Wenn Stromstecker einen halben Zentner wiegen und jeder Meter der armdicken, pechschwarzen Leitung daran satte zehn Kilo, dann pulsiert kein gewöhnlicher Strom durch die Kupferdrähte.
Und es ist auch kein normales Gefährt, das hier Energie tankt, sondern ein 250 Meter langes Kreuzfahrtschiff. Die AIDAsol gibt sich auch nicht mit braven 220 Volt Spannung zufrieden. 11.000 Volt müssen es schon sein, bei einer Stromstärke von 400 Ampere.
Und das alles liefert die Landstromanlage am CruiseCenter in Hamburg-Altona via blaulackiertem Übergabekran, der an der Pier steht und über ein gelbes Blinklicht den Dauereinsatz signalisiert.
Abkehr vom Diesel?
Hans-Jörg Kunze, der Kommunikations-Chef von AIDACruises, steht an Bord des Schiffes an der Reling und beobachtet den Vorgang aus luftiger Höhe:
"Wir sind seit dem frühen Morgen, seit 7.40 Uhr jetzt am Landstromnetz dran und versorgen damit AIDAsol mit externem Strom, und dann gehen die Dieselmotoren aus; es wird keinerlei Diesel mehr verbrannt, sondern die gesamte Energie für das Schiff kommt jetzt praktisch aus der Landstromanlage hier in Altona."
Die Maschinen an Bord stehen still, sie müssen jetzt keinen Strom erzeugen für die rund 2.200 Passagiere und 600 Besatzungsmitglieder. Es entweichen somit keine Dieselabgase aus dem Schornstein des Schiffes.
"Das sind Schiffe, die wir 2007 bis 2013 von der Meyer-Werft bekommen haben. Da ist dieser Landstrom-Anschluss schon vorausgerüstet worden, kostet aber im Total für diese Schiffsklasse ein Investment von zwei Millionen Euro zusätzlich; wir werden in Kürze zehn von 13 Schiffen damit ausgerüstet haben; also so erscheint das - als Pilotprojekt, wo man reininvestiert - als sinnvoll und man sieht ja auch, dass es geht."
Der Strom, den die Anlage liefert, stammt zu hundert Prozent aus erneuerbaren Quellen, vor allem aus Wasserkraft, betont Michael Prinz, der technische Geschäftsführer von Hamburg Energie. Der städtische Energieversorger in der Hansestadt liefert nur Ökostrom - Kohle und Kernkraft gehören nicht zum Portfolio. Windenergie dagegen spiele grundsätzlich eine große Rolle, bei der Landstromanlage jedoch nur phasenweise, sagt Michael Prinz.
"Wir sind auch der größte Windstromproduzent in Hamburg, wir haben zahlreiche eigene Anlagen hier in Hamburg und in der Umgebung; und damit speisen wir natürlich auch ein; aber Sie wissen auch, dass Wind jetzt nicht jederzeit weht; und jetzt eine 1:1-Zuordnung - wenn die AIDAsol im Hafen steht - dann die Windanlage zuzuordnen, ist schwierig."
Die technischen Herausforderungen, eine Landstromanlage für Kreuzfahrtschiffe am Laufen zu halten, seien immens, betont Michael Prinz:
"Das ist ja jetzt hier nicht ein Standardhaushaltskunde, der jetzt hier einfach in den Hafen mal reinfährt und angeschlossen wird. Hier wird innerhalb von einer Stunde eine komplette Kleinstadt ans Netz genommen; und diese Kleinstadt zu versorgen, bedarf einer ganzen Menge an Prozessen, an Abstimmungen und das ist kein Standard; und wir sehen das im Rahmen der gesamten Mobilitätsentwicklung in der Zukunft; und deshalb sind wir hier als städtisches Unternehmen gefragt, mitzuwirken."
Sauberer Strom für saubere Luft im Hafen, das ist die Idee. Bislang nutzt nur ein Schiff das Angebot der Landstromanlage, die mit knapp zehn Millionen Euro aus Steuermitteln finanziert wurde. Wenn das Ganze nicht zum Millionengrab werden soll, müssten weitere Kreuzfahrtschiffe schleunigst folgen, fordert der Naturschutzbund Deutschland, kurz NABU, in Berlin.
