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Undercover-Journalismus
"Wäre eigentlich Aufgabe der Öffentlich-rechtlichen"

RTL mache mit der Undercover-Sendung "Team Wallraff" etwas, was zuallererst Aufgabe von öffentlich-rechtlichen Sendern sei, sagte Enthüllungsjournalist Günter Wallraff im DLF. Insgesamt gebe es bei dem Thema einen Nachholbedarf in den Medien: "Da braucht es eigentlich auch größere Stiftungen."

Günter Wallraff im Gespräch mit Bettina Schmieding |
    Der Autor Günter Wallraff
    Wallraff: "Man hat den Eindruck, dass innerhalb der Medien ein Nachholbedarf besteht" (dpa / picture alliance / Hermann Wöstmann)
    Bettina Schmieding: Wird in Deutschland zu selten Undercover-Journalismus praktiziert?
    Günter Wallraff: Man hat den Eindruck, dass innerhalb der Medien ein Nachholbedarf besteht, dass viele die Direktinformationen, die Beweise aus dem Innersten der jeweiligen Firmen, der Betriebe, wo das Unrecht wirklich gravierend ist, dass sie das nicht aus zweiter Hand erfahren möchten, sondern Zeugen, die es selbst erlebt haben. Und das sind dann Journalisten, die sich auch so was antun und bereit sind, für längere Zeit ihre gewohnte Umgebung zu verlassen. Aus dem Grunde habe ich dieses Stipendium, wo ich auch jüngere Journalisten dann für eine gewisse Zeit freistelle, die sich dann voll dem aussetzen und alles andere hinter sich lassen.
    Schmieding: Beteiligen sich die Medien in ausreichender Form an dieser Art der Recherche, des Undercover-Journalisten?
    Wallraff: Bei unseren Printmedien ist es ja mal eine Ausnahme, dass da jemand für ein paar Tage mal irgendwo vielleicht Einblick nimmt. Das vermisse ich, dass da auch Kollegen freigestellt werden. Da braucht es eigentlich auch größere Stiftungen, die das ermöglichen. Was ich im Kleinen mache, müssten eigentlich ja öffentlich-rechtliche Fernsehsender auch ermöglichen. Es ist so was gerade in Arbeit. Nach dem großen Erfolg jetzt von "Team Wallraff" bei RTL ist jetzt auch so ein Format, ich glaube, beim ZDF gerade in Vorbereitung. Das finde ich gut so. Ich kann keinen öffentlich-rechtlichen Sender zwingen, so einen Etat zur Verfügung zu stellen, um da auch eine ganze Gruppe von Journalisten das über lange Zeit machen zu lassen. Das ist sehr aufwendig, nicht nur zeitaufwendig, auch finanziell aufwendig. Man muss auch bereit sein, Themen auch wieder fallen zu lassen, nicht einer vordergründigen Sensationslust nachzugehen, sondern wirklich so etwas gründlich zu recherchieren. Und wenn es nicht gelingt, dann muss man es auch beenden und einem neuen Thema sich zuwenden.
    "Ich bin bei RTL offene Türen eingelaufen"
    Schmieding: Und warum lässt sich denn nun gerade RTL das was kosten?
    Wallraff: Ich bin auf die zugegangen, um eine jüngere Zuschauergruppe zu erreichen, die ich bei öffentlich-rechtlichen leider nicht erreiche. Und ich muss sagen, ich bin da offene Türen eingelaufen. Ich habe sehr schnell ein kleines Team gefunden - liegt allerdings auch an einer Redakteurin, Karla Steuckmann, die seit Jahrzehnten auch gewerkschaftlich aktiv ist. Die - ja, würde ich sagen, das soziale Gewissen hat, um das auch zu steuern, mit zu beaufsichtigen. Und dann auch einige der Zuständigen, die auch voll dahinter stehen und die auch auf den Werbeetat keine Rücksicht nehmen. Die es riskieren, auch unter Umständen einen großen Werbeträger mal zu verlieren daraufhin.
    Schmieding: Wie erklären Sie sich das? Eigeninteresse von RTL an Ihnen, an Ihren Themen?
    Wallraff: Ich glaube, da kommt einiges zusammen. Einmal, dass auch das schlechte Image, das sie über Jahre wohlverdient ja aufgebaut haben. Zum anderen aber auch, weil sie merken, dass die reinen Verblödungsformate inzwischen wohl nicht mehr ganz so ziehen, keine Zuwachsraten haben. Aber zum anderen auch durch den Erfolg meiner Reportage über die Paketdienste. Die merken plötzlich, es kommt ein großes Interesse auch von jüngeren Zuschauern. Zigtausende Reaktionen und die ganzen Blogs, die dann da über Monate voll waren. Aber vor allem auch, dass sich sehr viele Betroffene meldeten mit eigenen Fallschilderungen.
    "Mit ARD erreichen Sie ein Bildungsbürgerpublikum"
    Schmieding: Hätten Sie die denn bei der ARD auch erreicht?
    Wallraff: Bei der ARD nicht in diesem Ausmaß. Mit ARD erreichen Sie ein Bildungsbürgerpublikum - mehr oder weniger - es waren Sendungen, die dann oft auch zu später Zeit gesendet wurden, auch mit einem viel schmaleren Etat nur möglich waren. Und Sie brauchen einfach für bestimmte Themen viel mehr Zeit. Dass man anschließend dann auch zu denen, die man untersucht hat, hinfährt, ihnen Gelegenheit gibt, Verbesserungen einzuleiten. Bei Burger King war das Erstaunliche, dass die sich entschuldigten. Das Gleiche bei den Sicherheitsdiensten.
    Schmieding: Würden Sie sagen, dass RTL da eine originär öffentlich-rechtliche Aufgabe übernimmt?
    Wallraff: Ich würde schon sagen, dass eigentlich RTL das macht, was den Öffentlich-rechtlichen gut anstünde und was eigentlich deren Aufgabe zu allererst ist.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.