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Unabhängigkeit Kataloniens
Rajoy richtet Mahnung an Puigdemont

Im Konflikt um die Unabhängigkeitsbestrebungen in Katalonien hat der spanische Ministerpräsident Rajoy den Druck auf die Separatisten erhöht. Er forderte die Regionalregierung offiziell auf, die verfassungsmäßige Ordnung zu respektieren.

    Spaniens Ministerpräsident Rajoy spricht vor dem Parlament in Madrid
    Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy fährt bislang einen strikten Kurs gegen Kataloniens Unabhängigkeitsbestrebungen. (AFP / Javier Soriano)
    Die Mahnung Rajoys gilt als Vorstufe für die Anwendung des Artikels 155 der spanischen Verfassung. Demnach kann die Zentralregierung eine Regionalregierung entmachten, wenn diese die Verfassung missachtet. Das wäre der Fall, wenn Katalonien seine Unabhängigkeit erklärt. Rajoy forderte den Regierungschef der Region, Puigdemont, auf, Klarheit darüber zu schaffen, ob er mit seinen Aussagen von gestern die Loslösung von Spanien erklärt habe oder nicht.
    Rajoy sagte vor dem Parlament in Madrid, die katalanische Führung verfolge eine Strategie, eine Unabhängigkeit durchzusetzen, die wenige wollten und die für niemanden gut sei. Mit dem Unabhängigkeitsreferendum habe die katalanische Führung Straßenproteste angestachelt, um dem Vorhaben falsche Legitimität zu geben. Angebote für eine Vermittlung in der Krise lehnte der spanische Ministerpräsident ab.
    Anzeichen für Verfassungsreform?
    Nach Angaben der spanischen Opposition wird eine Verfassungsreform geprüft. Der Chef der Sozialisten, Sanchez, sagte, er sei darüber mit Rajoy übereingekommen. Die damit verbundene Debatte werde eine Diskussion darüber ermöglichen, wie Katalonien in Spanien bleiben könne. Die Region fühlt sich unter anderem durch die Steuergesetze benachteiligt.
    Die EU-Kommission will auch weiterhin nicht vermittelnd in die Katalonien-Krise eingreifen. Man beobachte die Lage und vertraue auf die spanischen Institutionen, sagte Vizepräsident Dombrovskis in Brüssel. Zudem unterstütze man alle Bemühungen, Spaltung und Zersplitterung zu überwinden.
    Unverständnis äußern auch deutsche Politiker
    Der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen warnte vor einer Entmachtung der katalanischen Regionalregierung. "Wenn kein Dialog entsteht, dann bekommt das natürlich auch eine europäische Dimension", sagte Leinen im Deutschlandfunk ( Audio-Link ). In diesem Fall müsse es eine Vermittlung von außen geben - möglicherweise auch durch die Europäische Union. Leinen warnte davor, die katalanische Regionalregierung über den Artikel 155 der spanischen Verfassung zu entmachten: "Da darf man sich fragen, ob das die Gemüter beruhigen oder nicht weiter aufheizen würde."
    Stattdessen sprach sich der SPD-Europapolitiker dafür aus, die jetzt gewonnene Zeit für ein neues Unabhängigkeitsstatut für Katalonien und eine Reform der spanischen Verfassung zu nutzen. Er verwies dabei auf die Radikalisierung im Baskenland und das Aufkommen der Terrororganisation ETA, als die spanische Zentralregierung der Region die Unabhängigkeit verwehrte.
    Europapolitiker McAllister (CDU) ruft zum Dialog auf
    Der CDU-Europapolitiker McAllister bezeichnete die Rede Puigdemonts als unverständlich. Puigdemont habe die Unabhängigkeit Kataloniens in Aussicht gestellt, aber die Abspaltung gleichzeitig wieder auf Eis gelegt, sagte McAllister im Deutschlandfunk ( Audio-Link ). Er rief Katalonien und die Zentralregierung zum Dialog auf. Es sei zu spüren, dass immer mehr Katalanen überzeugt seien, die Regionalregierung habe sich verrannt.
    Grünen-Politiker Bütikofer spricht von politischem Schwindel
    Der Vorsitzende der Europäischen Grünen Partei, Bütikofer, äußerte ebenfalls Kritik an der Rede des katalanischen Regierungschefs Puigdemont. Dieser habe anstelle der offenen Konfrontation einen politischen Schwindel gewählt, sagte Bütikofer der Deutschen Presse-Agentur. Er bezeichnete dies als Trick eines Hasardeurs, der eigentlich mit seinem Latein am Ende sei. Die Gefahr einer politischen Explosion sei damit noch nicht gebannt, warnte Bütikofer.
    Der CSU-Europapolitiker Weber zeigte sich besorgt. Es müsse dringend einen Dialog auf Grundlage der spanischen Verfassung geben, erklärte der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei per Twitter. Die Rechtsstaatlichkeit müsse respektiert werden.
    Puigdemont: Unabhängigkeit ja - aber später
    Gestern hatte Puigdemont ein Unabhängigkeitspapier unterzeichnet und vor den Abgeordneten in Barcelona erklärt, das Ergebnis des Referendums vom 1. Oktober berechtige seine Regierung, die jahrhundertelange Zugehörigkeit Kataloniens zu Spanien zu beenden. Er schlug allerdings vor, die Wirkung des Dokuments bis auf Weiteres auszusetzen. Damit solle ein Dialog eingeleitet werden, um Spannungen zu reduzieren und eine Vereinbarung mit Madrid zu erreichen.
    (tep/fwa/sans/tzi)