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Umworbener William Forsythe

22 Millionen Euro hat die Staatsministerin für Kultur und Medien Christina Weiss im Hauptstadtkulturvertrag für die so genannte Berliner Opernreform durchgesetzt – zur Freude des Berliner Kultursenators und gegen massive Widerstände der Staatsoper Unter den Linden, die sich lieber ganz und gar dem Bund ergeben hätte, weg von den Berliner Sparspielen, weg von der ungeliebten Konkurrenz der Deutschen Oper Berlin.

Claudia Henne | 11.12.2003
    22 Millionen Euro wird die "Stiftung Oper Berlin" mit drei künstlerisch autonomen Opernhäusern, einer Betriebs- und einer Ballett-GmbH, auch dringend brauchen. Ob sich der erhoffte Spareffekt tatsächlich einstellt, bleibt abzuwarten. Der große Verlierer steht aber schon fest: der Tanz. Übrig geblieben im jahrelangen Poker um das Ballett sind 88 Tänzerstellen, ist der Star Vladimir Malakhov, den Gerhard Brunner dereinst Ballettbeauftragter Berlins für das BerlinBallett eingekauft hatte. Von Brunner, vom BerlinBallett redet schon längst niemand mehr, aber Malakhov kam und wird mittlerweile euphorisch gefeiert. Er verwöhnt die Berliner mit erstklassigen Klassikern in üppigen Kostümen – ein süßer Abonnententraum. Mit dem von Malakhov bestens trainierten Tänzern, der guten Stimmung, können es die von der Deutschen Oper nicht mehr aufnehmen – das Ensemble dümpelt geleitet von Sylvie Bayard so vor sich, kein Geld, keine Premieren, keine charismatische Führung.

    Andreas Homoki, Chef der Komischen, hingegen hat schon gesagt, dass er auf die junge, zeitgenössische Truppe an seinem Haus nach dem Ende dieser Spielzeit verzichtet. Was aus Sasha Waltz an der Schaubühne wird, die kurz vor der Insolvenz steht, weiß niemand. Sie fordert mehr Tänzer, um die ihren nicht weiter in 120 Vorstellungen pro Jahr zu verschleißen, mehr Einfluss – zum falschen Zeitpunkt. Finanziell steht die Schaubühne zur Zeit mit dem Rücken an der Wand. Deshalb war es gestern Abend im Max-Liebermann-Haus am Pariser Platz erstaunlich zu beobachten, wie sich die gesamte Berliner Kulturprominenz um William Forsythe drängelte. Er war gekommen um den Kulturgroschen des Deutschen Kulturrates zu kassieren, eine undotierte Auszeichnung. Der Kultursenator, die Staatssekretärin für Kultur, der Intendant der Staatsoper, alle umringten Forsythe. Es wurde getuschelt, Terminkalender wurden gezückt, obwohl noch die Musik von Ekkhard Ehlers durch den Raum dröhnte, die sich Forsythe für die Preisverleihung gewünscht hatte – würde Forsythe denn nach Berlin kommen?

    Da gibt es allerdings ein kleines Problem. Denn die machtbewusste Staatsoper hat bereits ihren Ballettchef Malakhov ins Spiel gebracht. Er ist als Intendant für die neue Ballett GmbH vorgesehen…Nun bedarf es sehr diplomatischer Verhandlungen Forsythe mit ins Boot zu kriegen. Weder an Geld noch Willen mangelt es, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Außerdem war immer die Rede davon, dass die Opernhäuser auch zeitgenössischen Tanz anbieten. Und Frankfurt? Wollte die Stadt nicht gemeinsam mit Dresden William Forsythe eine Spielstätte in Hellerau einrichten, mit einer eigenen Compagnie? Frankfurt torpedierte die Verhandlungen – Forsythe gab gestern Abend bei seiner Danksagung zum besten, dass er beim Kulturdezernenten der Stadt, Nordhoff, noch einmal nachgefragt habe. Einen Grund für die Absage des vielversprechenden Projektes konnte der ihm nicht nennen. Erstaunlich. Aber Bernhard Freiherr von Löffelholz, Präsident des sächsischen Kultursenats, und Initiator dieses Projekts, denkt gar nicht daran aufzugeben. Er, der den Kulturgroschen im vergangen Jahr verliehen bekam, strahlte gestern Abend vor Freude und Forsythe rühmte ihn als selbstlosen Mann, als wunderbaren Partner und Hellerau selbst?