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Umweltverschmutzung durch Ölsandförderung nachgewiesen

Bislang wurde kontrovers darüber diskutiert, ob in Kanada die Umwelt durch den Abbau von Ölsanden belastet wird. Schließlich könnten gemessene Kontaminationen auf natürlichem Wege entstanden sein. Nun konnten Forscher aber nachweisen: Mehr als 50 Jahre Förderung der Athabasca-Ölsande haben in vielen Seen Spuren hinterlassen.

Von Dagmar Röhrlich | 08.01.2013
    Seit Jahrzehnten wird um die Förderung der Athabasca-Ölsande im Westen Kanadas gestritten. Diese Sande fallen in die Kategorie der "unkonventionellen Lagerstätten": In ihnen steckt das Öl nicht als Flüssigkeit, sondern es umhüllt in Form von Bitumen die Sandkörner. Durchschnittlich werden für ein Barrel Rohöl zwei Tonnen Ölsand abgebaut und verarbeitet: ein großer Aufwand für 159 Liter. Allerdings:

    "Diese Lagerstätte könnte die drittgrößte der Welt sein, nur die in Saudi-Arabien und Venezuela sind vielleicht größer."

    1967 habe die Industrie das Ölsandprojekt auf kleiner Basis begonnen, es sei seitdem dramatisch gewachsen, erklärt John Smol von der Queens University im kanadischen Kingston. Heute gehöre man zu den großen Ölproduzenten überhaupt:

    "Dabei kann niemand leugnen, dass sich in der Umgebung des Fördergebiets Schadstoffe anreichern. Die Industrie argumentiert jedoch: Das sei vollkommen normal, da das Bitumen bis zu der Oberfläche reiche. Man kann einen Fluss entlang laufen und sieht an manchen Stellen sogar Öl aus dem Boden kommen."

    Die Frage ist also: Sind die Schadstoffe ohnehin da oder gelangen sie durch Förderung und Verarbeitung in die Umwelt? Mangels Daten aus der Zeit vor der industriellen Erschließung des Gebiets ließ sich der Streit nicht entscheiden. Deshalb zogen die Forscher nun aus etlichen Seen in der näheren und weiteren Umgebung Bohrkerne:

    "Diese Seen füllen sich an 365 Tagen im Jahr und an 24 Stunden am Tag mit Schlamm. Das macht sie zum Umweltarchiv. Wir konnten mithilfe chemischer Analysen nachweisen, dass sich die beiden von uns untersuchten Schadstoffe erst Ende der 1960er-Jahren anzureichern begannen - also mit Beginn der Ölsandförderung. Wir können außerdem nachweisen, dass die Gehalte parallel mit der immer schnelleren Ausbeutung der Ölsandförderung steigen."

    In dieser ersten Studie geht es den Forschern unter anderem um Verbindungen wie die krebserregenden polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe, kurz PAKs genannt. Der chemische Fingerabdruck der PAKs aus den Seen zeigt zudem, dass sie wirklich aus den Ölsanden stammen und nicht von Waldbränden beispielsweise, bei denen sie auch entstehen. Und: Die Kontamination erstreckt sich über ein weites Gebiet: Selbst in einem rund 90 Kilometer von der Abbaustelle entfernten See-Ökosystem war sie noch messbar.

    "Der ökologische Fußabdruck der Ölsandförderung ist also größer als angenommen. Der Wind trägt die Schadstoffe viel weiter, als wir es für möglich gehalten hätten."

    Allerdings sei derzeit die Belastung selbst in den nahe am Fördergebiet gelegenen Seen nicht besorgniserregend hoch: Sie liege vielmehr im Bereich von städtischen Seen, urteilt John Smol:

    "Das Baden in diesen Seen ist nicht lebensgefährlich. Aber die Ölsandförderung soll in den kommenden 15 Jahren um 150 Prozent steigen. Dann kommen wir allmählich in einen Bereich, in dem die krebserregende Wirkung der PAKs spürbar wird. Es ist nicht so einfach, wie manchmal angenommen."

    Noch hat die Verschmutzung jedoch keine negativen Auswirkungen auf die Tierwelt der Seen. Dafür sind die Effekte des Klimawandels deutlich: Die durch die höheren Temperaturen verlängerte Wachstumsperiode sorgt dafür, dass das pflanzliche und tierische Plankton zunimmt. Künftig könne der Klimawandel allerdings Probleme bereiten:

    "Aber schon bald könnte die Klimaerwärmung negative Auswirkungen auf die Verschmutzung haben, weil durch sie mehr Wasser verdunstet und der Seespiegel sinkt. Dadurch konzentrieren sich die Schadstoffe. Es ist wie mit der Büchse der Pandorra: Wir haben hier eine ganz neue Welt der Komplikationen geöffnet",

    urteilt der Biologe. Und um die Zukunft besser abschätzen zu können, werden John Smol und sein Team nun die nächsten Schadstoffe analysieren: Quecksilber und Blei.