Das Coronavirus, das die aktuelle Krise ausgelöst hat, ist kein Einzelfall: Rund 60 Prozent aller bekannten Infektionskrankheiten, die Menschen heimsuchen, stammen aus der Tierwelt. Ebola, SARS oder Zika zum Beispiel. Experten haben immer wieder gewarnt, dass so ein weltweiter Ausbruch möglich ist, wie wir ihn gerade erleben, sagte Inger Andersen, die Direktorin des UN-Umweltprogrammes. Im vergangenen Jahrhundert habe es sechs große Ausbrüche von neuen Coronaviren gegeben.
Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen hat zusammen mit dem internationalen Viehzucht-Forschungsinstitut ILRI solche Krankheitsausbrüche untersucht. Die Folgen sind verheerend: Laut Studie sterben jedes Jahr rund zwei Millionen Menschen an Krankheiten, die aus der Tierwelt übertragen wurden – die aktuelle Coronakrise nicht mit eingerechnet. Betroffen sind vor allem Menschen in Entwicklungsländern. Die Forscher beziffern den wirtschaftlichen Schaden in den vergangenen zwei Jahrzehnten auf über 100 Milliarden Dollar – wieder ohne die aktuelle Krise.
Für Andersen ist die Ursache klar: Die Verantwortung liege bei uns, das Wachstum der Menschheit und unsere Aktivitäten. Die Studie beschreibt mehrere Gründe: Die weltweite Nachfrage nach Fleisch wächst, dadurch gibt es immer mehr Tiere, genetisch ähnlich, die anfälliger für Infektionen seien. Hinzukomme, dass wilde Tiere zunehmend gejagt und verzehrt werden. Die Städte wachsen immer weiter, Menschen rücken enger zusammen und verdrängen unberührte Natur. Dadurch fehlten natürliche Puffer. Hinzu kommen immer mehr und weitere Reisen.
Wärmere Temperaturen erleichtern Ausbreitung von Erregern
Ein wichtiger Grund ist auch der Klimawandel: Wärmere Temperaturen erleichtern die Ausbreitung von Erregern, Tiere suchen sich neue Lebensräume. Menschen und Tiere, und damit ihre Krankheiten, seien so eng zusammengerückt wie noch nie zuvor.
ILRI-Direktor Jimmy Smith sagte, eine Kernbotschaft sei, Krankheiten wie COVID-19 kämen nicht aus dem Nichts. Die gute Nachricht sei – es gebe eine Gegenstrategie. Es gehe darum, die Gesundheit von Menschen, Tieren und Ökosystemen gemeinsam zu denken. Das könne helfen, Krankheitsausbrüche in der Tierwelt frühzeitig zu erkennen und zu behandeln, bevor sie auf Menschen überspringen können.
Viele Staaten reagieren erste nach dem Ausbruch
Laut Studie ist ein Problem, dass viele Staaten bisher erst auf diese Krankheiten reagiert hätten, wenn sie bereits ausgebrochen waren. Nötig sei Vorbeugung. Dafür müssten die Regierungen investieren, in öffentliche Gesundheit, in nachhaltige Landwirtschaft, sie müssten die Ausbeutung der Natur eindämmen. Der Kampf gegen Klimawandel würde auch hier helfen.
Das Ganze kostet Geld. Smith zitierte eine Schätzung, die schon ein paar Jahre alt ist: Ein globales Investment von rund 25 Milliarden Dollar über zehn Jahre würde einen Nutzen in Höhe von 125 Milliarden Dollar bringen. Die aktuelle Coronakrise zeige, dass der Nutzen noch höher ausfallen würde. Außerdem sei sie ein Weckruf. Sie seien zuversichtlich, dass die nötige Unterstützung kommen werde.
Das ILRI hat seinen Sitz in Kenia und hat besonders die Situation in Afrika im Blick. Hier gibt es einerseits noch große Regenwälder, andrerseits wächst die Bevölkerung rasant an. Smith warnte, das sei eine Ausgangslage für mehr Krankheiten, die von Tieren auf Menschen übertragen werden. Gleichzeitig hätten die afrikanischen Staaten Erfahrungen mit solchen Krankheiten und wie Ausbrüche gemanagt werden könnten.