Präsident Andrzej Duda stammt aus der rechtskonservativen Regierungspartei PiS. Trotzdem bekam er nun Applaus ausgerechnet von der Opposition - dafür, dass er Donald Tusk zum Unabhängigkeitstag nach Warschau einlud. Wladyslaw Kosiniak-Kamysz, Vorsitzender der Bauernpartei PSL:
"Vielleicht hat er erkannt, dass diese Spaltung unserer Gesellschaft, dieser krankhafte Hass die Herzen aller gefangen nimmt. So ein Feiertag bietet die Chance für ein Signal: Wir können unterschiedlicher Meinung sein, aber wir können auch zusammenstehen, denn wir haben einen Staat und sind eine Nation."
Ganz anders nahmen diejenigen Kommentatoren die Nachricht auf, die der Regierungspartei PiS nahe stehen - nämlich mit Argwohn. Tusk wolle einen Keil in das Regierungslager treiben, mutmaßten manche von ihnen, also den Präsidenten von der Regierung weiter entfremden. Schon durch Vetos gegen zwei Gesetze, die zur geplanten Justizreform gehören, sorgte Duda in der PiS in den vergangenen Monaten für Unmut.
Vorwürfe aus dem Regierungslager an Präsident Duda
Joachim Brudzinski, PiS-Abgeordneter und Vize-Parlamentspräsident, gab zu verstehen, dass er die Einladung an Tusk für keine gute Idee hält:
"Sehr oft hat er als EU-Ratspräsident Polen nicht geholfen, sondern geschadet. Ich erinnere nur an die Ereignisse im Parlament im vergangenen Dezember. Da hat er sich auf die Seite der Opposition gestellt, die eine Art Putsch veranstaltet hat. Er hat den Versuch unterstützt, den polnischen Parlamentarismus zu zerstören."
Die Vorwürfe aus dem Regierungslager gingen direkt an Präsident Andrzej Duda. Dessen Sprecher Krzysztof Lapinski musste beschwichtigen:
"Der Präsident lädt jedes Jahr alle ehemaligen Präsidenten und alle ehemaligen Ministerpräsidenten zu diesem Feiertag ein. Diesmal hat Tusk zum ersten Mal positiv geantwortet. Er hat auch gebeten, einen Kranz am Grab des unbekannten Soldaten niederlegen zu dürfen. Das haben wir gestattet."
Für Tusk ist das eine gute Gelegenheit, sich bei den Polen in Erinnerung zu rufen - für den Fall, dass er einmal in die polnische Politik zurückkehren möchte. Umfragen zeigen, dass er - Stand heute - bei den Präsidentenwahlen in drei Jahren gute Chancen hätte.
Traditioneller Marsch von rechtsextremen Gruppierungen
Auch der PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski meldete sich vor dem Feiertag zu Wort. Auf den Besuch von Tusk ging er nicht ein, vielmehr verkündete er ein patriotisches Manifest. Die junge Generation müsse das Gefühl bekommen, dass:
"Ein Pole zu sein, heißt, jemand Wichtiges zu sein, jemand, der in Europa etwas zählt. Und jemand, der dem heutigen, kranken Europa den Weg der Heilung vorgibt, den Weg zurück zu den fundamentalen Werten."
Die Aufmerksamkeit richtet sich heute nicht nur auf die offiziellen Feierlichkeiten. Am Nachmittag findet der traditionelle Marsch von rechtsextremen Gruppierungen statt. Diese haben sich dabei in den vergangenen Jahren immer wieder auch Schlachten mit der Polizei geliefert. Seit die rechtskonservative PiS am Ruder ist, verhalten sich die Teilnehmer des Marsches allerdings etwas friedlicher.