Auch ein Vierteljahr nach der Katastrophe ist Rainer Doemen die Erschütterung noch anzumerken, dabei wohnt er gar nicht direkt im Überschwemmungsgebiet, im Ahrtal. Doch er hat im Sommer erlebt, was entfesselte Naturgewalten anrichten können: "Unsere Kinder fahren an diesem Gebiet zur Schule vorbei mit dem Fahrrad, und auf einmal sehen sie dort Container – wie sollen die da hinkommen? Also eine wahnsinnige Kraft des Wassers."
Rainer Doemen kümmert sich als Beigeordneter in Remagen an der Ahrmündung um den Wiederaufbau in der Region. Und er will, dass der Kreis Ahrweiler möglichst schnell damit aufhört, die Klimaerwärmung selbst zu befeuern, denn die habe die Überschwemmungskatastrophe in dieser Heftigkeit erst möglich gemacht: "Das wichtigste ist, dass diese Wärmeversorgung nicht mehr auf der Basis von Erdöl und Erdgas passiert, weil die fossilen Energien sind ja genau diejenigen, die die Treibhausgasemissionen nach oben treiben."
Vorboten der Klimakatastrophe im Ahrtal
Hitzewellen, Dürren und auch extreme Starkregenereignisse und Überschwemmungen häufen sich in den vergangenen Jahren in vielen Weltregionen. Die Klimaerwärmung, lange Zeit eher als abstraktes Phänomen wahrgenommen, hinterlässt konkrete und erschreckende Spuren. Auch Petterri Taallas, der Chef der Meteorologischen Weltorganisation WMO, bringt die Katastrophe im Ahrtal mit der Erwärmung in Verbindung: "Auch die Flut im Westen Deutschlands war sehr ungewöhnlich, sie hat fast 200 Menschen das Leben gekostet und der Klimawandel war die Ursache. Ereignisse, die es früher vielleicht alle 100 Jahre gegeben hat, kommen nun im Abstand von zwanzig Jahren und in Zukunft sogar noch häufiger. Durch den Klimawandel wächst das Risiko, dass so etwas passiert."
Wenn am Sonntag (31.10.2021) im schottischen Glasgow die COP26, der 26. Weltklimagipfel beginnt, dann geht es auch darum, die Entwicklung hin zu immer häufigeren Wetterkatastrophen zu stoppen, soweit das noch möglich ist.
In der Theorie haben sich die UN-Mitgliedstaaten schon vor sechs Jahren darauf geeinigt, diese Entwicklung nicht hinzunehmen. Im Pariser Abkommen vereinbarte die Staatengemeinschaft im Jahr 2015, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen, wenn möglich auf unter 1,5 Grad.
"Ich glaube, man muss mit großen Worten vorsichtig sein und ich neige auch nicht dazu, zu übertreiben. Aber heute können wir sagen: Wir haben zusammen Geschichte geschrieben," sagte nach der Einigung von Paris Barbara Hendricks, damals Bundesumweltministerin.
Pariser Beschlüsse - bislang nur Lippenbekenntnisse
Auch sechs Jahre danach ist das Abkommen der Rahmen für den Klimaschutz weltweit. Doch noch immer fehlt der wichtigste Teil: Maßnahmen, die die Erwärmung auch aufhalten. Denn die Unterzeichnerstaaten ließen dem Jubel über den erreichten Vertrag nur sehr zögerlich Taten folgen. Und nun läuft die Zeit davon, um die Entwicklung überhaupt noch stoppen zu können, so die einhellige Meinung weltweit führender Fachleute. Christiana Figueres war 2015 Chefin des UN-Klimarahmenabkommens:
"Ich betrachte das so: Ein Meteor fliegt auf unseren Planeten zu, der das Potenzial hat, die Menschheit auszulöschen, wie wir sie kennen. Nicht den Planeten, sondern die Menschheit. Da wir das wissen und die Wissenschaft hier so eindeutig ist, haben wir, ehrlich gesagt, keine Zeit, uns für den einen oder anderen Reaktionsmechanismus zu entscheiden oder zu sagen, dass dieser oder jener effektiver sein wird. Es ist, offen gesagt, an der Zeit für eine umfassende Reaktion mit totaler Integration, mit totaler Abstimmung, mit jedem Instrument, das wir haben, politisch, finanziell - mit allem, was wir haben. Diese umfassende Reaktion sehe ich noch nicht."
