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Unabhängiger Journalismus in Tschechien
Denik N – eine neue Tageszeitung in Prag

Bis auf eine Ausnahme gehören alle Zeitungen in Tschechien einheimischen Unternehmern. Problematisch ist besonders, dass Premierminister Andrej Babis, der zweitreichste Tscheche, zwei der auflagenstärksten Tageszeitungen kaufte. Eine Stiftung will jetzt dagegenhalten und gründet eine neue Zeitung: Online - und auch als gedruckte Ausgabe.

Von Kilian Kirchgeßner |
    Eine Menschenmenge hat sich zur Unabhängigkeit der Tschechoslowakei auf dem Wenzelsplatz in Prag versammelt.
    Denik N startete am 28. Oktober - eine Erinnerung an die Gründung der demokratischen Tschechoslowakei vor genau 100 Jahren. (picture-alliance/ dpa / CTK)
    Eine Medienkonferenz in Prag, aus ganz Europa sind Branchenvertreter zusammengekommen. Einer der Redner ist Pavel Tomasek, Chefredakteur von Denik N. Und die Zuhörer haben vor allem eine Frage: Warum bloß kommt jemand auf die Idee, eine neue Zeitung zu gründen - in einer Zeit, wo sich alle Auflagenzahlen im freien Fall befinden?
    An die Tradition der ersten demokratischen Blüte anknüpfen
    Die neue Zeitung ist ein Thema, dass in Tschechien für Aufsehen sorgt. Chefredakteur Tomasek ist ständig unterwegs auf Konferenzen, um zu erklären, worum es ihm und seinem Team eigentlich geht.
    "Vielleicht lebe ich in einer Blase. Aber mit mir haben viele Leute aus meinem Umfeld darüber geredet, dass sie nicht wissen, was sie lesen und welcher Zeitung sie glauben sollen. Vermutlich gibt es im Land auch viele andere Leute, die in der gleichen Situation sind, und eine Zeitung suchen, die politisch wie wirtschaftlich unabhängig ist."
    Der Titel der neuen Zeitung ist programmatisch: Denik N heißt sie - Denik bedeutet Tageszeitung, das N steht für Neu. Und der Tag des ersten Erscheinens ist ebenso symbolträchtig: Am 28. Oktober ging es los - in Tschechien ein Feiertag, eine Erinnerung an die Gründung der demokratischen Tschechoslowakei vor genau 100 Jahren. An die große Tradition jener ersten demokratischen Blüte wolle man anknüpfen, sagt Pavel Tomasek.
    Die Nullnummer wurde selbst verteilt
    Aber gleich am ersten Tag gab es Probleme mit der Firma, die die Zeitungen bei den Lesern zustellen sollte.
    "Da sind wir aus der Redaktion losgezogen, sind durch die Prager Straßen und durch die Dörfer hier in der Nähe gefahren und haben sie einfach selbst verteilt."
    Das geht, weil die Abo-Zahlen sich noch sehr in Grenzen halten. Knapp 2000 Interessenten haben die Zeitung vom Start weg auf Papier abonniert, die digitale Fassung liegt bei mehr als 7000 Abonnenten. Sie alle sind über eine großangelegte Crowdfunding-Kampagne dazugekommen. Weiteres Geld kommt von einer Stiftung. "Für einen unabhängigen Journalismus" heißt sie und hat bislang vor allem einzelne Rechercheprojekte unterstützt. Die neue Tageszeitung ist bis jetzt das größte Vorhaben der Stiftung, und manche Fachleute beäugen es argwöhnisch. Der Markt habe sicher nicht darauf gewartet, sagt etwa Jan Jirak, Journalistik-Professor an der Prager Karls-Universität:
    "Ich habe den Eindruck, dass kein großer Raum da ist für eine neue Tageszeitung, vor allem nicht in gedruckter Form. Eine elektronische Zeitung kann vermutlich wachsen, aber dass sich eine Zeitung auf Papier neu etabliert, damit rechne ich nicht."
    Tatsächlich hat die neue Zeitung nach der selbst verteilten Nullnummer den Druck erst einmal gestoppt, aber das war geplant. Erst ab Januar soll es dann täglich auch eine Print-Ausgabe geben, bis dahin werden weiter Abonnenten gesammelt und die Redaktion bestückt die Online-Ausgabe. Chefredakteur Pavel Tomasek:
    "Wir haben ein Angebot, bei dem wir sagen: Bestelle die Online-Ausgabe für dich und die Print-Ausgabe für deine Eltern oder Großeltern. Aber klar ist, die gedruckte Zeitung muss sich im ersten Jahr bewähren, sonst stellen wir sie wieder ein."
    Das slowakische Vorbild heißt auch Denik N
    Bei den Plänen haben die Redakteure ihr slowakisches Vorbild vor Augen: Dort wurde vor ein paar Jahren eine Zeitung neu gegründet, auch sie heißt Denik N, und hat heute fast 30.000 Abonnenten, eine gewaltige Zahl für das Fünf-Millionen-Einwohner-Land. Dort gründeten Journalisten die Zeitung als Reaktion darauf, dass ein umstrittener Milliardär einen der traditionsreichsten Zeitungstitel gekauft hatte, und erfuhren eine gewaltige Unterstützung im Land. Bei den slowakischen Kollegen inspiriere man sich, sagt der tschechische Chefredakteur, man teile auch technische Plattformen, aber die Verlage sind unabhängig voneinander. Wissenschaftler Jan Jirak warnt:
    "Eine reine 'Anti'-Einstellung in der Redaktion bildet kein ausreichendes Momentum für einen neuen Titel. Die elementare Beziehung, auf die eine seriöse Zeitung gegründet ist, ist das Vertrauen der Leser. Dafür muss die neue Zeitung beweisen, dass sie nicht gegen den Premierminister ist oder gegen sonst irgendjemanden, sondern dass sie wirklich überparteilich ist."
    Tatsächlich kommen die 40 Redakteure, die in der Gründungsmannschaft dabei sind, aus fast allen tschechischen Verlagshäusern mit den unterschiedlichsten Eigentümern. Und aus dem gleichen Grund setzt die Redaktion nicht nur auf Enthüllungsgeschichten und Politikberichterstattung, sondern besetzt vom Sport bis hin zur Wissenschaft alle klassischen Ressorts.