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Unerfüllte Versprechen

Die Politik von Chiles Staatschef Pinera findet nur noch bei 23 Prozent seiner Landsleute Zustimmung. Angetreten mit den Worten, "ich möchte alles besser machen", macht er nur alles anders - und das schlechter. Denn seine Regierung wird von einer Obsession möglichst billiger Lösungen geleitet.

Von Peter B. Schumann |
    So viel Jubel wie bei seinem Wahlsieg im Januar 2010 hat der chilenische Präsident Piñera seither nur noch selten erlebt. Er war angetreten, um seine Erfahrungen als erfolgreicher Unternehmer in effiziente Politik umzusetzen: Er wollte "alles besser machen" – wie er bei zahllosen Gelegenheiten betonte.

    Das war eigentlich nicht schwer, denn die große Mehrheit der Chilenen hatte die Regierung aus Christ- und Sozialdemokraten satt. Ihr war zwar die "Transición", der Übergang von der Diktatur zur Demokratie, gelungen. Und sie hatte auch zwei Jahrzehnte lang für politische Stabilität und ökonomische Prosperität gesorgt. Doch sie war am Schluss an einer allzu selbstgefälligen Politik voller Skandale gescheitert. Deshalb erschien Sebastián Piñera den meisten Chilenen als die zukunftsweisende Alternative. Luis Larraín, Direktor der Stiftung Freiheit und Entwicklung, dem Thinktank der chilenischen Rechten:

    "Präsident Piñera wollte eine zweite 'Transition' Chiles, einen Übergang hin zu einer Politik der Entwicklung. Wir haben gegenwärtig ein durchschnittliches Pro-Kopf-Einkommen von 15.000 Dollar. Aber das Wirtschaftswachstum ist gesunken. Wir müssen es ankurbeln. Das steht im Mittelpunkt seiner Politik. Sie beinhaltet auch soziale Komponenten: die Beseitigung der Kriminalität, die Verbesserung des Gesundheitswesens, beispielsweise durch Hilfen bei der Mutterschaft, und die Förderung des Bildungssystems."

    Doch das Ergebnis seiner ersten beiden Regierungsjahre ist erschreckend. Die jüngste Umfrage des "Centro de estudios públicos", einem der angesehensten Forschungsinstitute Chiles, stellt seiner Politik ein verheerendes Zeugnis aus.

    62 Prozent der Bevölkerung lehnen die Amtsführung von Präsident Piñera ab. 73 Prozent betrachten die Regierung für ausgesprochen schwach. Und 77 Prozent halten den Präsidenten für unsympathisch.

    Anders gesagt: Piñera findet nur noch bei 23 Prozent der Chilenen Zustimmung. Das ist der niedrigste Wert, auf den die Popularität eines chilenischen Regierungschefs in Zeiten der Demokratie jemals gesunken ist. Auch alle übrigen Indikatoren fallen negativ aus.

    Die Akzeptanz der Wirtschaftspolitik sank innerhalb eines Jahres von 32 auf 20 Prozent, die des Gesundheitswesens von 20 auf 14 Prozent und die der Erziehungspolitik gar von 32 auf 7 Prozent.

    Rascher kann eine Regierung kaum in der Gunst der Wähler abstürzen. Was sind die Ursachen? Luis Larraín:

    "Der persönliche Stil des Präsidenten ist sicher ein Grund hierfür. Er ist ein sehr erfolgreicher Unternehmer, ein Gewinnertyp, der für alles eine Antwort parat hat. Damit kam er jedoch als Regierungschef nicht überall gut an. Er wollte einen neuen politischen Stil durchsetzen, aber die Institutionen verändern sich nicht so schnell, wie er wollte. Und viele Versprechungen benötigen viel mehr Zeit, um sie zu erfüllen, als die Leute hofften. Dadurch entstand eine gewisse Enttäuschung."

    Die Stilfragen können den Niedergang der Popularität erklären, aber nicht das mangelnde Vertrauen in die politische Kompetenz.