"Climate Action Tracker" - Gradmesser für Tatenlosigkeit
Wie es um den Klimaschutz gerade steht, zeichnet eine Gruppe von Forschungsinstituten weltweit auf. Im "Climate Action Tracker" bewerten sie, inwieweit die einzelnen Staaten ihre Klimaschutz-Bemühungen am Ziel des Pariser Abkommens ausrichten, die Erwärmung nach Möglichkeit unter 1,5 Grad zu halten. Dazu haben sich zwar alle knapp 200 Unterzeichnerstaaten verpflichtet. Doch, so Niklas Höhne vom New Climate Institute:
"Da kommt ein Land bei raus, dass das schafft: Das ist Gambia. Das liegt aber hauptsächlich daran, dass Gambia nun wirklich sehr sehr wenig zum Klimawandel beigetragen hat und deshalb aus der Verantwortung gezogen werden kann. Aber trotzdem hat Gambia vorgeschlagen, seine Emissionen zu reduzieren, wenn internationale Finanzierung bereitsteht."
Gambia hat allerdings nur etwas mehr als zwei Millionen Einwohner und kann die Welt allein nicht retten. Das ist Sache der gesamten Weltgemeinschaft und vor allem der großen Industrie- und Schwellenländer. Und von denen kommt Gastgeber Großbritannien dem Ziel noch am ehesten nahe.
"Großbritannien hat sich ein neues Ziel gesetzt, seine eigenen Emissionen drastisch zu reduzieren in den nächsten zehn Jahren. Und das in der Tat auf einem Pfad, wo wir sagen würden: Das ist ausreichend für 1,5 Grad - aber nur für die eigenen Emissionen in Großbritannien."
Und nicht in Bezug auf die Unterstützung für ärmere Länder bei der Bewältigung der Folgen der Erwärmung. Auch dies wird im Climate Action Tracker mit berücksichtigt und er vergibt für den Inselstaat nur ein "fast ausreichend".
Die Europäische Union und auch Deutschland werden mit ihrer Klimapolitik insgesamt noch immer als unzureichend bewertet – und stehen selbst damit noch vergleichsweise gut da, weil der Großteil der Staaten noch weniger für das Klima tut.
Immerhin vereinbarte die Staatengemeinschaft 2015 in Paris, nach fünf Jahren wieder zusammen zu kommen, um Bilanz zu ziehen und nachzubessern. Doch 2020 musste die Klimakonferenz wegen der Corona-Pandemie ausfallen. Jetzt wird sie nachgeholt – mit Maskenpflicht, einem Impfprogramm für Delegierte aus Ländern mit wenig entwickeltem Gesundheitswesen, mit strikten Verhaltensregeln und täglichen Coronatests für alle Teilnehmenden der zweiwöchigen Veranstaltung.
Kampf gegen globale Erderwärmung - neuer Anlauf in Glasgow
Die Konferenz mit zehntausenden Teilnehmenden aus aller Welt und vielen Staats- und Regierungschefs ist ein Prestigeprojekt für Premierminister Boris Johnson. "Grün ist gut, grün ist richtig und funktioniert" - so sein Motto.
"Green is good. Green is right. Green works."
Die Konferenz in Glasgow soll die UN-Mitgliedstaaten auf einen Weg bringen, der die Erderwärmung doch noch in erträglichen Grenzen hält. UN-Generalsekretär Antonio Guterres redet den Delegierten ins Gewissen.
"Wir müssen jetzt handeln, um unwiderruflichen Schaden zu verhindern. Die COP 26 muss den Wendepunkt bringen. Bis dahin müssen sich alle Länder dazu verpflichten, bis zur Mitte des Jahrhunderts bei den Emissionen auf null zu kommen und eine glaubwürdige Langfrist-Strategie präsentieren, um dort hin zu kommen. Alle Länder müssen ehrgeizige, aber realistische nationale Beiträge präsentieren, die zusammen dafür sorgen, dass der Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um 45 Prozent unter das Niveau von 2010 sinkt. Weniger darf es nicht sein."
Doch viele zweifeln daran, dass das gelingt. Die schwedische Klima-Aktivistin Greta Thunberg etwa setzt nur noch wenig Hoffnung auf Klimakonferenzen. Dort werde viel über Netto-Nullemissionen und Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 geredet.
