40 Prozent der Feuchtgebiete auf der Erde sind seit 1970 verschwunden und rund 60 Prozent der Wirbeltierbestände. Fast ein Drittel der Landfläche gilt als degradiert. Jedes Jahr landen vermutlich rund acht Millionen Tonnen Plastik im Meer und ein Drittel aller produzierten Lebensmittel auf dem Müll. Die illegale Fischerei und der illegale Handel mit Holz und geschützten Arten haben einen Umfang von 90 Milliarden US-Dollar oder mehr erreicht, ebenfalls pro Jahr! Das alles sind Zahlen aus dem heute veröffentlichten 6. Welt-Umweltbericht der Vereinten Nationen. Er zeichnet ein düsteres Bild vom Zustand der Erde. Zum Kreis der rund 150 Autoren zählt auch Klaus Jacob vom Forschungszentrum für Umweltpolitik der FU Berlin:
"Wenn man die Trends in diesen Bereichen fortsetzt, und es gibt wenig Anzeichen, dass sie durch wirksame Politik unterbrochen werden, dann werden sich diese Probleme weiter verschärfen."
Kranker Planet, kranke Menschen
"Gesunder Planet, gesunde Menschen" - so lautet der Untertitel des Reports. Treffender wäre vielleicht "Kranker Planet, kranke Menschen"! Die Wissenschaftler richten ihr Augenmerk diesmal stärker auf gesundheitliche Folgen der globalen Umweltkrise. Paul Ekins, Professor für Ressourcen- und Umweltpolitik am University College in London und einer der beiden Hauptkoordinatoren des Berichts:
"Umweltprobleme sind eine gravierende Krankheitsursache und verantwortlich oder mitverantwortlich für bis 25 Prozent aller Todesfälle weltweit."
Sechs bis sieben Millionen Menschen stürben jedes Jahr vorzeitig durch Luftschadstoffe, heißt es in dem Bericht. Viele Todesfälle gingen zudem auf Krankheitserreger zurück, die in die Umwelt gelangten und Gewässer verseuchten. Die Ökonomin Joyeeta Gupta von der Universität Amsterdam empfiehlt deshalb neue politische Koalitionen. Die gebürtige Inderin ist neben Paul Ekins Hauptkoordinatorin des Reports:
"Was wir vorschlagen ist, dass Umwelt- und Gesundheitsminister Allianzen bilden und das Problem gemeinsam anpacken sollten. Das ist eine der Kernbotschaften."
Der neue Bericht warnt davor, dass sich gesundheitliche Probleme infolge von Umweltsünden noch weiter zuspitzen könnten:
"Medikamente, die wir nutzen, werden nicht richtig entsorgt und landen in Gewässern. Dadurch steigt das Risiko für Resistenzen unter Krankheitserregern immer mehr. Es gelangen auch viele Hormon-ähnliche Chemikalien in die Umwelt. Sie können Fruchtbarkeit und Fortpflanzung beeinträchtigen. Das sind zwei Probleme, von denen wir erwarten, dass sie in Zukunft noch viel ernster werden."
Nur eine Kreislaufwirtschaft könne funktionieren
Der Report stellt unsere gegenwärtigen Produktions- und Konsummuster in Frage. Die Welt müsse von ihrem immensen Energieverbrauch runter, auch um den Klimawandel in Grenzen zu halten. Die Landwirtschaft habe viel umweltverträglicher zu werden und die Industrie viel ressourcenschonender. Es könne nur auf eine Kreislaufwirtschaft hinauslaufen, die möglich wenig oder gar keinen Abfall mehr produziere, sagt auch Klaus Jacob. Man müsse weg von dem Wirtschaftsmodell "Wachse heute und räum' den Müll später auf" - so formuliert es der Bericht:
"Ja, man kann die Erde nicht erst ruinieren, reich werden, und dann wieder aufräumen. Das funktioniert sicherlich nicht so."
GEO, der neue Globale Umwelt-Ausblick, ist nicht nur ein wissenschaftlicher Sachstandsbericht. Er richtet sich auch an die Politik und zeigt den Regierungen Handlungsoptionen auf. Die Staatenvertreter sollen den Report deshalb jetzt in Nairobi absegnen, so ist es vorgesehen. Doch der Berliner Politikwissenschaftler hat ernsthafte Zweifel, ob sie wirklich bereit sind, mehr für den Umweltschutz zu tun. was dringend nötig sei:
"Die Tendenz, die sich da abzeichnet, ist: Man will GEO vielleicht nicht mehr haben. Einige Länder schlagen vor, dass der Bericht jetzt nicht mehr ,unterstützend zur Kenntnis genommen' werden soll, sondern nur ,zur Kenntnis genommen' werden soll. Also, die schlechten Botschaften scheinen unpopulär zu sein. Ob dann die Schlussfolgerung sein kann und darf, dass man diese Befunde nicht mehr hören will, sei 'mal dahingestellt."