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Unbeliebt und unterbezahlt: Ein Polizist in Athen

Eine Entscheidung der Vernunft, war es für den jungen Mann, die Aufnahmeprüfung für die Polizeischule zu machen anstatt zu studieren. Jetzt tut er Dienst in Athen und kann sich aber auch nach sieben Jahren nicht an die Großstadt gewöhnen. Auch er merkt die deutlichen Einschnitte: Sein Gehalt wurde um rund 100 Euro im Monat gekürzt.

Von Panagiotis Kouparanis |
    Eine Führung durch das neue Akropolismuseum. Die Investition von 150 Millionen Euro scheint sich gelohnt zu haben - über zwei Millionen Besucher kamen im ersten halben Jahr. Hier wartet Andreas. Er heißt eigentlich anders, will aber anonym bleiben. Er ist Polizist.

    Jeans, T-Shirt, Sonnenbrille. Andreas ist schlank, durchtrainiert, auf seinem iPod läuft Heavy-Metal-Musik. Hinein ins Museum will er jetzt nicht. Er will es erst besuchen, wenn er endgültig aus Athen wegzieht – als bleibende Erinnerung.

    Andreas kommt aus einer Provinzstadt. Dorthin will er so bald wie möglich zurückkehren. Das heißt, sobald eine Stelle frei wird und er die nötigen Dienstjahre nachweisen kann. Vielleicht in zwei Jahren, hoffentlich früher.

    Obwohl er seit sieben Jahren in Athen lebt, ist er hier nie heimisch geworden. Athen ist ihm zu laut, zu hektisch, zu stressig, zu teuer. Sein Blick schweift umher.

    Und dann gibt es noch die Familie. Noch immer bekommt er jeden Abend einen Anruf. Sonst kann seine Mutter nicht schlafen. Er sagt das ohne jede Verlegenheit.

    Mit 18, gleich nach dem Abitur, hat er die Aufnahmeprüfung für die Polizeischule bestanden. Zwei Jahre dauert die Ausbildung noch, dann ist er Streifenpolizist.

    Für Andreas eine Entscheidung der Vernunft. Zwar war die ganze Familie daran beteiligt, aber, und das scheint ihm wichtig zu sein, keiner hat ihn unter Druck gesetzt. Ursprünglich wollte er Archäologie studieren.

    "Es war nicht sicher, ob ich nach Abschluss dieses Studiums eine Arbeit finden würde. Dagegen war von vornherein klar: Wenn ich die Aufnahmeprüfung für die Polizeischule bestehen würde, wäre meine berufliche Zukunft gesichert."

    Mittlerweile ist er gerne Polizist. Es klingt ein wenig pathetisch, aber er scheint es ernst zu meinen, wenn er sagt: ein Danke zu hören, wenn er jemandem geholfen hat, der bestohlen wurde, der niedergeschlagen wurde, das mache ihn jedes Mal zufrieden. Die Bezahlung dagegen findet Andreas bescheiden.

    "Wenn ein junger Polizist mit 20 die Polizeischule verlässt, dann bekommt er bei einer Sechstagewoche ein Nettogrundhalt von kaum 800 Euro. Mit Überstunden, Nachtschicht, Wochenend- und Feiertagsarbeit kann er es auf 950 - 970 Euro im Monat bringen. Ein verheirateter 26-jähriger Polizist hat bis vor Kurzem 1350 Euro verdient. Jetzt nach den Kürzungsmaßnahmen der Regierung sind es 1250 Euro."

    Einhundert Euro weniger im Monat: Bei den hohen Lebenshaltungskosten und Mieten in Athen ist das verdammt wenig. Viele Kollegen haben jetzt schon zu kämpfen, weiß Andreas. Manche liefern Pizza aus, andere fahren Taxi. Natürlich ist das nicht erlaubt - er zuckt mit den Schultern. Andreas wohnt mit seiner Verlobten zusammen. Sie verdient zwar gerade mal 900 Euro, doch beide Einkommen zusammen – das geht.

    Sie hat Angst um ihn. Nicht nur wegen der Ausschreitungen bei Demonstrationen. Inzwischen, sagt Andreas, kann es sogar passieren, dass unverhofft ein Chaot um die Ecke kommt und einen Molotowcocktail wirft. Einem befreundeten Kollegen ist das neulich passiert. Er konnte gerade noch zur Seite springen.

    Als Polizist fühlt er sich als Prellbock von Politikern missbraucht, die Griechenland in diese wirtschaftliche Misere gebracht haben. Das mindeste, was Andreas jetzt erwartet: dass die Verantwortlichen für die Krise vor Gericht gestellt werden.

    "Viele junge Menschen, so wie ich, freuen sich geradezu, dass die Regierenden in Griechenland nunmehr von Ausländern beaufsichtigt werden. Auf diese Weise können sie sich nicht mehr so wie in der Vergangenheit verhalten."

    Andreas muss nach Hause, um sich noch etwas hinzulegen. In kaum drei Stunden beginnt seine Nachtschicht. Manchmal mache sich seine Verlobte Sorgen, ob sie ihn am nächsten Morgen unverletzt wiedersieht. Aber schon lächelt er wieder: Natürlich wird sie mit ihm mitgehen, wenn er in seine Heimatstadt versetzt wird.