"Net zero by 2050 bla bla bla, net zero bla bla bla, climate neutral bla bla bla…"
Doch das reiche nicht aus.
"Das ist alles, was wir von unseren sogenannten Führern hören. Worte. Worte, die groß klingen, aber bisher noch nicht zu Taten geführt haben. Unsere Hoffnungen und Träume ertrinken in ihren leeren Worten und Versprechungen."
7,5 Prozent weniger CO2-Emissionen - statt 50 Prozent
Wenige Tage vor der Konferenz hat das UN-Umweltprogramm UNEP im Emissions Gap Report Bilanz gezogen, dem Bericht über die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit im Klimaschutz. Wenn die Staaten umsetzen, was sie bisher als Ziele bei der UN-Klimarahmenkonvention eingereicht haben, dann sinken die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2030 nicht etwa auf die Hälfte, sondern lediglich um 7,5 Prozent. Das wäre zwar auch eine Wende, denn bisher waren sie fast jedes Jahr gestiegen. Doch, so Inger Anderson, die Chefin des UN-Umweltprogramms:
"Der Bericht zeigt: Die Welt muss ihre Ambitionen auf das siebenfache steigern, um uns auf dem Weg zu höchstens 1,5 Grad zu halten. Und diese klaffende Lücke müssen wir innerhalb von acht Jahren schließen."
Zeit drängt bis 2030 - nach Jahrzehnten des Verschleppens
Nach Jahrzehnten des Verzögerns und Verschleppens gibt es guten Grund, sich jetzt umso mehr zu beeilen: Wenn die Staaten der Welt ihre Emissionen nicht verringern, erreicht die Menge der insgesamt ausgestoßenen Treibhausgase gegen Ende des Jahrzehnts die Obergrenze dessen, was verkraftbar wäre, ohne die 1,5 Grad-Grenze zu überschreiten. Ohne sofortige und schnelle Reduktionen in großem Umfang gerate die 1,5 Grad-Grenze außer Reichweite und die Konsequenzen wären katastrophal, sagt UN-Generalsekretär Antonio Guterres.
Jan Kowalzig arbeitet für die Hilfsorganisation Oxfam und befasst sich beim Klimaschutz vor allem mit den Anliegen ärmerer Länder. Er fährt nach Glasgow.
"Auf jeden Fall mit gemischten Gefühlen. Weil wir natürlich einerseits diese jährlichen Konferenzen brauchen, um den globalen Klimaschutz weiterzubringen. Das ist ja auch bei der COP26 so. Andererseits wissen wir ja, dass die Klimaschutzbeiträge der Länder im Moment hinten und vorne nicht ausreichen, um die 1,5 Grad-Schwelle nicht zu überschreiten, im Gegenteil: Wir werden die deutlich überschreiten nach derzeitigem Stand. Und obwohl es dringend nötig wäre, ist es alles andere als gesichert, dass die Regierungen sich in Glasgow dann darauf einigen werden, ihre Klimaschutzbeiträge nochmal nachzubessern."
USA als neuer Hoffnungsträger
Klimakonferenzen waren meist dann erfolgreich, wenn sich große Staaten und Staatengruppen zusammenschlossen, um den Prozess voranzutreiben. Deshalb könnte der Regierungswechsel in den USA zum Erfolgsfaktor für den Gipfel in Glasgow werden. Präsident Joe Biden von der Demokratischen Partei hat gleich zu Beginn seiner Regierungszeit den von seinem Vorgänger Donald Trump verkündeten Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen wieder rückgängig gemacht. Nun versucht er, sein Land auf Klimakurs zu bringen. Susanne Dröge von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin:
"Die USA spielen für den Erfolg der Verhandlungen eine ganz große Rolle. Auch wenn sie natürlich ihre Glaubwürdigkeit sehr reduziert haben einfach durch dieses Hin und Her, was wir ja mit Bush schon hatten, jetzt zuletzt durch den Ausstieg aus dem Pariser Abkommen durch die Trump-Administration. Dennoch: Es ist einfach die Weltmacht, die am meisten Einfluss hat auf viele Länder, die einen großen Unterschied macht, wenn sie Angebote einbringt."
