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Und jetzt der Tower

Wer sich nicht täglich in London aufhält, dem fallen die Veränderungen der letzten Jahre in der britischen Metropole dort drastisch ins Auge. Die Silhouette der Stadt, wie man von sie vom Themse-Ufer, von der Tate Modern aus zum Beispiel wahr nimmt, hat sich in eine veritable Skyline verwandelt, und es stehen noch andere spektakuläre Hochhausprojekte an. Das Problem: sie finden in Sichtweite des berühmten, 900 Jahre alten "Towers of London" statt, weshalb auch dort jetzt die UNESCO Alarm geschlagen hat: möglicherweise, so das große Raunen, das wir derzeit häufig hören, könnte der Tower auf die Rote Liste gefährdeten Weltkulturerbes gesetzt werden.

Von Ute Nyssen |
    Karin Fischer: Frage an meinen Kollegen Hanno Rauterberg von der "ZEIT", fänden Sie das richtig und angemessen?

    Hanno Rauterberg: Ja, im Prinzip ist das glaube ich schon gerechtfertigt, denn der Tower war ja immer ein Gebäude, das herausragte. Also nicht nur von seiner Architektur, sondern auch von der schlichten Höhe. Und die Skyline sonst in London war immer sehr beruhigt und das zeichnete London auch aus, dass es so eine gemäßigte Silhouette besaß und das hat sich in den letzten Jahren verändert. Und bis zu einem bestimmten Grad ist diese Veränderung auch hinnehmbar, wenn jetzt aber die Gebäude diese Neubauten im wahrsten Sinne des Wortes ihren Schatten auf den Tower werfen - was so drastisch nicht der Fall sein wird, aber zumindest symbolisch - dann muss man schon sagen, ist die UNESCO gehalten, dort eine entsprechende Maßnahme zu ergreifen, das heißt zu warnen, passt auf, wenn ihr dort weiterbaut, müssen wir euch diesen Titel wieder wegnehmen.

    Fischer: Der Tower zieht ja jährlich Millionen von Touristen an, er ist nicht nur alt, sondern auch gruselig und man besichtigt ihn nun weiß Gott nicht nur wegen einer UNESCO-Werbeplakette, wie man das vielleicht noch bei einem Wüstenschloss in Jordanien machen würde, sondern wegen seines Kerns, also der Geschichte und der Geschichtsträchtigkeit. Und immer wenn wir über die UNESCO-Plakette diskutieren dann steht die Frage im Vordergrund - auch in Dresden, auch in Köln - wer braucht die Plakette.

    Rauterberg: Nun es ist nicht so, dass da irgendeine Kommission des Weltkulturerbes, also der UNESCO, durch die Welt reist und irgendwelchen Leuten diese Plakette aufoktroyieren würde, sondern umgekehrt ist es so, dass die Städte oder Regionen sich in sehr langen, mühsamen und auch kostenintensiven Verfahren um diese Plakette bewerben und damit dann - weil sie eben diese Plakette tragen dürfen, weil es ein Ehrentitel ist - aber umgekehrt auch bestimmte Verpflichtungen eingehen. Und diese Verpflichtungen heißen auch, dass man sich um dieses Erbe kümmert und dass man es auch respektiert und respektvoll damit umgeht. Insofern ist es schon richtig, dass die UNESCO auch aufpasst und sagt, dieser Weltkulturerbe-Titel, wenn wir euch den geben, der hilft euch, den Tourismus anzukurbeln und macht auch bestimmte Denkmäler, die nicht so im Vordergrund stehen, berühmter und begehrter, umgekehrt geht es aber hier nicht nur um Wirtschaftsförderung, sondern wir meinen es schon sehr ernst, mit dem was wir tun und entsprechend passen wir auch auf.

    Fischer: Aber sind die Welterbeschützer nicht auch häufig zu konservativ. Also Hochhausbau ist ja auch Stadtentwicklung und immer wieder und immer mehr, siehe Waldschlößchenbrücke in Dresden, steht sozusagen das Welterbekomitee dann gegen den Fortschritt.

    Rauterberg: Das ist schon eine lustige Frage die sie da stellen, Frau Fischer, denn konservativ müssen Konservatoren sein, das ist ihr Beruf.

    Fischer: Da haben Sie recht.

    Rauterberg: Sie müssen etwas bewahren. Aber natürlich ist die Frage berechtigt, wie kommt es eigentlich dazu, dass wir in letzter Zeit so häufig darüber sprechen, dass möglicherweise dieses oder jenes Objekt auf die Welterbeliste kommt. Das liegt zum einen daran, dass es mittlerweile doch sehr viele dieser Weltkulturerbestätten gibt. Insgesamt sind es über 800 und ich glaube, im Moment bewerben sich potentiell darum 1200 weitere, also es ist tatsächlich eine sehr begehrte Marke. Und ich glaube, ein bisschen vielleicht auch als Abschreckungspolitik zeigt man den einzelnen Bewerbern nun auf, was es bedeutet, diesen Weltkulturerbetitel dann zu tragen. Also man sagt, bewerbt euch jetzt darum bitteschön, aber dann müsst ihr auch die entsprechenden Konsequenzen tragen.

    Fischer: Könnte diese Ernsthaftigkeit auch ein Indiz dafür sein, dass es der Denkmalpflege überhaupt und grundsätzlich in Deutschland im Moment nicht so gut geht?

    Rauterberg: Ja, ich glaube das ist tatsächlich ein sehr klares Indiz dafür. Wir haben in Deutschland glaube ich mittlerweile mehr Rote-Listen-Kandidaten als irgendwo sonst in der Welt und das ist kein Zufall. Es liegt zum einen daran, dass der Denkmalpfleger, der für die UNESCO in Deutschland zuständig ist, sehr gut aufpasst, liegt aber auch daran, dass die Landesdenkmalpfleger, die eigentlich zuständig sind für die Denkmalpflege, oft keine anderen Mittel mehr sehen, als sich an die UNESCO zu wenden. Also es werden nicht nur Etats eingespart, es wird auch beim Personal der Denkmalpfleger sehr stark eingespart und das führt dazu, dass ganze Verwaltungsebenen im Moment ausradiert werden. Die UNESCO ist dann quasi noch das letzte Hilfsmittel.

    Fischer: Herzlichen Dank, Hanno Rauterberg, für diese Einschätzungen zur Roten Liste der Welterbekonvention und der UNESCO überhaupt. Morgen beginnt die Jahreskonferenz der deutschen UNESCO-Welterbestätten in Koblenz, auch das Obere Mittelrheintal gehört ja bekanntlich zu den Welterbestätten in Deutschland.