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Umweltschutz
Politikberater: Söder hat CSU-Strategiewechsel eingeleitet

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder habe die Zeichen der Zeit erkannt, sagte Politikberater Michael Spreng im Dlf. Mit seiner thematischen Hinwendung zur Klimapolitik wolle er an die Grünen verlorene Wähler zurückgewinnen. Eine Verkehrswende sei aber von CSU-Verkehrsministern bisher verhindert worden.

Michael Spreng im Gespräch mit Ann-Kathrin Büüsker |
Markus Söder trägt eine grüne Wanne in der sich Saatgut befindet, welches er auf einen Erdstreifen austrägt.
Markus Söder mit Saatgut für einen Blühstreifen für Bienen (picture alliance / dpa / Timm Schamberger)
Ann-Kathrin Büüsker: Im Sommer des vergangenen Jahres, da gab es in Berlin einen gewaltigen Streit innerhalb der Regierung, kurzfristig stand sogar die Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU zur Disposition – wegen des Streits zur möglichen Zurückweisung von Flüchtlingen an der bayerischen Grenze. In diesem Zusammenhang sprach dann Bayerns Ministerpräsident Markus Söder von Asyltourismus, woraufhin ihm unter anderem die damalige SPD-Chefin Andrea Nahles Populismus und AfD-Rhetorik vorwarf. Wir spulen wieder vor auf den Sommer 2019, auf das vergangene Wochenende, wo Markus Söder sich plötzlich grün gibt, die Mehrwertsteuer auf Bahnfahrkarten infrage stellt und vom Klimaschutz im Grundgesetz spricht. Erst im rechten Spektrum fischen, dann im grünen Spektrum fischen, kann das funktionieren? Wendehals oder schlauer Politstratege? Das ist das Thema hier mit dem Politikberater Michael Spreng, ehemaliger Chefredakteur der "Bild am Sonntag" und einstiger Wahlkampfmanager von Edmund Stoiber. Guten Morgen!
Michael Spreng: Guten Morgen!
Büüsker: Herr Spreng, Söder hat gerade ein Gesetz zur Artenvielfalt durchgebracht und damit ein Volksbegehren der Ökos aufgegriffen. Jetzt diese Klimaschutzforderung – ist Söder in Wirklichkeit ein Grüner?
Spreng: Nein, das glaube ich nicht, aber er ist ein einsichtiger Politiker, der die Zeichen der Zeit erkannt hat und der gemerkt hat, dass er mit dem bisherigen politischen Weg nicht mehr weiterkommt. Deswegen hat er diesen strategischen Wechsel eingeleitet. Und ich muss sagen, das ist sehr weitgehend, was er alles insgesamt vorgeschlagen hat für eine Partei wie die CSU, und es ist auch nicht nur taktisch, denn es kann ja überprüft werden bis zur nächsten Landtagswahl 2023. Also, insofern ist es schon ein strategischer Wechsel der CSU.
Büüsker: Aber wie glaubwürdig ist das, wenn man im letzten Jahr noch kräftig rechts geblinkt hat und jetzt plötzlich auf grün macht?
Spreng: Ja, ich glaube, die CSU hat erkannt, dass das im vergangenen Jahr ein Fehler war, das haben ihr ja auch alle Experten gesagt, dass wer rechts blinkt am Ende nur die AfD stärkt und nicht Stimmen für die CSU gewinnt, so war es ja auch gekommen. Und seitdem hat sich ja viel geändert, es hat sich der Stil des Auftretens geändert, etwas demütiger, die Sprache hat sich geändert, nicht mehr so Haudrauf – und jetzt ändern sich auch die Themen. Das heißt, die CSU will den Anschluss an die Mitte der Gesellschaft nicht verlieren, sie kämpft nicht mehr um die Wähler am rechten Rand, sondern sie will die Wähler, die sie in der Mitte an die Grünen verloren hat, das waren ja in Bayern etwa 190.000, die will sie zurückgewinnen.
Michael Spreng (Journalist und Politikberater) in der ARD-Talkshow hart aber fair am 27.05.2019 in Berlin. 
Der Journalist und Politikberater Michael Spreng (picture alliance / Eventpress Stauffenberg)
"Bei der Flüchtlingspolitik ändert sich ja nichts"
Büüsker: Aber lässt man damit nicht altes Wählerpotenzial quasi liegen, verlässt man die Wähler nicht?
Spreng: Nein, ich glaube das nicht, denn die CSU ist ja nicht gegen Naturschutz und gegen Umweltschutz und nicht gegen Klimaschutz. Das ist ja durchaus auch ein konservatives Thema, Naturschutz und Umweltschutz, also, da verprellt man, glaube ich, keine konservativen Wähler. Die CSU hat ja ihre Flüchtlingspolitik nicht geändert, das ist der Punkt, wo es dann heikel werden könnte für die CSU, das ist aber umgekehrt auch eine Schwachstelle dieses Strategiewechsels, denn es sind ja auch Wähler von der CSU zu den Grünen gegangen, die mit der Flüchtlingspolitik nicht einverstanden waren – und da ändert sich ja nichts.
Büüsker: Und da sehen Sie eine Schwierigkeit, auf der einen Seite diese strikt konservative, tendenziell eher rechts orientierte Flüchtlingspolitik zu versuchen mit einer eher progressiven grünen Politik?