Gravierende Umwelt- und vor allem Abgasprobleme
Doch immerhin sei die Branche in Bewegung gekommen, denn zunehmend laufen neue Kreuzfahrtschiffe vom Stapel, die relativ sauber sind, meint Daniel Rieger, der Leiter Verkehrspolitik beim NABU. Als Beispiel nennt er die 2018 vorgestellte AIDANova - das erste Kreuzfahrtschiff, das mit Flüssiggas angetrieben wird, also mit Liquid Natural Gas, kurz LNG:
"Es ist zu beobachten, dass die Kreuzfahrtbranche als Innovationstreiber der gesamten Schifffahrt fungiert. Das ist vor dem Hintergrund, dass dort jede Menge Geld im Spiel ist, dass Kreuzfahrten boomen und deshalb viele Schiffe gerade gebaut werden; und was wir in den letzten Jahren gesehen haben von rein mit Schweröl betriebenen Antrieben hin zu den mit Flüssiggas betriebenen Kreuzfahrtschiffen bis zu kleinen Brennstoffzellen, die auch schon als Hilfsmotoren auf Kreuzfahrtschiffen arbeiten, da passiert ja eine Menge; und das wäre eben der Arbeitsauftrag, dass die Kreuzfahrtbranche mit emissionsfreien Antrieben in den nächsten Jahren ihr Geschäft betreibt. Anders wird es nicht gehen!"
Emissionsfrei, so schränkt Daniel Rieger ein, bedeutet CO2-neutral. Das lässt sich auch mit modernen flüssiggasbetriebenen Maschinen nicht erreichen. Hier sei noch Forschungs- und Entwicklungsarbeit nötig, um wirklich saubere, klimafreundliche Antriebe für die Schifffahrt zu realisieren.
Aus Sicht des NABU ist LNG zwar ein deutlicher Fortschritt, gleichwohl aber nur eine Übergangslösung.
Noch wirkt eine klimaneutrale Schifffahrt geradezu wie eine Utopie, vor dem Hintergrund gravierender Umwelt- und vor allem Abgasprobleme, die immer noch ungelöst sind: Schwefeldioxid, Stickoxide, Feinstaub, krebserregende Verbrennungsprodukte. Das Portfolio unerwünschter Substanzen in Schiffsabgasen ist groß, die Liste der Verursacher ebenfalls. Nicht nur Kreuzfahrtschiffe müssen sauberer werden, sondern auch Containerriesen, Stückgutfrachter und Tanker.
Erste Schritte in dieser Richtung erkennt Christian Denso, der Sprecher des Verbandes Deutscher Reeder, dem VDR:
"Da sind deutsche Reedereien weltweit vorne. Sie haben die Kreuzfahrtschiffe erwähnt, so etwas wird auch bei kleineren Fähren kommen. Aber auch eine Reederei wie Hapag Lloyd ist gerade dabei - als erste weltweit - ein großes Containerschiff auf LNG umzurüsten und das zu testen. Das ist wahrscheinlich auch mit Blick auf die Zukunft für die Schifffahrt einer der Wege, den man beschreiten wird, weil es einfach eine attraktive Nische ist, wenn man mit Innovationen weltweit punktet."
Ältere Schiffe im Bestand sauberer zu machen, ist eine große Herausforderung. Auch für die Kreuzfahrtbranche. Mehr als 500 Cruiser schippern weltweit über die Meere. Die meisten von ihnen nutzen - wie die Handelsschiffe auch - ein Treibstoffgemisch, das in verschiedenen Anteilen Abfälle aus dem Raffinerieprozess enthält, und zwar Schweröl.
Verbot ist nicht in Sicht
Der Chemiker Axel Friedrich äußert daran deutliche Kritik: "Das was beim Umarbeiten des Rohöls im Kraftstoff übrig bleibt, nämlich der Dreck mit hohen Belastungen an krebserzeugenden polyaromatischen Kohlenwasserstoffen, an Schwermetallen wie Nickel, Vanadin - alles Dinge, die wir in der Umwelt nicht haben wollen, befinden sich in diesem Dreckrest."
Axel Friedrich war fast dreißig Jahre im Umweltbundesamt tätig. Als Abteilungsleiter "Umwelt und Verkehr" setzte er sich für die Reduzierung der Schadstoff-Emissionen im Straßenverkehr ein. Mittlerweile berät er mit seiner Expertise unter anderem Nicht-Regierungsorganisationen wie den NABU.
Dort fordert Daniel Rieger ein sofortiges Verbot von Schweröl: "Wir dürfen dieses Zeug auf den Weltmeeren nicht mehr hin- und herschippern; und schon gar nicht aus Kostengründen, um hier noch ein paar Dollar zu sparen. Das ist kein guter Grund. Wir haben bessere Kraftstoffe, heute schon. Und in der Zukunft noch mal bessere. Von daher muss da jetzt was passieren."
