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Umweltschutzgesetz droht an Gülle-Regelung zu scheitern

Zerrieben zwischen Interessenverbänden, Lobbyisten und Prüfverfahren droht das für dieses Jahr geplante neue Umweltschutzgesetz zu scheitern. Eigentlich sollte es viele undurchsichtige Regelungen vereinfachen, doch schon an einfachen Streitpunkten wie der Gefährlichkeit der Gülle an sich entzweien sich die Ansichten.

Von Philip Banse |
    Bis zum Ende dieser Legislaturperiode sollte es unter Dach und Fach sein: ein Umweltgesetzbuch. Das hatte die Bundesregierung versprochen. Bislang sind Regeln und Verordnungen zum Umweltrecht auf viele Einzelgesetze verteilt. Doch gestern im Kabinett ist der Gesetzentwurf zur Schaffung eines Umweltgesetzbuches wieder von der Tagesordnung verschwunden. Philip Banse in unserem Berliner Studio, das ist ein klares Zeichen für Unstimmigkeiten. Worüber wird denn gestritten?

    Es ist offenbar so, Herr Hetzke, dass aus den Reihen der Unionsfraktion noch eine ganze Liste von Forderungen nachgereicht wurde. Diese Forderungen konnten nicht bis zur Kabinettssitzung gestern abgearbeitet werden. Darauf hin wurde die Abstimmung über das Umweltgesetzbuch von der Tagesordnung der Kabinettssitzung gestrichen. Was sind das für Forderungen? Sie kommen vor allem aus Industrie und Landwirtschaft. Umweltminister Gabriel, so der Vorwurf, habe die Umweltstandards im Gesetz zu Lasten der Wirtschaft verschärft. Eine dieser Lobbygruppen, die ihre Bedenken vortragen, ist der Deutsche Bauernverband. Dessen Expertin Inken Lampe zum Hauptargument gegen ein bundeseinheitliches Umweltrecht:

    "Besonders augenscheinlich ist, dass man plant, die baulichen Anforderungen an Güllebehälter zu verschärfen, so dass diese zukünftig fast mit Chemiewerken vergleichbar wären. Das halten wir für nicht gerechtfertigt, weil Gülle ein in der Tierhaltung natürlich anfallender Stoff ist und eben nicht vergleichbar ist mit Mineralölen oder ähnlichen, wirklich gefährlichen Stoffen. "

    Güllebehälter aufzurüsten, das sei Bauern nicht zuzumuten. Ist es doch, sagt Heidrun Heidecke vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland:

    "Gülle ist eine Chemikalie. Ich weiß nicht, ob sie sich schon mal in einen Gülletopf gesetzt haben. Dann werden sie merken, er ätzt genauso wie andere Chemikalien. Bei Chemikalien gilt immer die Dosis. Und wenn ich einen Güllebehälter habe und der läuft aus, dann ist das wasserschädlich und naturschädlich. Und daher sind solche Produkte aus einer intensiven, industriellen Tierproduktion genauso zu behandeln wie Produkte der Chemieindustrie."

    Von Zwistigkeiten wie diesem um die Gülle gibt es noch eine ganze Menge. Dabei gerät schnell in Vergessenheit, dass es beim Umweltgesetzbuch um ein recht epochales Werk des deutschen Umweltrechts geht. Seit Jahren versuchen Politiker aller Parteien, das unübersichtliche Wirrwarr aus Gesetzen, die sich alle irgendwie der Umwelt widmen, zu vereinheitlichen. Erst scheiterte das Vorhaben daran, dass der Bund nichts zu sagen hatte im Umweltschutz. Seit der Föderalismusreform hat der Bund etwas zu sagen und die Föderalismusreform kam nicht zuletzt deshalb zustande, weil man sich einig war: Die neue Kompetenz muss der Bund nutzen, um ein bundeseinheitliches Umweltrecht zu schaffen. Die Wirtschaft etwa würde bekommen, was sie lange gefordert hat: die integrierte Vorhabensgenehmigung. Damit müsste etwa eine neue Fabrik nicht mehr je eine Genehmigung einholen nach Wasserrecht, Emissionsschutzrecht, Abfallrecht, Naturschutzrecht und so weiter. Sondern es gebe nur noch eine Prüfung, die alles abcheckt. Doch auch gegen dieses Genehmigungsverfahren hat die Unionsfraktion Einspruch erhoben. Durch die Einwände steht das Umweltgesetzbuch jetzt knapp vor dem Aus. Warum? Wenn es vor Weihnachten nicht mehr im Kabinett beschlossen wird, kann es den langen Marathon durch Bundestag und Bundesrat nicht mehr schaffen vor der Bundestagswahl, da sind sich alle einig. Die letzte Chance für das Umweltgesetzbuch ist also der nächste Mittwoch, die letzte Kabinettssitzung vor Weihnachten. Eine Sprecherin der Unionsfraktion geht davon aus, dass das Kabinett am Mittwoch doch noch über das Umweltgesetzbuch abstimmt. Umweltminister Sigmar Gabriel habe jetzt noch mal einen neuen Ressortentwurf rumgeschickt, der die Bedenken berücksichtigen soll. Das Umweltministerium wollte sich dazu nicht äußern. Heidrun Heidecke vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland glaubt nicht mehr an einen Kompromiss:

    "Ganz hart gesagt, sollte Frau Merkel sich mal ein Beispiel an Herrn Schröder nehmen und Basta sagen. Es kann nicht sein, dass immer wieder Bedenkenträger die Entscheidung aussitzen. Auch wir sind mit diesem Gesetz lange nicht zufrieden. Aber wir stellen unsere Bedenken im Moment zurück und sagen, es gibt auch noch den parlamentarischen Raum, wo noch mal gerungen werden kann."