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UN-Flüchtlingshilfswerk für Palästinenser
Schwierige Lage nach USA-Rückzug

Lebensmittelhilfe, Bildungsangebote, psychologische Betreuung - das UN-Flüchtlingshilfswerk für die Palästinenser (UNRWA) muss seine Hilfe nach dem Finanzierungsrückzug der USA immer mehr zurückfahren. Zudem wurden 100 Mitarbeiter entlassen. Und die Zukunft der Organisation ist ungewiss.

Von Kilian Neuwert |
    Palästinensische Flüchtlingskinder im Mai 2018 spielen während der Pause auf dem Hof einer vom UNRWA betriebenen Schule im Lebanon.
    Das UN-Flüchtlingshilfswerk für die Palästinenser (UNRWA) muss auch bei den Bildungsangeboten kürzen (dpa / AP Photo / Hassan Ammar)
    Ein Hotel am Rande von Gaza-Stadt mit Blick aufs Meer. Hierhin musste sich Matthias Schmale zum Arbeiten zurückziehen - Bodyguards schirmen ihn ab. Der Deutsche leitet das UN-Flüchtlingshilfswerk in Gaza, kurz UNRWA. Vor kurzem musste er Entlassungen des Personals verkünden und wurde so zum Feindbild einiger Angestellter in der UNRWA-Zentrale.
    "Ich fühle mich wie der Kapitän eines Schiffs, der vom Steuerrad entfernt wurde und in seiner Kabine arbeiten muss. Das geht nicht. Man kann kein Schiff durch schwierige Wellen manövrieren, ohne das Steuerrad in der Hand zu haben. Das ärgert mich. Das ist im Prinzip eine Meuterei unseres eigenen Personals."
    Schmale erlebt schwere Zeiten bei der UNRWA. Die USA, traditionell größter Geldgeber, haben in diesem Jahr bislang nur etwa 60 statt zuletzt 360 Millionen Dollar gezahlt.
    Weil dem Hilfswerk nun auch in Gaza Geld fehlt, hat Schmale rund 110 von etwa 13.000 Mitarbeitern gekündigt. Zudem müssen fast 550 fortan in Teilzeit arbeiten. Er habe priorisieren müssen, argumentiert Schmale.
    Fünf Millionen Menschen profitiern von UNRWA-Hilfen
    Dienstleistungen wie psychologische Betreuungsangebote werden zurückgefahren, um die Lebensmittelhilfe in Gaza aufrecht zu erhalten und die Schulen weiter betreiben zu können.
    "Wenn wir etwa eine Million Menschen nicht mehr mit Nahrungsmitteln versorgen würden, dann würde es hier Hunger geben. Unsere Nahrungsmittelhilfe ist im Moment keine Reaktion, sie dient dazu, den Hunger zu verhindern. Und wenn unsere 275 Schulen zumachen müssten, dann hätten wir es mit 270.000 Kindern zu tun, die keine Alternative haben. Die dann auf der Straße oder zu Hause rumlungern würden."
    Der Leiter des UN-Flüchtlingshilfswerks für die Palästinenser (UNRWA) Matthias Schmale im Januar 2018 steht n bei einer Pressekonferenz zwischen Mitarbeitern und spricht in Mikrofone
    Der Leiter des UN-Flüchtlingshilfswerks für die Palästinenser (UNRWA) (dpa / APA / Mahmoud Ajour)
    Die UNRWA wurde in Folge des arabisch-israelischen Krieges von 1948/1949 gegründet. Sie kümmert sich um palästinensische Flüchtlinge im Nahen Osten und um deren Nachkommen. Heute profitieren geschätzt fünf Millionen Menschen etwa von Bildungsangeboten und Gesundheitsversorgung.
    Im abgeriegelten Gazastreifen haben rund 1,3 von etwa zwei Millionen Bewohnern den palästinensischen Flüchtlingsstatus.
    Teile der Belegschaft machen den Leiter verantwortlich
    Hier sei die UNRWA ein Stabilitätsanker, so beschreibt die Gewerkschaftlerin Amal El Batsh die Rolle des Hilfswerks. Kaum eine andere Institution im von der radikal-islamischen Hamas regierten Gaza zahlt ihre Gehälter so zuverlässig.
    "Es gibt viele Arbeitslose. Und da haben vielleicht viele geheiratet, weil ihr Partner einen Vertrag mit der UNRWA hat. Das hilft dann der ganzen Familie, dem Bruder, der Schwester, dem Neffen und so weiter. Und deshalb hat das Auswirkungen auf die Wirtschaftslage und die soziale Situation in Gaza."
    Amal El Batsh sitzt in einem Innenhof der UNWRA-Zentrale in Gaza. Um sie herum streikende Kollegen. Sie protestieren gegen den Kurs des Direktors. An Betonpfeilern haben sie Schilder aufgehängt: "Matthias Schmale go out".
    Teile der Belegschaft machen ihn für die Situation verantwortlich. Der Psychologe Dabar Sabed sagt, er sei im Hungerstreik.
    "Das hat doch mit der finanziellen Situation der UNWRA nichts mehr zu tun. Das ist ein politisch gewolltes Problem."
    Dabar Sabed spielt auf Berichte aus den USA an, wonach die Regierung Donald Trumps die UNRWA zerschlagen, und Millionen Palästinensern den Flüchtlingsstatus entziehen will. Die Organisation habe die Situation der palästinensischen Flüchtlinge verstetigt und nicht geholfen, wird ein US-Regierungsvertreter zitiert.
    Deutschland unterstützt mit 16 Millionen Euro
    Von diesen US-amerikanischen Erwägungen hält Matthias Schmale, der die UNRWA in Gaza leitet, nichts.
    "Das bedeutet, dass man das Thema Gerechtigkeit für die Vertreibung von vor siebzig Jahren vom Tisch nimmt und das ist aus unserer Sicht moralisch und politisch nicht zu rechtfertigen."
    Die Bundesrepublik Deutschland hat 8,4 zusätzliche Millionen für die Lebensmittelhilfe in Gaza zugesagt. In diesem Jahr will Deutschland insgesamt 16 Millionen Euro überweisen.
    Doch wie die Zukunft der UNRWA vor dem Hintergrund des aktuellen US-Kurses aussieht ist offen. Offiziell heißt es, die amerikanische Finanzhilfe liege auf Eis, solange die Palästinenser nicht zu Friedensverhandlungen mit Israel bereit sind.