    "Es gab auch dieses furchtbare Erdbeben im Januar 2011. Der Wiederaufbau hat einen großen Teil der Aktivitäten der Regierung in Anspruch genommen. Und dann hat sich die Protestbewegung der Studenten sehr stark ausgewirkt, denn sie wurde von der Bevölkerung massiv unterstützt. Das hängt mit dem großen Zuwachs an Studenten zusammen. Ihre Zahl hat sich im letzten Jahrzehnt verdoppelt. Ein Großteil von ihnen kommt aus den ärmsten Schichten. Die Studiengebühren sind in Chile jedoch sehr hoch und überfordern oft die finanziellen Möglichkeiten gerade solcher Familien. Und das hat der studentischen Protestbewegung großen Auftrieb gegeben."

    Die Bildungspolitik bestimmte zwar im vergangenen Jahr weitgehend die politische Debatte. Doch die Bevölkerung übersah die übrigen Defizite der Regierungsarbeit nicht und machte dafür vor allem den Staatspräsidenten verantwortlich. Der Soziologe Eugenio Tironi hat ihre Motive erforscht und seiner Studie den Titel gegeben: Warum mögen die Chilenen Piñera nicht?

    "Präsident Piñera ist das Opfer seiner eigenen Versprechungen. Er musste sie machen, denn er wollte ja gewählt werden und konnte sich nicht nur auf die Agonie der damaligen Regierung verlassen. So versprach er zum Beispiel einen verbesserten Kampf gegen die Kriminalität. Die öffentliche Sicherheit gehört zum Ethos jeder Rechtsregierung und war ein zentrales Thema seiner Wahlkampagne. Doch das Ergebnis ist negativ. Noch nicht einmal in diesem Bereich hat die Regierung ihr Wort gehalten. Das ist jedenfalls der Eindruck der Bevölkerung."

    Auch bei einem anderen Ereignis konnte sie nicht punkten: dem starken Erdbeben der Stufe sieben im Januar 2011. Es hat besonders die Pazifikküste Chiles heimgesucht und verursachte sogar in der Hauptstadt Santiago zahlreiche Schäden. Die Chilenen glaubten, dass ihr Unternehmer-Präsident das Desaster genauso erfolgreich würde managen können wie die Rettung der Bergarbeiter im Jahr zuvor.

    Die Aufbauarbeiten gingen keineswegs schneller voran als bei irgendeiner früheren Regierung. Im Gegenteil: Sie verliefen noch schleppender, denn diese Regierung wird von einer Obsession minimaler Kosten, möglichst billiger Lösungen geleitet. Sie denkt – wie ein Privatunternehmen – in Kriterien der Rentabilität für die Aktionäre. Außerdem will sie alles nicht nur besser, sondern vor allem anders machen. Der Wiederaufbau wurde deshalb völlig der Privatwirtschaft überlassen. Diese verstrickte sich dabei in diverse Interessenkonflikte. Sie war total überfordert, wie sich herausstellte.

    Tusy Urra, Koordinatorin der Bewegung für einen gerechten Wiederaufbau, zog Anfang Januar eine Bilanz der zweijährigen Erfahrungen:

    "Wir haben viel Papier für viele Hilfsmaßnahmen ausgefüllt, aber erhalten haben wir bis heute kaum einen Peso. Die Bürokratie ist gigantisch, und sie hat Leute unterstützt, die gar nicht geschädigt wurden. Der Präsident hat versprochen, dass bis zum 2. Jahrestag des Erdbebens niemand mehr in Zelten wohnen sollte. Jetzt sind zwei Jahre vorbei, und 4300 Familien werden einen weiteren harten Winter in Zelten hausen müssen."

    Lorena Arce, die Sprecherin der Obdachlosen von Dichato, eines der am schlimmsten verheerten Gebiete, bezweifelt sogar die offiziellen Angaben über die Aufbauleistung:

    "Die Regierung behauptet, sie habe bereits mehr als 50 Prozent des Wiederaufbaus geschafft. Aber diese Zahl bezieht sich auf öffentliche Gebäude. An Wohnungen hat sie noch nicht einmal zehn Prozent gebaut. Und viele der errichteten Notunterkünfte sind untauglich: Sie wurden schlecht und mit billigem Material konstruiert. Aber an der Küste wurde eine pompöse Mauer für viele Millionen Dollar gebaut, statt zuerst die Notleidenden zu versorgen."

