Referendum tatsächlich verhindern. Auch die Konservativen sitzen also ein bisschen in der Klemme. Bruno Retailleau hat aber noch ein anderes Argument:
"Es gibt bereits eine Umwelt-Charta. Der Verfassungsrat kann damit schon verifizieren, ob zum Beispiel ein Gesetz mit dieser Charta in der Verfassung vereinbar ist."
Tatsächlich gibt es diese Umwelt-Charta seit 2004 und sie hat Verfassungsrang. Ihr zufolge hat jeder Bürger in Frankreich das Recht auf eine ausgewogene und die Gesundheit schützende Umwelt. Manche Juristen verweisen darauf, dass die Charta sogar ambitionierter sei als der Satz, der nun vielleicht mit einem Referendum in die Verfassung geschrieben werden könnte. Und noch einen Hinweis geben Analysten. Er hört sich an wie eine Warnung an Emmanuel Macron. Ein Referendum kann in Frankreich leicht zur Abstimmung über die Politik des amtierenden Präsidenten werden. Sollte Macron verlieren, würde es wohl sehr schwierig für ihn, sich im nächsten Jahr für eine Wiederwahl zu präsentieren.