Schweröl sei nicht nur wegen der giftigen Bestandteile ein Problem, betont Axel Friedrich, sondern stelle auch ein Sicherheitsrisiko dar: Der zähe Brei muss an Bord eigens aufgeheizt werden, damit er überhaupt als Treibstoff verwendet werden kann. Unerwünschte Bestandteile stören häufig das Kraftstoffversorgungssystem und können zum Totalausfall der Maschinen führen. Wenn die Notlagen manövrierunfähiger Schiffe auf See tagelang die Schlagzeilen beherrschen, dann liegt es häufig an Problemen, die dieser minderwertige Kraftstoff verursacht.
Bei der International Maritime Organization, der Weltschifffahrtsorganisation, kurz IMO, sind diese Probleme bekannt. Doch ein Verbot ist nicht in Sicht.
Einzig der Grenzwert für Schwefel wird ab 2020 strenger gefasst, sagt Christian Denso vom Verband Deutscher Reeder: "Es gibt eine Vorschrift der International Maritime Organization, wonach nur noch Brennstoffe verwendet werden dürfen, die einen erheblich geringeren Schwefelwert haben. Statt 3,5 Prozent, wie bisher in den meisten Teilen der Welt, darf es dann nur noch 0,5 Prozent sein; und ich glaube, man kann mit Fug und Recht sagen, dass damit das Ende des Schweröls in der Schifffahrt eingeläutet werden wird."
"Man kann ja auch den Dreck verbrennen"
Diese Zuversicht teilen Kritiker keineswegs. Sie verweisen darauf, dass in Emissionskontrollgebieten ohnehin schon längst Grenzwerte existieren, die fünfmal strenger sind als der nun beschlossene Wert. Für Nord- und Ostsee zum Beispiel bringe die neue Vorschrift also nichts. Außerdem wird bemängelt, dass einzig der Schwefelanteil limitiert werden soll, viele andere Schadstoffe jedoch, die zum Teil krebserregend sein können, überhaupt nicht adressiert werden.
Hochgiftiges Schweröl als Treibstoff zu nutzen, auf diese Idee kam die Reederschaft in den 1970er-Jahren. Damals ließ die erste weltweite Ölkrise die Preise für Treibstoffe nach oben schnellen. Im Vergleich zu heute, so betont Axel Friedrich, war die Schifffahrt in der Zeit vor der Ölkrise deutlich sauberer unterwegs:
"Da hatte man normalen Diesel gefahren, also Marinediesel gefahren. Und dann kam eben der Kostenanstieg durch die erste Ölkrise und dann hat man hat sich überlegt: Man kann ja auch den Dreck verbrennen. Und da hat man eben die Schiffe als Abfallverbrennungsanlagen benutzt."
Und das tut die Weltschifffahrt bis heute, obwohl Schweröl als Treibstoff anfangs nur als Übergangslösung vorgesehen war. Doch die Branche hält weltweit bis heute daran fest und nimmt dabei nicht nur die Sicherheitsrisiken in Kauf, sondern gibt sich mit einer Kraftstoffqualität zufrieden, die deutlich hinter jener der 1960er-Jahre zurücksteht.
Zur Erinnerung: Damals waren im Straßenverkehr noch Autos mit verbleitem Benzin unterwegs, es gab weder Partikelfilter noch Abgaskatalysatoren. Daniel Rieger vom NABU fordert, dass der technische Fortschritt der vergangenen Jahrzehnte nun allmählich auch in der Weltschifffahrt ankommen solle:
"Mit einem Partikelfilter können sie 99,99 Prozent des Feinstaubs rausfiltern. Das ist ja letztlich das, was Sie an Land auch haben bei Euro-6-Standards für LKW und PKW. Die Technologie ist bekannt und es einzig die Branche, die sich dem verweigert. Das sind ja große Dieselmotoren, die wir da an Bord haben. Wie man Dieselmotoren - wenn man denn möchte - sauber kriegt, das wissen wir. Im LKW-Bereich funktioniert das sehr gut; da wird auch nicht mit Softwaretricks herum manipuliert, sondern da leistet diese Technologie, was sie physikalisch zu leisten imstande ist; und von daher wäre der Anspruch, dass das auch im Bereich der Schifffahrt gelten muss. Die Motoren da sind größer, aber es ist dasselbe Wirkprinzip; und entsprechend kann man mit derselben Abgasreinigung da dann eben auch die Schadstoffe loswerden."