    Als sich das Debakel Mitte des letzten Jahres abzeichnete, sanken Piñeras Popularitätswerte erstmals auf einen Tiefpunkt. Dann versagte die Regierung bei der Betreuung der Bergarbeiter. Für ihre Rettung aus 700 Metern Tiefe hatte sich der Präsident feiern lassen. Danach ließ er sie fast völlig im Stich. Prof. Tironi hält den Umgang mit ihnen für symptomatisch:

    "Die Regierung hat die Rettung anfangs sehr gut ausgenutzt, denn sie konnte so zeigen, dass sie in der Lage war, technische Lösungen für schwierige Probleme zu finden. Sie konnte ihre Regierungsfähigkeit unter Beweis stellen. Aber dann hat der Präsident durch eine Reihe von Auftritten daraus eine Propagandashow für sich und seine politischen Ziele gemacht. Das haben ihm sehr viele Leute sehr übel genommen. Er kennt einfach seine Grenzen nicht. Vielen der Bergarbeiter geht es heute schlechter als zuvor, denn sie sind traumatisiert. Sie sind lebende Zeugen für fehlende Sensibilität, fehlende Menschlichkeit der Regierungsmannschaft."

    Präsident Piñera hatte ebenfalls versprochen, ein Kabinett der Fachleute zu bilden und die "Eigeninteressen der korrupten Politikerkaste" von seiner Regierung fernzuhalten. Doch inzwischen sieht es so aus, als ob es sich zu einer Repräsentanz des Neoliberalismus entwickelt habe. Augusto Varas, Direktor der Fundación Equitas, eines Instituts zu Evaluierung von Regierungsprogrammen:

    "In seinem Kabinett sind die zehn mächtigsten Wirtschaftsgruppen des Landes vertreten. Es ist also aufs Engste mit der Unternehmerschaft verbunden. Und das merkt man seiner Politik an. Außerdem hat die Regierung kein Konzept, sondern reagiert lediglich auf die jeweiligen Zwänge, denkt nicht strategisch. Denn ihr wichtigstes Ziel besteht darin, den Profit der Unternehmer zu erhöhen und zu privatisieren, was immer möglich ist."

    Doch das reicht offensichtlich verschiedenen Kräften der Regierungskoalition nicht mehr. Sie besteht aus zwei Rechtsparteien: der Renovación Nacional, der Präsident Piñera angehört, und der UDI, der Unión Demócrata Independiente, der ehemaligen Pinochet-Partei. In den letzten Monaten mehrten sich die Anzeichen für ein wachsendes Zerwürfnis innerhalb dieser Allianz für Chile, wie das Bündnis offiziell heißt. Prof. Varas:

    "Die Koalition befindet sich in einer tiefen Krise. Es gibt große Rivalitäten zwischen beiden Parteien. Und selbst in der Renovación Nacional sind Risse zu erkennen und zwar zwischen ihrer konservativen Führung und dem liberaleren Präsidentenflügel. Die Regierung ist in sich zerstritten und hat sich angesichts der Forderungen und Demonstrationen des letzten Jahres als unfähig erwiesen, angemessene Lösungen zu finden oder gar die Krise vorauszusehen."

    An zwei innenpolitischen Themen hat sich der Konflikt entzündet: an einer dringend notwendigen Steuerreform und vor allem an der Veränderung des Wahlgesetzes. Gegen beide Vorhaben sperrt sich die UDI, die extreme Rechte.

    "Die Regierung muss sich entscheiden, ob sie mit der Allianz oder mit der Concertación regieren will."

