Im Norden ist die Vegetation stets etwas später dran. Während der Raps jetzt anderenorts bereits verblüht ist, leuchtet im Agrarland Mecklenburg-Vorpommern noch immer ein Viertel aller Ackerflächen in kräftigem Gelb. Viel Raps - das ist zunächst eine gute Nachricht für Imker wie Torsten Ellmann aus dem vorpommerschen Pasewalk. "Raps ist die erste große Massentracht, die wir haben, die für die Frühjahrsentwicklung unserer Bienen natürlich unerlässlich ist. Und wenn ich weiß, dass wir 234.000 Hektar Raps im Land haben, dann sind wir Rapsland Nummer Eins."
Torsten Ellmann leitet den 1.500 Mitglieder starken Landesimkerverband und weiß, dass sie in Mecklenburg-Vorpommern mit rund 16.500 Bienenvölkern noch relativ viele haben. "Da muss man aber sagen: Vor der Wende hatten wir 6.500 Imker mit 130.000 Bienenvölkern."
Einige Ursachen des dramatischen Bienensterbens in ganz Deutschland sind unumstritten - etwa der massive Gifteinsatz gegen Pflanzenschädlinge. Immerhin habe er mit dem Landwirt in seiner Nachbarschaft vereinbart, dass der seine Pestizide und Insektizide während der Rapsblüte nur nachts spritzt, wenn die Bienen nicht aktiv sind, sagt Martin Fleischer, der seit fast 50 Jahren imkert. Aber: "Ich habe begonnen, als das Imkern noch richtig Spaß gemacht hat, wo man mit wenig Chemie umgehen brauchte. Heute ist das so: Man muss ja zum Teil Chemiker sein, nicht bloß Imker und Biologe, sondern auch Chemiker."
Denn da ist auch das Spezialproblem Neonicotinoide. Mit diesem Gift gebeiztes Saatgut verhindert den Befall der Rapspflanzen durch Schädlingen wie Erdfloh und Kohlfliege und steht im Verdacht, auch Bienen und Hummeln zu schädigen. Bewiesen ist das nicht. Doch vorsichtshalber wurde voriges Jahr gebeizte Rapssaat europaweit verboten.
Bienen-Sterben auch ohne Schädlingsbekämpfung
"Natürlich hat unser Handeln der Landwirtschaft einen Einfluss auf unsere Umwelt. Das ist ganz klar", sagt Marco Gemballa, Vorstandschef der großen vorpommerschen Agrargenossenschaft Zinzow, die 25 Prozent ihrer Ackerflächen mit Raps bewirtschaftet. Auch Gemballe und Kollegen durften vorigen Herbst erstmals kein gebeiztes Saatgut ausbringen. Dass das den Bienen hilft, sei nicht zu erkennen, wohl aber, dass die wurzelfressende Kohlfliege wieder in Größenordnungen auf den Feldern unterwegs ist. "Also nach offiziellen Angaben des Landespflanzenschutzamtes sind mindestens 30 Prozent im Land betroffen von Schädigungen. Ich schätze für meinen Betrieb, dass wir auch eher im oberen Bereich liegen bei 50 Prozent."
Glück im Unglück: Wegen des recht kühlen und feuchten Frühjahrs konnte der angegriffene Raps oft neue Wurzeln treiben. Die Ernte kann also noch mittelprächtig werden. Hätte es aber wie in vorherigen Jahren Dürreperioden von acht Wochen und mehr gegeben, hätte die Kohlfliege den Raps in Mecklenburg-Vorpommern plattgemacht, meint Marco Gemballa. Denn legt sie kurz nach Aussaat ihre Larven erst einmal ab, ist es zu spät. Viele Bauern hätten nach dem Befall Gift gespritzt - ohne Erfolg. "Die Mittel, die wir an der Hand haben, zeigen keine Wirkung. Also wir haben de facto keine Alternative zur neonicotinoiden Beize. Im letzten Jahr sind in Mecklenburg-Vorpommern Großflächenversuche gelaufen, die den Zulassungsbehörden im Frühjahr zur Kenntnis gereicht worden sind durch den Zulassungsinhaber Bayer. Daraus erging eigentlich für die Nutzbienen überhaupt kein Problem. Und wie man ja schon gehört hat: Im letzten Winter hat es sehr starke Winterschäden bei den Bienen gegeben, obwohl es die Neonicotinoide nicht mehr gegeben hat."
Noch zu wenige Erkenntnisse über Zusammenhänge
Tatsächlich hat ein Viertel der Bienen in Mecklenburg-Vorpommern den letzten Winter nicht überlebt, bestätigt Imkerverbandschef Torsten Ellmann: "Das heißt 4.500 Bienenvölker fehlen. Bestäubungsleistung: Zehn Millionen Euro, die nicht erbracht werden. 60 Millionen Flugbienen stehen für die Bestäubung nicht zur Verfügung."
Woran auch immer das liegt - an gebeiztem Raps nicht. Meinen jedenfalls die Bauernverbände von Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein sowie die Saatgutverbände von M-V und Sachsen-Anhalt. Sie beantragten beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit eine Ausnahmegenehmigung, um im kommenden Herbst wieder die verbotene Saat nutzen zu dürfen.
"Also ich vermute, dass es diese Ausnahmegenehmigung nicht gibt, denn wir haben zuwenig Erkenntnisse", meint Till Backhaus (SPD), der sowohl Agrar- wie auch Umweltminister von Mecklenburg-Vorpommern ist. "So lange wir nicht alles wissen und wir zur Kenntnis nehmen, dass bis zu 50 Prozent der Bienenvölker in Deutschland verloren gegangen sind, muss die Ursache auf den Tisch. Und wenn es die Neonicotinoide sind, dieses Beizmittel, dann muss man das sehr genau im Auge behalten."