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Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien
"Es gibt kein Problem zwischen Katalonien und Spanien"

Statt mit dem Autonomie-Statut gut zu regieren, setze die katalanische Regionalregierung auf Spaltung und stelle die Verfassung in Frage, kritisierte der liberale spanische Politiker Matías Alonso Ruiz im Dlf. Die katalanischen Politiker müssten Verantwortung für hausgemachte Probleme übernehmen.

Matías Alonso Ruiz im Gespräch mit Christoph Heinemann | 29.09.2017
    Das Gebäude des katalanisches Parlaments in Barcelona
    Das Gebäude des katalanisches Parlaments in Barcelona (picture alliance / Robert B. Fishman)
    Am Wochenende will die katalanische Regionalregierung ein Unabhhängigkeitsreferendum durchführen. Die spanische Regierung hält das für verfassungswidrig. Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy hat seine Teilnahme am EU-Gipfel in Tallin abgesagt, er möchte in der gegenwärtig angespannten Lage in Madrid bleiben.
    Matías Alonso Ruiz, Abgeordneter der liberalen Bürgerbewegung "Ciudadanos" im katalanischen Regionalparlament, machte im DLF der Regionalregierung in Barcelona schwere Vorwürfe. Regierungschef Puigdemont sei unfähig, sagte Alonso Ruiz.
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    Das Interview mit Matías Alonso Ruiz, Abgeordneter des katalanischen Parlaments und Mitglied der Führung der liberalen Bürgerbewegung "Ciudadanos", im Wortlaut:
    Christoph Heinemann: Warum möchte ein Teil der Katalanen unabhängig werden?
    Matías Alonso: Gute Frage. Denn wenn wir einige Jahre zurückblicken, sehen wir, dass es dieses Gefühl nicht gab. Alle Umfragen zeigten, dass das Interesse an einer anderen Regierungsform und einer Unabhängigkeit sehr gering war, vor zehn Jahren waren das weniger als fünf Prozent. Seither ist etwas passiert: eine Art Flucht nach vorn, die unter dem ehemaligen katalanischen Regierungschef Arturo Mas auf den Weg gebracht wurde. 2011 und 2012 begann eine Seite mit dem Versuch eines Referendums.
    Heinemann: Warum sagen die Unabhängigkeits-Befürworter: Madrid bestiehlt uns?
    Alonso Ruiz: Das ist so ein typischer Slogan. Die Lega in Italien nennt Rom eine Diebin. Das ist ein Instrument, um die Nervosität im Bürgertum anzuheizen und um ein anti-spanisches Gefühl zu erzeugen.
    "Die katalanischen Steuerzahler finanzieren die übermäßigen Ausgaben der autonomen Regierung"
    Heinemann: Die Unterstützer eine Unabhängigleit führen auch an, dass die Katalanen die höchsten Steuern innerhalb Spaniens zahlen müssen. Warum ist das so?
    Alonso Ruiz: Das stimmt. Sie sind die höchsten in Spanien, allerdings hat das mit der Autonomie zu tun. Die autonome katalanische Regierung formt die Tatsachen etwas um: Sie sagen, die Einkommensteuern der katalanischen Bürgerinnen und Bürgern landen vor allem in der spanischen Geldtruhe. Tatsächlich werden damit die übermäßigen Ausgaben der autonomen Regierung und Verwaltung finanziert.
    Heinemann: Bedeutet die gegenwärtige Lage, dass Katalonien für immer Teil Spaniens bleiben muss?
    Alonso Ruiz: Nein. Aber es ist nicht hinnehmbar, dass die katalanische Regierung de facto das katalanische Autonomiestatut außer Kraft gesetzt hat. Diese Regierung hat sich selbst dazu für befugt erklärt. Sie möchte auch die Verfassung ändern und Richtung Unabhängigkeit gehen. In Deutschland und in jedem demokratischen Land kann man eine Verfassung mit den entsprechenden Mitteln ändern. Das gilt auch für das Autonomie-Statut. Das kann man allerdings nicht mit Gewalt unternehmen. Das ist unmöglich.
    Heinemann: Sollte das Autonomie-Statut geändert werden?
    Alonso Ruiz: In der Realtität kann dieses Statut seine Möglichkeiten nicht richtig entfalten, und zwar wegen der Unfähigkeit der Regierung. Anstatt mit dieser Autonomie zu regieren, ist diese Regierung damit beschäftigt, Katalonien von Spanien zu trennen. Mit ihrer Amtsführung richtet die katalanische Regionalregierung Unheil an. Sie blicken nur auf ihr einziges Thema: den Prozess einer vorgeblichen Unabhängigkeit. Fundamentale Rechte vieler Bürger lassen sie beiseite.
    "Die katalanischen Politiker müssen endlich einsehen, dass wir einen Rechtsstaat haben"
    Heinemann: Was schlagen Sie denn vor, wie kann man das Problem zwischen Katalonien und Spanien lösen?
    Alonso Ruiz: Es gibt kein Problem zwischen Katalonien und Spanien. Es gibt ein Problem in Katalonien, für das ein Teil der katalanischen Politiker verantwortlich ist. Sie müssen endlich einsehen, dass wir einen Rechtsstaat haben, eine demokratische Ordnung, die jeder anderen demokratischen Ordnung in der Europäischen Union entspricht und im globalen Zusammenhang sehr fortschrittlich ist. Unter dieser Voraussetzung kann man Änderungen vornehmen. Das ist aber nicht der Weg der katalanischen Regierung und des Regierungschefs Puigdemont. Seine Unfähigkeit zu regieren ist bekannt. Er will nur die Unabhängigkeit. Ausgangspunkt muss aber immer die Tatsache sein, dass wir ein solider und vollständig demokratischer Rechtsstaat sind. Regierungen können jede Art institutioneller Veränderung nur vornehmen, wenn sie den demokratischen Rechtsstaat vollständig respektieren.
    Heinemann: Können Sie sich die erste spanische Fußball-Liga ohne Barcelona vorstellen?
    Alonso Ruiz: Wir sind von dieser Möglichkeit sehr weit entfernt. Ich bin culé, wie man die Barca-Fans hier nennt. Barca wird nicht außerhalb der spanischen Liga spielen, die zusammen mit der Bundesliga eine der besten der Welt ist.