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UN-Diplomat in tunesischer Haft
"Völlig absurde Anschuldigungen"

Die Verhaftung des UN-Diplomaten Moncef Kartas in Tunesien sei wahrscheinlich politisch motiviert, sagte Nahost-Experte Wolfram Lacher im Dlf. Kartas sitzt seit Wochen illegal in Haft. Man schaffe so einen Präzedenzfall, der auch die Arbeit von UN-Experten anderswo in der Welt betreffen werde.

Wolfram Lacher im Gespräch mit Britta Fecke |
Ein Mann im Gefängnis
Seit Wochen hinter libyischen Gittern: UN-Sicherheitsexperte Moncef Kartas (Symbolbild) Nahost-Experte Lacher forderte, dass Deutschland in dem Fall noch aktiver werde. (imago)
Britta Fecke: Die reguläre Vorgehensweise wäre doch die Aufhebung der Immunität zu beantragen, das ist nicht erfolgt stattdessen wurde er einfach festgenommen. Mit welcher Begründung?
Wolfram Lacher: Die tunesischen Behörden behaupten, dass die Immunität, die Moncef Kartas als Mitglied des UN-Expertenpanels genießt, bei seiner Einreise nicht gegolten habe, weil er seinen tunesischen Pass verwendet habe. Der Sprecher des UN-Generalsekretärs hat aber mehrmals bestätigt, dass diese Immunität tatsächlich gegolten habe und das Moncef Kartas bei seiner Einreise auf offizieller Mission unterwegs war.
Diffamationskampagne gegen UN-Experten Moncef Kartas
Fecke: Aus dem tunesischen Innenministerium heißt es ja, die Festnahme von Kartas und einer weiteren Person sei wegen des Verdachts der Spionage für eine ausländische Macht gewesen.
Lacher: Wir haben bisher noch keine stichhaltigen Beweise von Seiten der tunesischen Staatsanwaltschaft gesehen. Teilweise handelt es sich da um völlig absurde Anschuldigungen. Beispielsweise wird Moncef Kartas zur Last gelegt, ein Radargerät besessen zu haben, mit dem man den zivilen Luftverkehr verfolgen kann. Das ist ein Gerät, das man überall bekommen kann für 30 Euro, das viele Privatpersonen hobbymäßig benutzen. Moncef Kartas hat das verwendet, um den Luftverkehr von und nach Libyen zu verfolgen, für seine Arbeit also, um mögliche Flüge zu identifizieren, die mit Verletzungen des Waffenembargos in Verbindung stehen könnten.
Fecke: Moncef Kartas genießt ja eine hohe Reputation als Experte im Kampf gegen Waffenschmuggel. Macht sich vielleicht Tunesien selber Sorgen um den eigenen Ruf oder die eigene Stellung auch in Bezug auf die Situation gerade in Libyen?
Lacher: Also in den tunesischen Medien kursieren allerlei Spekulationen und Gerüchte darüber, was Moncef Kartas wohl herausgefunden haben könnte, das seine Verhaftung und den Versuch rechtfertigen könnte, seinen Ruf zu zerstören. Denn wir sehen jetzt auch Diffamationskampagne seit seiner Verhaftung in Tunesien. Wir wollen uns an diesen Spekulationen nicht beteiligen, haben aber den starken Verdacht, dass seine Verhaftung politisch motiviert ist. Denn die Anschuldigungen sind ganz klar nicht haltbar.
Proteste auf höchster UN-Ebene
Fecke: Herr Lacher, Sie haben Kontakt zu seiner Familie in Deutschland. Sie sind auch ein Freund von Moncef Kartas. Wissen Sie etwas, über seine Haftbedingungen?
Lacher: Die Haftbedingungen haben sich seit seiner Verhaftung, also seit etwa fünf Wochen verbessert. Anfangs war es schwierig ihm Essen und Medikamente zukommen zu lassen. Mittlerweile hat sich das gebessert. Das ändert aber nichts daran, das Moncef Kartas seit über einem Monat illegal in Tunesien in Haft gehalten wird und damit ein Präzedenzfall geschaffen wird, der auch die Arbeit von UN-Expertenpanels anderswo in der Welt betreffen wird.
Fecke: Wie groß sind denn die diplomatischen Verwerfungen auf Grund dieser Festnahme schon jetzt?
Lacher: Die UN ist auf höchster Ebene aktiv. Der UN-Generalsekretär hat das Thema persönlich beim tunesischen Staatspräsidenten angesprochen. Auch hier in Deutschland liegt das Dossier auf höchster Ebene auf dem Tisch. Wir würden uns natürlich wünschen, dass auch Deutschland noch stärker in dem Fall aktiv wird.
Fecke: Mich hat es etwas gewundert, dass das in Tunesien passiert ist. Das war ja schon das Land mit den größten Fortschritten in Richtung europäischer Werte und Demokratie.
Auf einigen der Anklagepunkte stehe die Todesstrafe
Lacher: Ja natürlich, Tunesien ist schon das einzige Land, das man bis zu einem gewissen Grad als die Erfolgsgeschichte des arabischen Frühlings ansehen kann. Aber man hat auch in den letzten Jahren gesehen, dass es eben an der Korruptionsbekämpfung und an der Rechtsstaatlichkeit weiterhin hapert und dieser Fall insbesondere wirft jetzt große Fragen auf, dahingehen, wie es tatsächlich mit der Rechtsstaatlichkeit bestellt ist.
Fecke: Wenn das tunesische Innenministerium dabei bleibt, beziehungsweise der Generalstaatsanwalt: das Moncef Kartas sich der Spionage für eine ausländische Macht schuldig gemacht hat, dann könnte am Ende ja sogar die Todesstrafe stehen in diesem Land. Machen Sie sich Sorgen?
Lacher: Das sind Anklagepunkte. Bisher gibt es ja nur eine Untersuchung, keine formelle Anklage. Aber die Punkte, die Moncef Kartas vorgeworfen werden, auf die stehen die Todesstrafe. Die wird schon seit Jahren in Tunesien nicht mehr umgesetzt. Nichts desto trotz machen wir uns natürlich große Sorgen, dass er möglicherweise monatelang in Tunesien im Gefängnis sein könnte, bis seine Unschuld bewiesen wird. Und auch, dass dadurch sein Ruf möglicherweise irreversibel zerstört wird.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.