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Unermüdlich für die Aussöhnung

Er gilt als die Galionsfigur der Friedensbewegung in Israel: der Publizist und Politiker Uri Avnery. In jungen Jahren kämpfte er gegen die Briten für einen unabhängigen jüdischen Staat, später für ein "Israel ohne Zionismus" und den Frieden mit den Palästinensern.

Von Wolfgang Stenke |
    "Ja, ich heiße Uri Avnery."

    Unter diesem Namen kennt man ihn: als Publizisten, Parlamentarier, Kämpfer für die Verständigung mit den Palästinensern. Deshalb ist Avnery in Israel umstritten, international aber wurde und wird er geehrt, unter anderem mit dem alternativen Friedensnobelpreis.

    "Ich hieß nicht immer so. Ich bin als Helmut Ostermann in Beckum im September 1923 geboren."

    Und zwar am 10. September 1923. Seine Eltern - sie kamen aus dem wohlhabenden jüdischen Bürgertum - zogen schon bald nach Hannover. Im Gymnasium, das er nur kurz besuchen konnte, saß Rudolf Augstein neben ihm auf der Schulbank. Bis 1933.

    "Mein Vater hat vom ersten Augenblick erkannt, was für eine Gefahr jetzt für die Juden aufkommt."

    Die Ostermanns entschlossen sich zur Emigration nach Palästina. Ihre Verwandtschaft ignorierte die Bedrohung durch die Nationalsozialisten.

    "In Hannover gibt es ein Mahnmal mit den Namen aller Hannoveraner, die im Holocaust umgekommen sind. Und da stehen alle meine Verwandten drauf."

    Die Emigrantenfamilie siedelte sich in Tel Aviv an.

    "Einen Tag nach meinem 18. Geburtstag habe ich einen hebräischen Namen angenommen, nämlich Uri Avnery. Uri hat was mit Licht zu tun. Und Avnery mit Avner, Abner auf Deutsch, der Feldherr von König David. Eine der sympathischen Figuren in der Bibel."

    Da der Vater in Palästina die Reste seines Vermögens verlor, suchte Avnery nach der Schule Arbeit als Gehilfe eines Rechtsanwalts. Die häufigen Botengänge durch Tel Aviv und Jaffa machten ihn für die jüdische Untergrundorganisation "Irgun" zum idealen Kurier im Kampf gegen die britische Mandatsherrschaft.

    "Ich bin sehr oft auf der Straße herumspaziert mit einer Pistole unter dem Arm, eingewickelt wie ein Buch zwischen zwei anderen Büchern, und an englischen Polizisten vorbeigegangen. War sehr stolz darauf, denn darauf stand die Todesstrafe."

    1942 verließ Avnery die "Irgun". Als "Kinderkrankheit der hebräischen Revolution" kritisierte er ihren Terror. Seit dem ersten arabisch-israelischen Krieg 1948, in dem der Elitesoldat Avnery durch einen Bauchschuss schwer verwundet wurde, tritt er für Gewaltlosigkeit als politisches Ideal und als Methode ein.

    "Im Feldlazarett bin ich endlich wirklich anti-Gewalt geworden, mehr als gewaltlos, gegen die Gewalt. Und seitdem habe ich immer irgendwie das Gefühl gehabt, dass das Leben mir geschenkt worden ist. Und dass es nicht vergeudet werden darf und dass nichts wichtiger ist als Frieden zwischen diesen beiden Völkern herzustellen."

    Der Verständigung mit den Palästinensern widmete Avnery sich als Journalist. Er gründete 1950 ein Nachrichtenmagazin, das schnell zur Stimme der Opposition gegen die Regierung Ben Gurion wurde. Die Kritik zielte unter anderem auf die Diskriminierung der arabischen Bevölkerung. – Uri Avnery in seinem Buch "Mein Freund, der Feind":

    "Arabische Bürger, von denen (...) rund 200.000 in Israel verblieben waren, wurden einem Militärregime unterworfen, daß sie ihrer Bürgerrechte beraubte. (...) Für mich stand außer Zweifel, daß wir nicht nur das Flüchtlingselend verewigten, sondern auch einen endlosen (...) Krieg zwischen Israel und der arabischen Welt in Gang setzten."

    Avnery forderte die Säkularisierung des Staates und die Eindämmung des Einflusses orthodoxer Kräfte. 1965 bekam er als Abgeordneter der Partei Haolam Haseh erstmals einen Sitz in der Knesset – ein unbequemer Politiker, zweimal angegriffen von rechtsradikalen Attentätern. Berühmt wurde Avnery durch sein Treffen mit dem Palästinenserchef Jassir Arafat in Beirut, mitten im Libanonkrieg des Jahres 1982.

    "Ariel Scharon, der damals der Oberkommandeur war, hätte ihn umgebracht, wenn er ihn irgendwie gefasst hätte. (...) Und wir sprachen, ich habe das (...) veröffentlicht, wir sprachen über: 'Wie kann man einen Frieden mit Israel herstellen?'"

    Der israelische Generalstaatsanwalt wollte den Journalisten danach wegen Hochverrats anklagen. Avnery aber verfolgte weiter die Linie der Verständigung mit den Palästinensern auf der Basis einer Zweistaatenlösung. Dabei ist der unermüdliche Friedensaktivist geblieben, trotz zahlloser Anfeindungen durch die israelische Rechte. Noch heute kommentiert Avnery die aktuelle Politik regelmäßig in der liberalen Tageszeitung "Haaretz".

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