China weiter Spitzenreiter beim CO2-Ausstoß
Bei den Treibhausgas-Emissionen steht allerdings vor allem China im Fokus. Das Land steht mit einem Anteil von rund 30 Prozent an den weltweiten Emissionen mit Abstand an erster Stelle vor den USA und hat sich jetzt vorgenommen, bis 2060 CO2-neutral zu werden.
"China ist natürlich der Dreh- und Angelpunkt, wenn es darum geht, etwas gegen den raschen Anstieg der Emissionen zu tun. Man bedrängt China ja dieses Jahr in allen möglichen Gipfelformaten, sich zu bekennen, zum Kohleausstieg – zumindest Zeichen zu geben, dass man nicht mehr Kohle verfeuern will. Bei der Generalversammlung wurde ja jetzt auch im September angekündigt, dass China die Investitionen in Kohle im Ausland stoppen will. Das ist zu wenig. Der Druck muss da erhöht werden, das wird auch so kommen. Aber: Davon lässt sich die chinesische Regierung natürlich fast gar nicht beeindrucken."
Die Europäische Union hat ihre Karten schon lange vor dem Gipfel auf den Tisch gelegt. Mit dem European Green Deal sollen die Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent verringert werden, bis zur Mitte des Jahrhunderts sollen sie auf null sinken – unvermeidliche Emissionen etwa aus der Landwirtschaft müssen dann durch die Aufnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre ausgeglichen werden. Susanne Dröge meint dazu:
"Also ich denke schon, dass die Idee des Green Deal eine Vorreitereigenschaft hat, Es wurde zum ersten Mal quer durch die Kommissions-Ressorts überlegt, wie Klimapolitik und Umweltpolitik auch Wirtschaftspolitik sein kann. Und das ist ein großer Fortschritt, in der Art zu denken: Nicht mehr in kleinen Einheiten und Schachteln die Politik voranzubringen mit oft widersprüchlichen Ergebnissen, sondern diesen Ansatz auch zu verfolgen mit diesem Green Deal."
Dieser Plan der EU-Kommission ist allerdings in der Gemeinschaft selbst noch heftig umstritten. Einer Reihe von Mitgliedsstaaten gehen die Klima-Maßnahmen zu weit und die Umsetzung in den einzelnen Ländern steht noch aus.
In Deutschland hat der Klimaschutz durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Frühjahr Rückenwind bekommen. Die Richter forderten mehr Klimaschutz mit Verweis auf die Freiheitsrechte künftiger Generationen. Die scheidende Bundesregierung brachte daraufhin ein neues Klimaschutzgesetz auf den Weg. Bundesumweltministerin Svenja Schulze von der SPD gab sich im Interview der Woche im Deutschlandfunk zufrieden:
"Das ist enorm viel, was wir uns da vornehmen. Wenn man sich das einmal ansieht zwischen 1990 und heute, haben wir 40 Prozent reduziert. Jetzt trauen wir uns zu, bis 2030, also in den nächsten neun Jahren, 25 Prozent zu reduzieren. Das ist doppelt so schnell wie wir bisher geplant haben. Das sind riesige Veränderungen. Da muss eine komplett neue Infrastruktur in Deutschland aufgebaut werden. Wir brauchen einen Ausbau von Erneuerbaren Energien in einem Ausmaß, ich glaube, das ist noch nicht allen klar."
Deutschland zufrieden mit dem eigenen Klimakurs
Insgesamt kommt Deutschland damit bis 2030 auf minus 65 Prozent und damit auf eine etwas größere Reduktion der CO2-Emissionen als die EU insgesamt. Zumindest was die jetzige Zielsetzung angeht.
Eine ganze Reihe von Ländern hat ihre Ziele noch nicht nachgebessert, darunter große Emittenten wie Indien und Indonesien. Wie sie sich in Glasgow verhalten, ist mitentscheidend für einen Erfolg der Konferenz.
Ärmere Länder brauchen für den Klimaschutz allerdings Geld aus den Industriestaaten. Die haben die Erwärmung verursacht und haben deshalb bereits 2009 in Kopenhagen zugesagt, ab 2020 jedes Jahr 100 Milliarden Dollar dafür zur Verfügung zu stellen.