    Mit diesen Worten wandte sich Mitte Januar Jovino Novoa, einer der führenden Köpfe der UDI, an Piñera. Denn die Parteivorsitzenden der moderateren Renovación Nacional und der oppositionellen Christdemokraten hatten Verhandlungen über die Beseitigung des autoritären Wahlsystems aufgenommen. Es ist ein Erbe der Diktatur und hat unter anderem verhindert, dass neue, kleinere Parteien oder unabhängige Kandidaten ins Parlament gewählt werden können. Außerdem hat es zu einer Erstarrung des politischen Systems geführt. Der Präsident begann – unter dem Druck der öffentlichen Debatte im letzten Jahr – über Modifikationen nachzudenken. Dazu braucht er jedoch die Opposition. Mitte Januar unterzeichneten die beiden Vorsitzenden ein fünfseitiges Dokument.

    Ein neues politisches System für Chile - wird darin gefordert. Die überstarke Position des Präsidenten soll abgelöst werden durch ein halbpräsidentiales System mit einem Staatspräsidenten und einem Ministerpräsidenten.

    Der Staatspräsident wird direkt vom Volk gewählt und hat ausschließlich Funktionen der internationalen Beziehungen, der Verteidigung und der Vermittlung in Konfliktfällen.

    Der Ministerpräsident wird vom Staatspräsidenten ernannt. Das Parlament muss diese Wahl mehrheitlich bestätigen. Außerdem soll das auf zwei Parteien zugeschnittene, binominale Wahlsystem durch ein "moderat repräsentatives" ersetzt werden. Wird das Projekt jemals verwirklicht, wäre dies ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur weiteren Demokratisierung Chiles. Ignacio Walker, Vorsitzender der Christdemokraten:

    "Solange es keine Einigkeit zwischen den politischen Koalitionen gab, konnte es auch keine Veränderung des binominalen Wahlsystems geben. Herr Präsident, jetzt gibt es eine erste Übereinkunft zwischen den Christdemokraten und der Renovación Nacional. Was brauchen Sie noch für ihre Entscheidung?"

    Sebastián Piñera benötigt vor allem Einigkeit in seiner Regierungsallianz, und die dürfte nicht leicht zu schaffen sein. Denn die UDI, die ehemalige Pinochet-Partei, hat bereits in der Vergangenheit jede demokratische Erneuerung Chiles abgeblockt, denn es geht um eine ihre Grundüberzeugungen: um den "rechten" Begriff von Demokratie. Andrés Chadwick, Regierungssprecher und UDI-Mitglied, wiegelte deshalb ab:

    "Das ist bloß eine Wunschvorstellung. Deshalb piano, piano, denn es war 20 Jahre lang unmöglich, dass sich die verschiedenen politischen Sektoren auf einen Ersatz des binominalen Systems einigten."

    Die chilenische Regierung steht aber noch vor anderen Herausforderungen in diesem Jahr. 2011 demonstrierten acht Monate lang Oberschüler und Studenten für ein Bildungswesen, kostenlos und frei von Gewinnsucht. Seit der Diktatur war es immer stärker "dereguliert", das heißt privatisiert worden mit fatalen Folgen für die Qualität. Bildung wurde für Unternehmer zum spekulativen Geschäft. Dagegen wehrten sich in landesweiten Protesten die Jugendlichen. An ihrer Spitze stand damals eine Studentin der Geographie, Camila Vallejo, das Medienereignis der Bewegung:

    "Wir müssen in der kostenlosen Bildung vorankommen, denn sie ist in Chile durchaus möglich. Es ist absurd, uns zu sagen, das ginge nicht, denn die Mittel sind vorhanden. Aber dazu bedarf es wichtiger Veränderungen, einer Umverteilung der Mittel, einer Steuerreform. Der Kern des Problems sind die hohen Gebühren, vor allem auch im öffentlichen Bildungswesen. Seit den 80er-Jahren müssen sich die Hochschulen selbst finanzieren, denn der Staat zog sich zurück. Also mussten sie auf dem Markt neue Möglichkeiten der Finanzierung suchen und fanden sie bei den Angehörigen der Studenten und der pausenlosen Erhöhung der Gebühren. Das wollen wir beenden, denn es ist unerträglich."

