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Unabhängigkeit Kataloniens
"Sie wollen ihre Beiträge zum spanischen Staat nicht zahlen"

Der Europaparlamentarier Elmar Brok (CDU) hat sich für Neuwahlen in Katalonien ausgesprochen. "Das wäre das Beste", sagte er im Dlf. Brok kritisierte den Umstand, dass die Katalanen neben den Basken mehr Rechte als alle anderen hätte, als reichste Region aber nicht bereit seien, solidarische Beiträge zu leisten.

Elmar Brok im Gespräch mit Christoph Heinemann |
    Elmar Brok (CDU), Mitglied der Europäischen Parlaments
    Elmar Brok im Dlf: "Man sollte in einem vernünftigen rechtsstaatlichen Verfahren die Bevölkerung sprechen lassen" (Kay Nietfeld/dpa)
    Christoph Heinemann: Vor einer Stunde haben wir den CDU-Europapolitiker Elmar Brok erreicht, der um diese Stunde bereits mit dem Auto unterwegs war. Ich habe mit ihm das folgende Gespräch geführt: Guten Morgen, Herr Brok!
    Elmar Brok: Guten Morgen!
    Heinemann: Herr Brok, der spanische Senat kann heute entscheiden, was er will. Die Sache wird damit nicht beendet sein. Treibt die spanische Regierung die Unabhängigkeitsbewegung in den Untergrund?
    Brok: Nun, wir müssen sehen, dass die spanische Regierung natürlich verfassungsrechtlich verpflichtet ist, die Unabhängigkeit zu verhindern. Das Referendum war verfassungswidrig. Allerdings kommt jetzt die Regierung in eine schwierige Situation. Denn wie soll man Artikel 155 anrufen und damit nicht in eine Situation kommen, dass wieder Gewalt angewandt werden muss, etwa beispielsweise, weil Ministerien übernommen werden müssen, wenn Menschenketten darum sind oder Ähnliches. Deswegen ist das eine schwierige Situation.
    Brok: Bevölkerung in vernünftigem rechtsstaatlichen Verfahren sprechen lassen
    Heinemann: Droht in Spanien eine Art katalanische ETA?
    Brok: Da habe ich nicht den Eindruck, dass die katalanische Unabhängigkeitsbewegung auf Gewalt hinaus will, vielleicht außer der linksradikalen Partei, die da ist. Das Beste wäre wirklich, wenn Katalonien Wahlen durchführen würde, was der Regionalpräsident bisher verweigert. Man sollte in einem vernünftigen rechtsstaatlichen Verfahren die Bevölkerung sprechen lassen. Das wäre das Beste.
    Heinemann: Was passierte denn, wenn die Befürworter einer Unabhängigkeit bei solchen Neuwahlen eine Mehrheit erreichten?
    Brok: Dann ist es sowieso eine schwierige Situation. Aber bisher haben sie nie eine Mehrheit gehabt in Wahlen. Sie haben ein Referendum gemacht mit 42 Prozent Beteiligung, das auch in jeglicher Richtung doch als verfassungswidrig zu sehen ist. Hier gab es keine Quoten von Beteiligung, keine Quoten von Mindestzustimmung und all solche Dinge, die man normalerweise dort hineinschreibt. Deswegen muss man sehen, dass die katalanische Regierung hier offensichtlich bewusst tricksend mit Verfahren vorgeht, die es verhindern, dass wirklich die katalanische Bevölkerung sprechen kann.
    Heinemann: Aber eskaliert nicht auch Madrid diesen Konflikt? Oder anders gefragt: Auf einer Skala von eins bis sechs, welche Note geben Sie der Regierung Rajoy?
    Brok: Ich bin kein Zensor einer ausländischen Regierung, um Noten zu geben. Sicherlich hat man in den Jahren davor manche Versäumnisse gehabt und ist dann in diese Situation hineingekommen. Das ist wieder ein Beispiel dafür, dass zu spätes Handeln manchmal Dinge schwieriger macht.
    Der zweite Punkt ist, da sind von Anfang an seit 35 Jahren Fehler in der spanischen Verfassung. Wenn man Regionen unterschiedliche Rechte gibt, dann bedeutet dieses, dass das immer ein Wettbewerb ist. Und bei Katalonien ist es ja so: Die haben mehr Rechte, mit Ausnahme des Baskenlandes, als alle anderen Provinzen Spaniens. Sie haben ziemlich volle kulturelle und schulische Rechte. Die Sprache ist dort Sprache in den Schulen. Was sie vor allen Dingen nicht wollen: Sie wollen ihre Beiträge zum spanischen Staat nicht zahlen. Katalonien ist die reichste Region Spaniens und gleichzeitig ist sie nicht bereit, solidarische Beiträge zu leisten.
    "Sie war immer nur bereit zu verhandeln über die Unabhängigkeit"
    Heinemann: Das ist die eine Seite, Herr Brok. Auf der anderen Seite hat die Regierung Rajoy den Katalanen in diesem aktuellen Konflikt, jetzt mal salopp formuliert, doch immer nur gezeigt, wo der Hammer hängt.
    Brok: Das mag so gesehen werden. Auf der anderen Seite ist es aber so: Die katalanische Regierung war niemals bereit, in den letzten Wochen und Monaten über eine Verbesserung des Autonomiestatus zu verhandeln. Sie war immer nur bereit zu verhandeln über die Unabhängigkeit. Und das wäre verfassungswidrig, wenn eine Region über die Unabhängigkeit verhandeln würde.
    Heinemann: Herr Brok, in Europa sind Konflikte befriedet worden, Beispiel Südtirol, Beispiel Nordirland. Was kann man bei allen Unterschieden aus diesen Verfahren lernen?
    Brok: Davon kann man lernen, dass man innerhalb von Staaten doch ein Stückchen die Leine los lassen muss für Gebiete, wo es unterschiedliche kulturelle Ansätze gibt. Aber es muss auch klar sein, dass es nicht einen Sonderstatus geben dürfte, und deswegen sollte man überlegen, ob man nicht ein wirkliches föderales System in Spanien macht, dass man beispielsweise auch den Senat auflöst. Dazu gehört etwa eine Länderkammer, wie man das beispielsweise in der Bundesrepublik Deutschland kennt.
    Heinemann: Ist Katalonien vielleicht sogar eine Avantgarde? Das heißt, sind Nationalstaaten in der Europäischen Union auf Dauer nicht überflüssig?
    Brok: Ich glaube, dass in vielen Bereichen die Nationalstaaten doch Träger von Kultur, Identität, Interessen sind, dass man, glaube ich, Europa nicht auf alle Nationalstaaten aufbauen kann. Da werden viele Staaten, die anders strukturiert sind als Spanien, nicht mitmachen. Deswegen muss man sagen, dass ein Europa der Regionen auch gefördert werden muss. Man muss die Regionen fördern und den Nationalstaat in seiner Rolle anerkennen. Deswegen gilt in Europa der Satz, Die Heimat, die Region, der Nationalstaat und Europa, alles drei zusammen in ein vernünftiges Verhältnis zu bringen und nicht eines der Dinge dabei auszuschließen.
    Heinemann: Der CDU-Europapolitiker Elmar Brok.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.