"Biete Flüchtlingsheim in bester Wohnlage, fünf Minuten Fußweg zur Außenalster, sehr ruhig gelegen, Harvestehude / Sophienterrasse". Dieses Angebot wollte der Hamburger Senat den in der Stadt ankommenden Flüchtlingen gerne machen. Wollte ein Zeichen setzen nicht nur in den Außenbezirken, nicht nur in sozial schwachen Gegenden, sondern in der ganzen Stadt wird Wohnraum für Flüchtlinge geschaffen. Aber drei Anwohner klagten gegen das Projekt, setzten vor dem Verwaltungsgericht einen bis heute währenden Baustopp durch. Auf einer Bürgerversammlung im September letzten Jahres polterte der in Hamburg altbekannte Polit-Querulant Markus Wegner:
"Dieses mit 220 bis 240 Leuten auf einem Dutt, mit unterschiedlicher Ausprägung, wird dort zu einem Horrorhaus werden. Da werden Feste gefeiert - kulturell -, da kommen Besucher, da sitzt man auf der Straße. Dann taucht dort die Vollverschleierung auf."
Und eine ältere Dame brachte ihre Bedenken so auf den Punkt:
"Jetzt setzen sie uns hier Asylanten vor die Tür. Und wir haben drei Millionen für die Wohnung bezahlt. Da ist ja nur noch die Hälfte wert."
Millionäre gegen Migranten? Dieses Bild zeichneten viele Berichte von den Villenbewohnern im feinen Harvestehude. Tatsächlich geht die Mehrheit in dem gediegenen Stadtteil aber sehr viel entspannter mit den Plänen für Flüchtlingsheim in ihrer Nachbarschaft um:
"Ich finde das völlig in Ordnung, dass auch in Harvestehude Asylanten und Flüchtlinge untergebracht werden, weil das im Prinzip auch in so einem Stadtstaat wir Hamburg möglichst gleichmäßig auf die Stadtteile verteilt werden sollte!"
"Ich glaube, die Meisten haben nichts dagegen. Warum soll man Flüchtlingen nicht helfen?"
Damit es endlich vorangeht in mit dem Flüchtlingsheim in Harvestehude, wird nun der Bebauungsplan für das Viertel verändert. Bisher gilt der Plan aus den 50er Jahren, der das das Viertel als „besonders geschütztes" Wohnquartier kennzeichnet. Und dort dürfe, so urteilte das Hamburger Oberverwaltungsgericht im Januar, kein Flüchtlingsheim gebaut werden. Thorsten Sevecke ist der zuständige Bezirksamtsleiter. Und er hält es für eine gute Idee, nun den Bebauungsplan zu ändern:
"Der Kern der Sache ist: Eine Flüchtlingsunterbringung, die wir an der Sophienterrasse 1 und 1a geplant haben, soll mit 220 Flüchtlingen belegt werden. Das alte Baurecht, der Baustufenplan aus den 50er Jahren, passt da nicht mehr – das haben uns die Gerichte sehr deutlich ins Stammbuch geschrieben. Nun geht es darum, modernes Planrecht zu schaffen, das es zulässt, das auch in diesem „besonders geschützten Wohngebiet", wie es nach der alten Diktion heißt, Flüchtlinge in der großen Zahl untergebracht werden können."
Dass einige Anwohner gegen das Wohnprojekt geklagt haben, sieht Thorsten Sevecke gelassen. Das sei schließlich ihr gutes Recht. So wie es das gute Recht des Bezirks ist, den Bebauungsplan zu ändern.
"Das ist kein Durchdrücken einer Idee. Sondern wir müssen die heutigen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auch im Planrecht umsetzen. Deswegen schaffen wir neues modernes Planrecht."
Und dieses Planrecht wird dann, ergänzt der Bezirksamtsleiter, auch für die insgesamt 38 Gewerbebetriebe im Planbereich "Harvestehude 15" eine legale Grundlage schaffen. Diese Gewerbenutzung verstößt wie das Flüchtlingsheim nämlich gegen die Nutzungsauflagen für das Viertel. Dagegen hatte aber bislang niemand geklagt. Hendrikje Blandow-Schlegel, die erste Vorsitzende des Vereins "Flüchtlingshilfe Harvestehude", ist froh, dass der Bauausschuss des Bezirks jetzt den ersten Schritt zur Bauplanänderung gemacht hat. Die Hamburger Rechtsanwältin hat zusammen mit Gleichgesinnten schon im letzten Jahr die private Unterstützergruppe für die Flüchtlinge im Nobelviertel ins Leben gerufen. Über 100 Mitglieder hat der Verein, über 200 Unterstützer. Dass es, wenn die Flüchtlinge denn endlich eingezogen sind, Probleme mit der Nachbarschaft geben könnte, ja, das könnte sein:
"Darauf haben wir keinen Anspruch, auf konfliktfreies Zusammenleben. Das ist dann auch im Nachbarschaftsrecht geregelt. Und wenn es wirklich zu anderen, hoch konfliktreichen Situationen kommt, dann gibt es Werkzeuge dafür. Menschen, Stellen, an die man sich wenden kann. Und die sollen dann auch in Anspruch genommen werden. Das soll man nicht wegreden."
Aber gerade um solche Situation zu vermeiden, um den Flüchtlingen einen guten Start in Hamburg zu ermöglichen, ihnen Hilfestellungen zu geben, dafür gibt es die "Flüchtlingshilfe Harvestehude". – Das Viertel wird seinen Charme bewahren, auch mit 220 Flüchtlingen inmitten weiß getünchter Villen, da ist sie sich sicher. Und vielleicht wird der Stadtteil sogar gewinnen, erklären die ganz jungen Harvestehuder, ein paar Gymnasiasten auf dem Schulweg:
"Ich finde es eigentlich nicht schlecht. Denn dann werden auch die etwas Ärmeren, die nicht so eine Kultur, so einen Wohlstand haben wie die Leute hier, wo das auf dieser Ecke so ist, dass die ein bisschen gemischt werden. Ist ja vielleicht auch gut für die hier."
Aber bis es soweit ist, wird noch – mindestens - ein Jahr vergehen. Erst müssen noch die Gerichte über die Klagen gegen das Flüchtlingsheim entscheiden. Erst muss noch der Bebauungsplan geändert werden. Dann erst wird Harvestehude so bunt, wie die einen hoffen und einige wenige fürchten.