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Unbekannter Schiedsrichter pfeift das Eröffnungsspiel

Rawschan Irmatow heißt der Mann, dem die Fifa das WM-Eröffnungsspiel anvertraut. 32 Jahre, Schiedsrichter aus Usbekistan, einem Flecken in Zentralasien, dessen Existenz auf der Fußball-Landkarte nur vermutet werden kann.

Von Thomas Kistner |
    Irmatows größter Auftritt war die Leitung eines Endspiels der unbedeutenden Klub-WM. Nun also soll der Mann aus dem hochkorrupten Reich des Alleinherrschers Islam Karimow das Eröffnungsmatch Südafrikas gegen Mexiko leiten. Diese Entscheidung wirft Fragen auf. Es geht ja nicht um irgendeinen WM-Kick, es geht um die Schlüsselpartie überhaupt: Ganz Afrika braucht einen guten Start ins erste Turnier auf dem Kontinent – und Südafrika braucht einen Traumstart, damit die Fans in Laune kommen. Einen Erfolg der Gastgeber er-sehnt sich aber auch die Fifa, aus wirtschaftlichen Gründen. Denn der Großteil der WM-Karten ging zu Schleuderpreisen an Einheimische. Nun sollten die Gastgeber in Feststimmung geraten, Bafana Bafana ist für die WM das wichtigste Te am.

    Experten wie Herbert Fandel, Chef der DFB-Schiedsrichter, haben von Irmatow nie etwas gehört. Wäh-rend die Fachwelt rätselt, was die Fifa mit der Beru-fung des Usbeken bezwecken könnte, blüht unter In-sidern eine Spekulation, die auf der Hand liegt: Es wäre eine Katastrophe, wenn mit Südafrika erstmals in der WM-Geschichte der Gastgeber in der Vorrunde ausscheiden würde. Sorgt man da nicht besser subtil für einen günstigen Spielverlauf? Nein, das ist keine böse Unterstellung: Die für ihre korrupten Umtriebe bekannte Fifa hat sich auch hier oft angreifbar gemacht, mancher fehlerhafte Referee spielte schon WM-Schicksal, ohne bestraft zu werden. Das schlimmste Beispiel lieferte 2002 die Siegesserie des WM-Mitveranstalters Südkorea, der dank zahlloser absurder Fehlpfiffe gegen Italien und Spanien bis ins Halbfinale gezogen war. Videoclips dieser Spiele haben heute Kultstatus.

    Nun also Irmatow, ein Nobody aus einem Land mit ausge-prägter Korruptionskultur, der einfach so ein Geschenk erhält, auf das gestandene Referees in den Hexenkesseln von Mailand bis Madrid, von München bis Manchester über Jahrzehnte hinarbeiten müssen. Was ist mit dem Italiener Rosetti oder dem Engländer Webb, zigfach bewährte Männer in den Fegefeuern von WM und Champions League?

    Falls Irmatow ein Fehler unterläuft, ein unberechtigter Elfmeter, ein Abseits oder Platzverweis – es würde heiße Debatten geben, die Causa Südkorea von der WM 2002 wieder hochkochen. Warum geht die Fifa so ein Risiko ein?

    All das heißt nichts gegen Irmatow: Der unbekannte Usbeke könnte sogar, umgekehrt, gut und souverän pfeifen. Bleiben wird trotzdem der fade Geschmack, dass hier ein sportpolitisches Spiel versucht worden ist. Manchmal ge-winnt ein Kandidat übrigens auch, ohne dass nachgeholfen werden muss.