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UN-Beschluss vor zehn Jahren
Als sauberes Wasser zum Menschenrecht wurde

Mehr als zwei Milliarden Menschen fehlt es an sauberem Trinkwasser und mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung hat keinen Zugang zu sicher bewirtschafteten Sanitäranlagen. Dabei ist Wasser überlebenswichtig. Vor zehn Jahren fassten die Vereinten Nationen einen weitreichenden Entschluss.

Von Monika Seynsche |
    Ein Tropfen Wasser kommt aus einem Wasserhahn
    Die weltweiten Trinkwasservorräte würden eigentlich ausreichen, um alle Menschen mit sauberem Wasser zu versorgen (dpa / picture alliance / Patrick Pleul)
    Die Zahlen Anfang der 2000er-Jahre waren erschreckend hoch. Jedes Jahr starben weltweit 1,5 Millionen Kinder unter fünf Jahren an Durchfallerkrankungen, ausgelöst von schmutzigem Wasser. Die Weltbevölkerung wuchs stetig, und immer mehr Menschen hatten keinen Zugang zu sicheren Trinkwasserquellen oder mussten ihre Notdurft im Freien verrichten. Die Vereinten Nationen wollten dem entgegentreten und erkannten am 28. Juli 2010 das "Recht auf einwandfreies und sauberes Trinkwasser und Sanitärversorgung als Menschenrecht" an. Das sei ein wichtiger Schritt gewesen, sagt die Wasserforscherin Jenny Grönwall vom Stockholm International Water Institute – auch wenn die Anerkennung nicht rechtlich bindend sei.
    "Das Menschenrecht auf Wasser hat den Druck auf die Regierungen erhöht, für einen sicheren Zugang zu sauberem Wasser zu sorgen. Die Erklärung erinnert uns alle immer wieder an das Recht eines jeden auf Wasser und Sanitäranlagen."
    Bewohner eines Dorfes nahe Nasik versuchen aus einem fast ausgetrockneten Brunnen Trinkwasser zu holen.
    Indien - Ohne Wasser keine Entwicklung
    Indien leidet seit Jahren unter einer Wasserkrise. Hunderte Millionen Menschen haben keinen oder erschwerten Zugang zu sauberem Trinkwasser. Das hat weitreichende Folgen für die Gesellschaft.
    Der Kampf um Wasser nimmt stark zu
    Im Jahr 2010 hatten 79 Prozent der Weltbevölkerung zumindest einen begrenzten Zugang zu sauberem Wasser, 2017 waren es schon 82 Prozent. Die Versorgung mit Sanitäranlagen ist deutlich schlechter, aber auch hier stiegen die Zahlen leicht an, auf immerhin 45 Prozent. Dietrich Borchardt untersucht am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung die globale Wasserqualität. Er ist trotz des Aufwärtstrends beunruhigt, denn in vielen Regionen entstehen gerade neue Probleme, da Siedlungen zwar an die Kanalisation angeschlossen wurden.
    "Aber man hat keine Kläranlagen gebaut oder nur in sehr, sehr geringem Umfang. Mit anderen Worten: Wir haben Abwasser- und Abfallprobleme, die, bevor man Kanalisationen gebaut hat, noch an Land waren, mit dem Wasserkreislauf verbunden. Und dann kann man sich leicht vorstellen, wie die Abwasserbelastung auch gerade großer Flüsse steigt. Und wir beobachten massive Anstiege. Mit dem Anstieg der Bevölkerung auf neun Milliarden von heute im Jahr 2050 schätzen wir, dass wir es mit einer Verdopplung der Abwasserströme zu tun haben. Und Flüsse transportieren Abwasser von der Quelle oder vom Einleitungspunkt stromabwärts bis ins Meer, sodass auf dem Wege dahin plötzlich sehr viele Menschen mit verschmutztem Wasser konfrontiert sein können, die es heute noch gar nicht sind."
    Seinen Schätzungen nach könnte das in den nächsten Jahren Hunderte Millionen Menschen treffen – gerade in Afrika, Asien und Südamerika. Dort ist das Bevölkerungswachstum besonders groß und die Wasserinfrastruktur gerade der schnell wachsenden Städte völlig überlastet. Auch Jenny Grönwall blickt besorgt in die Zukunft:
    "Wir sehen zurzeit drei verschiedene Probleme. Der Kampf um Wasser nimmt stark zu. Denn die steigende Weltbevölkerung braucht ja Nahrung, für deren Anbau auch Wasser nötig ist. Und unser Konsumverhalten hat sich verändert. Wir wünschen uns immer mehr Dinge wie Rindfleisch, Avocados oder Mandelmilch, deren Produktion sehr viel Wasser verbraucht und nicht nachhaltig ist. Gleichzeitig ist die Wasserinfrastruktur oftmals veraltet und schlecht instandgehalten. Und eines der größten Probleme ist, dass wir unsere Wasserressourcen in einer noch nie dagewesenen Geschwindigkeit verseuchen – das ist wirklich etwas, was sich in den vergangenen zehn Jahren dramatisch verändert hat."
    Symbolfoto: Wasser fließt aus einem Wasserhahn in ein Glas.
    Industriechemikalien PFAS - Streit um Gesundheitsgefahr im US-Trinkwasser
    Das US-Trinkwasser ist vielerorts mit PFAS belastet. Diese Gruppe von Industriechemikalien kann unter anderem Krebs auslösen. Die US-Umweltschutzbehörde EPA fordert deshalb einen gesetzlichen Grenzwert. Die Zeit drängt, denn das PFAS im Trinkwasser könnte auch Folgen für COVID-19-Patienten haben.

    Nur Wasser ermöglicht eine gute Hygiene
    Dabei würden die weltweiten Trinkwasservorräte eigentlich ausreichen, um alle Menschen mit sauberem Wasser zu versorgen, sagt Dietrich Borchardt: "Unsere natürliche Umwelt, global, stellt der Menschheit heute und auch in absehbarer Zukunft genügend Wasser zur Verfügung. Wir als Menschen versagen aber dabei, damit nachhaltig umzugehen." Es werde viel zu viel Wasser verschwendet, gerade in Ländern, die eh schon unter Wasserknappheit leiden. Und viele Staaten sähen die Versorgung mit Wasser auch nicht als Teil der staatlichen Daseinsvorsorge an, wie es etwa in Deutschland der Fall ist. Das rächt sich gerade jetzt. Jenny Grönwall:
    "Wir sind mitten in einer Pandemie, und die Probleme, die es mit der Wasserversorgung gibt, zeigen sich nicht nur in Entwicklungsländern, sondern auch in Industrieländern wie den USA. In einer Zeit, in der es wichtiger als je zuvor ist, sich die Hände waschen zu können, haben die Wasserversorger dort in den letzten Monaten mehr als zwei Millionen Menschen den Hahn abgedreht, weil sie arbeitslos geworden sind und ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen konnten. Diese Pandemie erinnert uns wirklich daran, warum das Menschenrecht auf Wasser so wichtig ist."
    Denn nur Wasser ermöglicht eine gute Hygiene und einen würdevollen Lebensstandard für alle Menschen.