    Erstes Ziel der Bewegung ist jedoch die Entkommerzialisierung des Bildungswesens. Dabei wird sie wissenschaftlich flankiert, beispielsweise von der unabhängigen Stiftung Erziehung 2020. Mario Waissbluth, ihr Vorsitzender:

    "Dieses deregulierte Modell fand nicht etwa in der Schulbildung seinen höchsten Ausdruck: Dort sind die Auswirkungen gravierend genug, denn jährlich verlassen etwa 100.000 Schüler die Hauptschulen und sind nicht in der Lage zu verstehen, was sie lesen. Die Hochschulen sind heute der am stärksten deregulierte Bereich in der chilenischen Wirtschaft. Dutzende von privaten Universitäten, Akademien und Technischen Hochschulen wurden aus dem Boden gestampft. Einige von ihnen weisen einen nicht mehr zu tolerierenden Mangel an Qualität auf. Eine Zulassungskontrolle gibt es ebenso wenig."

    Und eine Kontrolle dieser Ausbildungsstätten existiert auch nur auf freiwilliger Basis. Bei einem so großen Angebot müssten nach den üblichen Marktgesetzen die Preise sinken und die Qualität steigen. Nicht so in Chile. Prof. Waissbluth:

    "Die Qualität ist wirklich erschreckend gering, und die Preise sind etwa doppelt so hoch, wie sie sein dürften. Wir haben hier Studiengebühren, die denen in den USA entsprechen. Die Einkünfte sind bei uns jedoch nur halb so hoch, und oft liegen sie nur bei einem Drittel der dortigen. Diese Situation hat sich im letzten Jahrzehnt zugespitzt, als die Concertación regierte. Sie versuchte zwar, vorsichtige Modifikationen durchzusetzen, stieß aber auf die entschiedene Opposition der Rechten."

    Denn Renovación Nacional und UDI sind stolz auf die Vielzahl von Studienmöglichkeiten, die das neoliberale Modell ermöglicht. Luis Larraín von der rechten Stiftung Freiheit und Entwicklung lobte den "Zuwachs an Studenten" von 300.000 auf eine Million innerhalb eines Jahrzehnts und ihre Herkunft "aus den ärmsten Schichten": 70 Prozent dieser Jugendlichen kämen aus Familien, deren Eltern nie eine Hochschule besucht hätten. Für Prof. Waissbluth ist dies jedoch kein Anlass zur Freude:

    "Von dieser einen Million Jugendlicher brechen – statistisch gesehen – 40 Prozent das Studium überschuldet ab, das heißt, ihnen geht es schlechter als zuvor. 30 Prozent beenden die Universität mit einem prekären Abschluss oder einer völlig abwegigen Ausbildung, die keinem Bedarf auf dem Markt entspricht. Dafür haben auch sie Schulden. Lediglich 30 Prozent – so viel wie vor zehn Jahren – machen den gewünschten Abschluss und können ihre Schulden bezahlen."

    Daraus ergibt sich ein explosives Potenzial von Hunderttausenden sogenannten Empörter oder Betrogener, aber nicht nur aus den ärmeren Schichten der Bevölkerung. Zu ihnen sind im letzten Jahr viele Bürger aus anderen Teilen der Gesellschaft gestoßen und haben sich mit ihnen vereint zu den größten Massendemonstrationen seit dem Ende der Diktatur. Denn das kommerzialisierte Bildungswesen mit seinen desaströsen Folgen steht exemplarisch für das gesamte chilenische Modell. Prof. Tironi:

    "Wer das Thema der Hochschulbildung aufgreift, der trifft den Nerv unseres Modells. Denn dieses Land hat vor langer Zeit alles abgeschüttelt, was man als Grundrechte einer sozialen Marktwirtschaft, einer gewissen sozialen Gleichheit bezeichnen könnte. Deshalb geht die Studentenbewegung weit über die spezifische Forderung nach kostenloser Bildung hinaus. Sie stellt die Grundlage unserer sozialen Ordnung infrage."