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UN-Klimakonferenz in Glasgow
Proteste und ambitionierte Initiativen

Seit Ende Oktober läuft der UN-Klimagipfel in Glasgow. Zur Halbzeit werden die Stimmen der Kritiker lauter. Klimaaktivistin Greta Thunberg wirft den COP26-Delegierten Greenwashing vor. Indes gibt es einige ambitionierte Initiativen, unter anderem beim Kohleausstieg. Eine Zwischenbilanz.

Dirk Müller im Gespräch mit Georg Ehring |
Demonstration von Klimaktivisten der Friday-for-Future-Bewegung während der UN-Klimakonferenz COP26 in Glasgow
Demonstration von Klimaktivisten der Friday-for-Future-Bewegung während der UN-Klimakonferenz COP26 in Glasgow (imago/Andrew Milligan)
Vertreter von rund 200 Staaten suchen in der schottischen Hafenstadt Glasgow nach gemeinsamen Wegen aus der Klimakrise. Das Ziel: Die Erderwärmung doch noch auf das im Pariser Klimabkommen von 2015 vereinbart Ziel von maximal 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Begleitet wird die UN-Klimakonferenz COP26 auch von Protesten auf der Straße. Die Demonstranten fordern von den Staaten unter anderem klare Bekenntnisse und verbindliche Regeln zum Schutz des Klimas bis zum Ende der Konferenz am 12. November.
Wogegen richtet sich die Kritik der Klimaktivisten?
Fridays for Future und ein breites Bündnis von Umweltschutzorganisationen, Gewerkschaften auch und anderen Organisationen wollen mit Demonstrationen den Druck auf die Delegierten der UN-Klimakonferenz erhöhen und sie dazu bewegen, mehr in Sachen Klimaschutz zu tun. Die Klimaaktivistin Greta Thunberg bezeichnete die COP26 auf einer Großveranstaltung bereits als "Greenwashing-Festival". Sie wirft der internationalen Gemeinschaft Tatenlosigkeit im Kampf gegen den Klimakrise vor. Es sei kein Geheimnis, dass die COP26 versage, sagte die Schwedin.
Umweltschützern des Climate Action Networks (CAN) kritisierten aber auch Organisationsmängeln bei dem Mammuttreffen mit 28.000 Teilnehmern. CAN rügte zudem, dass Vertretern der Zivilgesellschaft, die weit angereist seien, gesagt werde, es gebe keinen Platz in den Veranstaltungen und sie sollten online zuschauen.
Was wurde in Glasgow bisher verabredet?
Es gab bislang eine Reihe von Initiativen auf der COP26. Konferenzpräsident Alok Sharma stellte unter anderem ein großes Bündnis für den Kohleausstieg vor: 190 Akteure bestehend aus Staaten, Unternehmen, Städten und Regionen, die sich vorgenommen haben, den Kohleausstieg in Industrieländer bis 2030 und in Entwicklungsländern bis 2040 umzusetzen.
Luisa Neubauer: "Die Klimakrise ist kein Zufall"
Die Klima-Aktivistin Luisa Neubauer hat die Weltklimakonferenz in Glasgow kritisiert. Dort werde zu viel geredet und zu wenig gehandelt, sagte sie im Dlf.
Eine Gruppe von 20 Institutionen und Staaten, darunter die USA, kündigten an, ab dem kommenden Jahr international keine Öl- und Gasprojekte mehr zu finanzieren. Damit dürfte auch der Öl- und Gasausstieg an Dynamik gewinnen.
In einer neuen Allianz verpflichtete sich zudem mehr als 100 Staaten, spätestens bis 2030 die Zerstörung von Wäldern und anderen wertvollen Ökosystemen zu stoppen. Die beteiligten Länder, darunter Kanada, Russland, Brasilien, Kolumbien, Indonesien sowie China, Norwegen und die Demokratische Republik Kongo, verfügen über 85 Prozent der weltweiten Waldfläche, also etwa 34 Millionen Quadratkilometer, wie die britische COP26-Präsidentschaft bekanntgab. Für das Vorhaben sollen bis 2025 etwa 12 Milliarden US-Dollar (rund 10,3 Milliarden Euro) an öffentlichen Geldern mobilisiert werden.
Ebenfalls mehr als 100 Staaten kündigten an, ihre klimaschädlichen Methan-Emissionen bis 2030 um mindestens 30 Prozent im Vergleich zu 2020 zu senken. Wenn diese Initiative erfolgreich umgesetzt wird, könnte der EU-Kommission zufolge die Erderwärmung bis 2050 um rund 0,2 Grad reduziert werden.
Mehr als 80 Staaten wollen zudem weltweit ihre Stromnetze besser miteinander verknüpfen, um klima- und umweltfreundliche Energie zum Nutzen aller besser zu verteilen. Die Idee der sogenannte "Green Grids"-Initiative: Ökostrom aus Sonnen-, Wind- und Wasserkraft soll über Grenzen und Zeitzonen hinweg weitergeleitet werden.
Ist die COP26 mehr als eine Ankündigungs-Konferenz?
Abseits des formellen Verhandlungstextes gibt es viel Bewegung. Am Ende muss aber nachgerechnet, was die Ankündigungen wirklich wert sind. In diesem Punkt gehen die Einschätzungen sehr weit auseinander.
Allerdings setzt sich auch in der Finanzwirtschaft die Erkenntnis durch: Kohle, Öl und Gas zu finanzieren lohnt sich nicht mehr. Investitionen in diesen Bereichen werden mehr und mehr als riskant wahrgenommen, weil sie möglicherweise langfristig nicht mehr tragfähig sind.
Glasgow - Nächster Anlauf im Kampf gegen die Klimakatastrophe
Die ehrgeizigen Beschlüsse im Pariser Klimaabkommen waren in der Rückschau nur Lippenbekenntnisse. Vom UN-Klimagipfel in Glasgow wird deshalb eine echte Wende in der globalen Klimapolitik erwartet.
Der Thinktank Energy Transitions Commission geht schon jetzt davon aus, dass ungefähr ein Drittel aller Tonnen CO2, die bis 2030 eingespart werden müssen, durch auf der COP26 beschlossene Maßnahmen zusammenkommen werden.
Welche Akteure bestimmen die Verhandlungen?
Deutschland wird viel beachtet. Dass die Energiewende dort aber nicht vorankommt, ist durchaus eine Belastung für die deutsche Verhandlungsposition.
Wer momentan auf allen Kanälen zu sehen ist, ist der Konferenzpräsident Alok Sharma. Der ehemalige britische Minister für Wirtschaft und Energie gibt den Takt vor und auch viele mit. Allerdings nicht China. Das ist zwar auf der Konferenz vertreten, aber ohne ihren Staatschef Xi Jinping.
Die Volksrepublik hat ihren Klimaplan vor der COP26 ein wenig nachgebessert. Der sieht nun vor, den Kohleverbrauch bis Mitte des Jahrzehnts streng zu kontrollieren. Was das bedeutet, ist jedoch unklar. Mit anderen Worten: China ist bei der Kohle ebenfalls auf Ausstiegskurs. Alerdings nicht mit der gleichen Dynamik, die sich bei anderen Ländern in Glasgow abzeichnet.