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Unabhängigkeit Schottlands
Fußball, Goldmedaillen und ein Tennisstar

Am Fußball dürfte es nicht liegen, sollte am 18. September eine Mehrheit der Schotten für die Unabhängigkeit stimmen. Denn so wie es seit Jahrhunderten bereits ein eigenes Rechtssystem und eigene Pfund-Noten gibt, so gibt es auch die eigene Fußballnationalmannschaft, die den schottischen Stolz bedient.

Von Jochen Spengler | 07.09.2014
    Nach dem englischen Fußball-Team ist das schottische das zweitälteste der Welt: 1872 endete das erste Länderspiel mit einem 0:0, das letzte vor einem Jahr mit einem 3:2-Sieg für England. Der große Nachbar rangiert auf Platz 20 der Weltrangliste, Schottland acht Plätze dahinter. Und wie bei einem Derby üblich, ist die Rivalität legendär; sogar in der WM dürften die meisten Schotten den englischen Gegnern die Daumen gedrückt haben; im Vereinsfußball gelten hingegen oft andere Maßstäbe: als in der Champions League Arsenal London gegen Bayern München antritt und Alaba einen Elfmeter verschießt, da jubelt der ganze Pub in Edinburgh; man sei ja schließlich auch Britisch, heißt es.
    Doch so fühlen sich längst nicht alle Schotten. Würde das Internationale Olympische Komitee nicht auf einem einzigen Nationalteam bestehen, so hätte Schottland schon lange eine eigene Olympiamannschaft. Die wird es bereits 2016 in Brasilien geben, sollte es nach dem schottischen Ministerpräsidenten Alex Salmond gehen, der sein Land in die Unabhängigkeit führen will.
    Cameron kämpft um den Zusammenhalt
    Umgekehrt wirbt Premierminister David Cameron verzweifelt für den Zusammenhalt des Vereinigten Königreichs, auch indem er die Erfolge des britischen Olympiateams 2012 beschwört. Motto: gemeinsam sind wir stärker. "Das Beste bei den Spielen waren für mich nicht die Siege, sondern die Farben rot, weiß, blau des Union Jack. In jenem Sommer trat der Patriotismus aus dem Schatten heraus in die Sonne. Alle bejubelten wie ein Mann das Team GB."
    Camerons TV-Auftritt ist sorgsam inszeniert: hinter sich mehrere Rennräder, spricht der Premier dort, wo das Team GB sieben Goldmedaillen gewonnen hat, im Olympia-Velodrom - vor leeren Rängen und nur wenigen ausgewählten Zuhörern, darunter der schottische Olympiasieger Chris Hoy. Er ist für den Erhalt der Union, so wie auch Trainerlegende Alex Ferguson oder das Rugby-Idol Gavin Hastings.
    Natürlich müsste der Politiker, der den Sport nicht für eigene Zwecke nutzen wollte, erst erfunden werden. Aber das kann auch mal daneben gehen. So kam es gar nicht gut an, als Alex Salmond, Chef der Schottischen Nationalpartei (SNP), während der britischen Olympiabegeisterung vor zwei Jahren nur den schottischen Athleten im Team GB Glück wünschte und anschließend erklärte: "Ich bin natürlich besonders froh, dass die schottischen Sportler diese überragende Anzahl von Goldmedaillen mit nach Hause gebracht haben. Mir hat jemand erzählt, wenn man sie pro Kopf der Bevölkerung zählt, dann haben nur die Karibischen Inseln mehr Medaillen als Schottland gewonnen."
    Flagge auf den Centre Court geschmuggelt
    Als Salmond 2013 beim Wimbledon-Sieg von Andy Murray Schottlands blaue Fahne mit weißem Andreaskreuz schwenkt, die er in der Handtasche seiner Frau auf den Centre Court geschmuggelt hat, wird das als ziemlich kleinkariert kritisiert. Auch von Andy Murray, der aber hernach gerührt den Stolz auf seine schottische Herkunft bekundet: "Ich denke, dass jeder weiß, dass ich extrem stolz auf meine Herkunft bin."
    Inzwischen hat der Tennisstar erklärt, er werde für ein unabhängiges Schottland spielen. Und First Minister Salmond hat dazu gelernt und im August vermieden, die Commonwealth Games in Glasgow allzu offensichtlich in seine Kampagne einzubetten. Womöglich reicht es auch so für die Unabhängigkeit.