Wortbruch der Industrieländer gegenüber dem Süden
Doch das Geld ist bisher nicht zusammengekommen, wie kurz vor der Konferenz klar wurde. Jetzt soll diese Zahl im Durchschnitt der Jahre 2020 bis 2025 erreicht werden. Eine schwere Belastung für die Gespräche auf dem Gipfel, sagt Jan Kowalzig von Oxfam.
"Die 100-Milliarden-Zusage der Industrieländer ist ein ganz wichtiger Baustein in der Balance des Vertrauens zwischen den Entwicklungsländern und den Industrieländern in dem Pariser Abkommen. Das bedeutet: Es geht natürlich nicht nur ums Geld im Klimaschutz, aber Zusagen, die gemacht werden und für die natürlich auch Kompromisse eingehandelt wurden, müssen eingehalten werden. Und: Der globale Süden braucht diese Unterstützung um seine Gesellschaften an den Klimawandel anzupassen."
Der Bruch der Finanzzusage der Industrieländer könnte auch die Verhandlungen in Glasgow belasten, erwartet Jan Kowalzig.
"Die Gefahr besteht auf jeden Fall, weil, wie ich schon sagte: dieses Versprechen der reichen Länder ist natürlich ein Teil des internationalen Klimaregimes. Dafür haben die reichen Länder auch Gegenleistungen bekommen in den Verhandlungen der letzten Jahre - und jetzt, wenn dieses Versprechen nicht erfüllt wird, dann ist es natürlich mehr als verständlich, wenn dann einige der ärmeren Länder sagen: Na ja, wenn Ihr eure Zusagen nicht einhaltet, dann fühlen wir uns an unsere auch nicht mehr so sehr gebunden."
Wenn der Klimaschutz in den vergangenen Jahren enorm an Dynamik gewonnen hat, dann hat das auch mit der Entwicklung der Technik zu tun. Wind- und Solarenergie sind zumindest im Neubau in vielen Regionen konkurrenzlos billig, sie verdrängen die Kohle vom Markt. Und langfristig haben sich viele Staaten vorgenommen, die Emissionen bis etwa Mitte des Jahrhunderts auf null zu drücken und damit klimaneutral zu werden. Niklas Höhne:
"Es scheint so zu sein, dass Klimaneutralität tatsächlich das neue Normal ist. Wir haben eine kritische Masse: Über 131 Staaten wollen langfristig klimaneutral sein. Das ist sehr sehr gut und wenn sie das alles erfüllen, was sie versprechen – langfristig – dann kommen die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens in greifbare Nähe. Aber: Das Problem ist, dass kein einziges dieser Länder sich Ziele gesetzt hat, diese langfristige Klimaneutralität auch kurzfristig einzuleiten."
Vielleicht abgesehen von Gambia in Westafrika, das seine Zusagen allerdings von internationaler Unterstützung abhängig macht.
Ob die Klimakonferenz in Glasgow als Erfolg in die Geschichte eingehen wird, hängt von jedem einzelnen Land ab. Bei den Vereinten Nationen werden Entscheidungen einmütig getroffen, und neben der Erhöhung der Klimaziele stehen noch komplizierte Fragen auf der Agenda. So geht es darum, unter welchen Bedingungen Staaten und Unternehmen Klimaschutz auch in andere Länder verlegen und sich die Erfolge auf das eigene Konto anrechnen lassen können.
Deutschlands Energiewende - Vorbild für den Rest der Welt?
Deutschland trägt zwei Prozent zum weltweiten Ausstoß von klimaschädlichen Gasen bei, das ist noch immer relativ viel bei einem Anteil von gerade einmal einem Prozent an der Weltbevölkerung. Die Energiewende bei uns wird allerdings auch international genau beobachtet. Rainer Doemen, der Klima-Aktivist von der Ahr, hofft auf die Beispielwirkung, wenn der Umbau der Industriegesellschaft in Deutschland vorankommt.
"Wenn wir das transportieren auf die internationale Ebene: Deutschland, wir können das. Wir machen das. Wir ziehen das durch. Wir reduzieren maximal auch das Treibhausgasbudget jedes einzelnen Bewohners in unseren Industriestaaten, dann glaube ich, kriegen wir auch eine enorm starke Entwicklung weltweit auf die Spur gebracht, weil die Entwicklungsländer und die Staaten, die auch eine bessere Zukunft sich aufbauen wollen, dann sehen: Die handeln wirklich. Die machen ernst. Wir glauben denen das, wir ziehen mit."