Scrubber, Partikelfilter und Katalysatoren
Der NABU hat gemeinsam mit Axel Friedrich einmal hochgerechnet, welche Folgekosten anfielen, wenn ein Containerschiff bei seiner Fahrt so umweltfreundlich wie möglich nach dem gegenwärtigen Stand der Technik unterwegs wäre.
Das Ergebnis hat auch Daniel Rieger überrascht: "Wenn wir einen Container von Asien nach Deutschland im Containerschiff transportieren lassen und dort eben auf höherwertigen Kraftstoff umstellen und die Abgastechnik verbauen: Wie sehr würde sich das auf ein einzelnes Produkt auswirken dann im Preis? Ein T-Shirt würde sich um 0,2 Cent verteuern. Ein Paar Schuhe um 5 Cent - selbst wenn man das an den Endverbraucher weitergibt, an den Konsumenten, dass das irgendeinen maßgeblichen Effekt hätte. Hätte es natürlich nicht."
Dennoch ist die Branche nicht bereit, moderne Umweltstandards auf ihren Schiffen einzuführen. Der NABU sieht den zum Teil ruinösen Wettbewerb um Marktanteile in der globalen Handelsschifffahrt als Grund dafür. Die Kreuzfahrer dagegen verdienen gutes Geld. Kreuzfahrten boomen, daraus macht auch Hans-Jörg Kunze vom deutschen Marktführer AIDACruises keinen Hehl.
Etwa hundert Millionen Euro wollte das Unternehmen investieren, um moderne Abgastechnik auf seinen Schiffen zu installieren. Zum einen in sogenannte Scrubber - das sind Wäscher, die vor allem den Schwefel aus den Rauchgasen eliminieren. Zum anderen auch in Partikelfilter und Katalysatoren.
Doch es gibt Probleme: "Technisch scheint beides möglich zu sein, das ist aber hoch kompliziert, weil man auf einem bereits bestehenden Schiff einen riesigen Platz- und Energiebedarf hat, um diese Wäscher einzubauen; was wir im Betrieb bei fast allen Schiffen haben, sind weiterentwickelte Scrubbersysteme, und bei der weiteren technischen Erprobung von Filtersystemen muss man schauen, was da technisch überhaupt wirklich machbar ist; und die Reinigung von Treibstoffen sollte soweit wie möglich schon beim Hersteller passieren und nicht an Bord der Schiffe; das ist technisch gesehen sicherlich nicht der eleganteste Weg."
Der AIDA-Sprecher wünscht sich sauberen Kraftstoff. Axel Friedrich weiß Rat. Die Reeder sollten bei älteren Bestandsschiffen - egal ob Cruiser oder Handelsschiff - auf das Schweröl verzichten, sich damit auch die teuren Scrubber sparen; und stattdessen sauberen Diesel nutzen, mit Abgasreinigung nach Stand der Technik. In der Binnenschifffahrt zum Beispiel kommt eine Kraftstoff-Qualität zum Einsatz, die jener des LKW-Diesels entspricht.
Handelsüblicher Straßendiesel enthält hundertmal weniger Schwefel als Marinediesel und fünfhundertmal weniger als jene Schwerölgemische, die dem ab 2020 gültigen Grenzwert gerecht werden sollen. Je besser die Kraftstoffqualität, desto einfacher die Reinigung, und desto sauberer die Abgase.
Ein drastischer Wandel - zunächst für die Kreuzfahrtbranche
Axel Friedrich kritisiert, dass in den Häfen Grenzwerte für Schiffe keine Rolle spielen, die für Kraftwerksbetreiber und Lkw- sowie Pkw-Fahrer selbstverständlich zu sein haben:
"Wenn ein Kreuzfahrtschiff, was ja im Hafen wie ein Kraftwerk betrieben wird, es macht ja Strom, nur zehn Meter weiter an Land liegen würde, würde es nicht zugelassen werden, das dürfte gar nicht betrieben werden. Weil dafür haben wir Vorschriften. Da gibt es Grenzwerte für Stickoxide, da gibt es Grenzwerte für Schwefeldioxid, da gibt es Grenzwerte für Partikel. Und das gibt es bei Schiffen für Partikel gar nicht, für SO2 sind sie viel zu hoch, und für Stickoxide sind sie um Größenordnungen höher, als heute ein Kraftwerk emittieren darf."