Spreng: Ja, es widerspricht sich nicht unbedingt, Klimapolitik ist ja nicht ideologisch links oder rechts definiert, sondern es ist eine Einsicht in die Notwendigkeiten der Zeit. Aber die grüne Klientel oder Wähler der Mitte, die die CSU verlassen haben, für die zählt ja nicht nur das Klima, sondern es zählt auch die Flüchtlingspolitik. Also da hätte die CSU noch Nachholbedarf, aber das kann sie nicht, denn dann würde sie ihre rechten Wähler verprellen. Also insofern, diese Operation kann halb gelingen, aber sie ist mit Schwierigkeiten behaftet.
"CSU-Verkehrsminister haben eine Verkehrswende eher behindert"
Büüsker: Riskiert man damit dann nicht auch so eine gewisse Beliebigkeit?
Spreng: Nein, ich glaube nicht. Der Klimawandel ist nicht links oder rechts oder die Bekämpfung des Klimawandels, sondern das ist ein Zeiterfordernis. Insofern sehe ich das nicht als Beliebigkeit.
Büüsker: Sie haben jetzt die Flüchtlingspolitik als ein Kernthema ausgemacht und die Umweltpolitik demgegenüber gestellt, aber es gibt ja auch noch ein weiteres Thema, für das die CSU immer steht – und das ist die Wirtschaftskompetenz. Da könnte es ja durchaus zu einem gewissen Clash kommen, wenn man sich jetzt so auf Klimapolitik fokussiert. Wie sehr könnte ein Pro-Umwelt-Kurs der CSU das Wirtschaftsklientel abschrecken?
Spreng: Ja, das wird sich zeigen, wenn das konkret wird. Was will die CSU konkret machen und sowohl auf Landesebene, als auch auf Bundesebene anstoßen, und dann kann man sehen, ob es zu solchen Kollisionen kommt. Aber es gibt ja auch in der Wirtschaft immer mehr einsichtige Manager, die wissen, dass man sich dem Klimaschutz nicht verschließen kann. Ich meine, da muss aber natürlich Herr Söder auch mit seinen ehemaligen und heutigen Verkehrsministern sprechen, denn die CSU-Verkehrsminister haben ja in den vergangenen Jahren eine Verkehrswende eher behindert, als gefördert. Das heißt, da hat die CSU auch noch Nachholbedarf.
Büüsker: Das heißt, man hat ja auch durchaus ein Erbe der Vergangenheit, wo man einfach falsche Politik gemacht hat. Wenn man sich jetzt auf Klima fokussieren will, wie schwer kann dieses Erbe denn tatsächlich den Wählerinnen und Wählern gegenüber wiegen?
Spreng: Wenn man dort nicht auch Einsicht zeigt – Herr Scheuer, der ja sich gerade mit den Grünen zofft wegen der Maut und den finanziellen Folgen, hat ja wie Herr Dobrindt und wie Herr Ramsauer alles getan, um die Verkehrswende weg von den Verbrennungsmotoren zu verhindern und zu behindern. Da müsste die CSU natürlich auch eine neue Politik zeigen.
"Söder hat dazugelernt"
Büüsker: Gucken wir uns den Typus Söder noch einmal ein bisschen genauer an. Sie haben es schon gesagt, der tritt jetzt deutlich staatsmännischer auf, deutlich nachdenklicher. Hat er sich da auch ein bisschen etwas bei Robert Habeck abgeguckt?
Spreng: Ich weiß nicht, Robert Habeck ist ja mehr der Philosoph, das ist Söder nicht, das wollen wir ihm jetzt nicht unterstellen. Nein, Söder ist ein kluger, wendiger Politiker, man kann ihn vielleicht manchmal als zu wendig bezeichnen, aber er hat die Zeichen der Zeit erkannt: Haudrauf geht nicht mehr, rechts ist nichts mehr zu holen, Bekämpfung des Klimawandels ist die Erfordernis der Stunde. Also, ich würde ihm schon unterstellen, dass er dazugelernt hat und dass er in langen Linien denkt und hofft, bis zur nächsten Landtagswahl diese verlorene Klientel zurückgewonnen zu haben.
Büüsker: Oder aber er ist einfach schlichtweg nur ein Opportunist.
Spreng: Ja, gut, das weiß man bei Politikern nie so genau, aber das Programm, das er jetzt vorgestellt hat, das finde ich eigentlich schon recht umfassend und überzeugend.
Büüsker: Dieses staatsmännische Verhalten, dieser Wunsch, die Gesellschaft auch einen zu wollen – weil das ist ja Ausdruck der Forderung, den Klimaschutz im Grundgesetz zu verankern –, läuft sich da vielleicht auch jemand schon für größere Aufgaben warm, Stichwort Kanzleramt?
Spreng: Das finde ich jetzt zu weit gegriffen. Herr Söder muss mindestens noch eine Landtagswahl gewinnen, bevor er, wenn überhaupt, für höhere Weihen infrage kommt. Und als CSU-Mann, ich es ja selbst aus meiner Erfahrung mit Stoiber, ist es sehr schwer, überhaupt Kanzlerkandidat zu werden. Also, ich glaube, das ist eine Zukunftsmusik, die noch nicht gespielt wird.
Büüsker: Aber er gibt sich ja deutlich kompetenter und staatsmännischer als alle andere, die gerade in der CDU für diesen Posten infrage kommen könnten.
Spreng: Ja, er macht das gut, muss ich sagen. Ich bin von Hause aus kein großer Freund von Söder, aber ich muss anerkennen, dass er offenbar dazugelernt hat und dass er jetzt versucht, seine Rolle richtig zu definieren – und das muss man anerkennen.
Büüsker: Ich danke Ihnen ganz herzlich für das Interview!
Spreng: Ich danke auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.