Während die Branche auf den Weltmeeren am Schweröl als Treibstoff festhält und einzig den Schwefelgehalt zum Jahreswechsel reduzieren möchte, zeichnet sich vor den Küsten Norwegens ein drastischer Wandel ab - zunächst für die Kreuzfahrtbranche. Denn die Regierung in Oslo hat beschlossen, dass ab dem Jahr 2026 kein Cruiser mehr in die Fjorde einfahren darf, der mit fossilen Brennstoffen unterwegs ist. Auch die AIDAnova mit ihrem modernen Flüssiggasantrieb bliebe dann außen vor.
AIDA Cruises arbeitet laut Unternehmenssprecher Hansjörg Kunze an einer Lösung: "Wir sind Teil eines Forschungsprojektes. Wir werden also eine kleine Brennstoffzelle auf einem AIDA-Schiff sehen, aber die wird für den gesamten Schiffsbetrieb von der Leistung her überhaupt nicht ausreichen; jetzt muss man sich fragen, ob man einen Teilbetrieb mit Batterien machen kann; und wie viele Batterien kriegt man jetzt auf so ein Schiff, um in einen Fjord rein und rauszufahren, um diese Vorgaben zu erfüllen? Und ich kann nicht in die Glaskugel gucken, ob wir das 2026 schaffen werden; aber wir werden auf jeden Fall alles dransetzen, das zu tun."
Ein nationalstaatlicher Alleingang forciert also eine Innovation hin zu sauberer Luft. Daniel Rieger vom NABU begrüßt das. Er kennt Studienergebnisse, wonach Kreuzfahrtschiffe fast zehnmal mehr Luftschadstoffe entlang Europas Küsten ausstoßen würden als die etwa 260 Millionen Pkw in Europa zusammen. Besonders stark betroffen seien Hafenstädte wie Palma de Mallorca, Barcelona und Venedig. Er würde sich wünschen, dass auch dort die Entscheidungsträger selbstbewusster auftreten.
Die Regeln sollte stets der Gastgeber bestimmen dürfen, sagt Daniel Rieger: "Das, was die Kreuzfahrtbranche zeigt, das ist eine gewisse Kulisse. Ob das die Elbphilharmonie in Hamburg ist, ob das Fjorde in Norwegen sind, die Szenerie in Venedig - dafür bezahlen sie ja zunächst mal nichts, das ist da und da fährt man dran vorbei und das zeigt man seinen Kunden und das ist das Erlebnis. Und von daher ist es dann in der Macht der Hafenstädte zu sagen: Wir bestimmen aber die Konditionen, zu denen ihr das sehen dürft. Und weil ihr mit so einer hohen Schadstofffracht hier einfach reinkommt, lassen wir das nicht mehr zu."
Besucherströme sollen limitiert werden
Dass die vielen Touristen auch viel Geld in den Hafenstädten ließen, wenn sie von den großen Pötten steigen und zu Tausenden in die Straßen und auf die Plätze quellen, dieses Argument überzeugt Daniel Rieger nicht. Das Gegenteil sei richtig: Weil Kost und Logis in der Regel bereits an Bord geboten werden, habe Amsterdam zum Beispiel eine Bettensteuer für Kreuzfahrtschiffe im Hafen eingeführt. Und überhaupt solle der volkswirtschaftliche Nutzen dieser Form des Massentourismus viel stärker hinterfragt werden:
"Es gibt da eine Studie aus Venedig, die eben zeigt, dass wenn man die Kosten, die der Stadt entstehen, dadurch, dass da Schiffe entlang fahren, die Abgase, die Wasserverdrängung, die an den Pfählen unter Wasser arbeitet - dass Sie dort Kosten von 3.300 Euro pro Einwohner Venedigs pro Jahr haben, die die Kreuzfahrtbranche einfach auslöst. Und das ist eine Bilanzierung, die man in jeder Stadt erst einmal vornehmen sollte, um dann zu schauen: Wie viel Kreuzfahrt gönnen wir uns hier?"
Beliebte Reiseziele wie Dubrovnik, Venedig oder Bergen in Norwegen haben diese Frage bereits für sich beantwortet und die Anzahl der täglichen Schiffsanläufe reduziert. Die Besucherströme sollen so limitiert werden. Und möglichst auch die Schiffsabgase, denn die haben es wahrhaft in sich. Der Chemiker Axel Friedrich:
"Cirka 60.000 Menschen sterben jedes Jahr vorzeitig an den Abgasen von Schiffen in der Europäischen Union. Und wenn ich in den Häfen messe, was ich sehr häufig mache, messe ich Messwerte, die erheblich höher sind als in Peking, also katastrophale Werte. Und das bedeutet: Die Menschen werden auch hier mit Abgasen so belastet, dass sie krank werden und vorzeitig sterben."