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Unerwünschter Einwanderer: Der Japankäfer
"Schäden sind erheblich, weil viele Nutzpflanzenarten befallen werden"

Der Japankäfer hat schon in Ländern wie den USA und Italien große Schäden angerichtet. Jetzt wurde er an der Grenze zu Deutschland gesichtet. Im Kampf gegen die Verbreitung des Käfers könne jeder mithelfen, sagte Carl Schäfer vom Bundesinstitut für Pflanzenforschung im Dlf.

Carl Schäfer im Gespräch mit Ralf Krauter |
Japankäfer (Popillia Japonica) fressen ein Physalis-Blatt
Japankäfer (Popillia Japonica) fressen ein Physalis-Blatt (imageBROpicture alliance / imageBROKER | Ivan KuzminKER)
Vergangene Woche verschickte das Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, das Julius-Kühn-Institut in Braunschweig, einen Fahndungsaufruf an die Bevölkerung. Gesucht wird der Japankäfer, ein pflanzenfressender Schädling aus Asien, der nach mehreren Sichtungen in Italien kürzlich nördlich der Alpen beobachtet wurde, in der Nähe von Basel – und damit schon sehr dicht an der deutschen Grenze. Da der Japankäfer in den USA und anderswo für immense Schäden in der Landwirtschaft gesorgt hat, setzen die Behörden nun alles daran, zu verhindern, dass er in Deutschland Fuß fassen kann.

Totalschaden bei einzelnen Kulturen

Durch die Internationalisierung des Handels würden zunehmend Schadorganismen, und das sind nicht nur Insekten, eingeschleppt, erklärt Bernhard Carl Schäfer, Leiter des Instituts für nationale und internationale Angelegenheiten für Pflanzengesundheit in Braunschweig, im Dlf. Da natürliche Feinde und Begrenzungsfaktoren fehlten, könnten sie sich immens ausbreiten. Speziell der Japankäfer fresse eine Vielzahl von Pflanzen an, die Nahrungsgrundlage sind. Und der Käfer habe ein sehr hohes Vermehrungspotential und könne deshalb große Schäden verursachen. Das könne bis zum Totalschaden bei einzelnen Kulturen gehen.

Bürger zur Mithilfe verpflichtet

Man könn zwar durchaus etwas gegen den Käfer machen, aber das Risiko, dass er sich hier etabliere, sei sehr hoch. Denn der Käfer finde bei uns gute Bedingungen, um sich festsetzen zu können. Ein ganz wichtiges Instrument sei jetzt, dass die Bevölkerung aufmerksam mithelfe und schaue, ob sie irgendwo diese Käfer entdeckt. Das seit 2019 geltende neue EU-Pflanzengesundheitsrecht fordere die Bürger nicht nur auf, sondern verpflichte sie sogar dazu, entsprechende Hinweise zu geben. Ansprechpartner seien in den Bundesländern die jeweiligen Pflanzenschutzdienste. Der Japankäfer gehöre immerhin zu den sogenannten prioritären Schadorganismen, von denen es aktuell 20 gebe. Das sind Schädlinge, die potentiell die höchsten wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Folgen bei einer Einschleppung mit sich bringen.

Das Interview in voller Länge:

Ralf Krauter: Wie sieht er aus, der Japankäfer, der Sie und andere Experten in Alarmbereitschaft versetzt?
Carl Schäfer: Der Käfer ist an sich ein sehr hübscher Käfer, er ähnelt sehr stark unserem heimischen Gartenlaubkäfer, aber er bringt leider Eigenschaften mit, die wir nicht so gerne hier haben. Der Käfer hat ein goldgrün schimmerndes Halsschild, braune Flügeldecken und – ganz charakteristisch, da unterscheidet er sich dann auch von den heimischen Käferarten – an den Seiten fünf weiße Punkte und am Abdomen, also am Hinterteil noch mal zwei größere weiße Punkte, an denen man ihn sehr gut erkennen kann, wo er sich auch von anderen Käfern unterscheidet.

"Durch die Internationalisierung des Handels mehr Schadorganismen"

Krauter: Er ist eigentlich ein ganz hübsches Tier, ich habe mir die Fotos angeschaut, kann bis zu einem Zentimeter groß werden, habe ich gesehen. Warum ist es denn so wichtig, den Vormarsch dieser Käfer nach Deutschland, in Deutschland zu stoppen?
Schäfer: Vielleicht sollte man sagen, dass es ja nicht der einzige Schadorganismus ist, mit dem wir Probleme bekommen können. Wir haben durch die Internationalisierung des Handels zunehmend Schadorganismen, das sind nicht nur Insekten, auch einige andere, die bei uns eingeschleppt werden können, die hier nicht auf natürlich Feinde und Begrenzungsfaktoren treffen und sich von daher immens ausbreiten können. Speziell im Falle des Japankäfers haben wir den Fall, dass hier eine Vielzahl von Pflanzen angefressen wird, die Nahrungsgrundlage sind über 300 Arten, das sind viele wichtige Nutzpflanzen bei uns mit dabei. Und der Käfer hat halt ein sehr hohes Vermehrungspotential und kann über diesen Weg noch viele Schäden verursachen. Das ist das, was wir aufgrund einer Einschleppung nach Nordamerika wissen, dass er sich da eben sehr stark ausgebreitet hat. Und wir haben ihn leider inzwischen auch in Europa, das heißt in Italien insbesondere, dort sehen wir, dass da ähnliche Schäden entstehen können.
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Krauter: Sind das die Käfer selbst oder ihre Larven, die den Pflanzenfraß dann verursachen, der für massive ökonomische Schäden sorgen kann?
Schäfer: Sowohl als auch. Das heißt, die Larven, die unseren Engerlingen, die wir von Maikäfern und ähnlichen Käfern her kennen, sehr ähnlich sehen, sitzen – auch ähnlich wie unsere heimischen Arten – im Boden, die können also an Grasnarben erhebliche Schäden ausüben, weil sie dann Wurzelfraß durchführen. Und die Käfer selber, das ist eine Besonderheit, treten oft massiert in größeren Gruppen auf und führen dann zu einem Skelettierfraß, das heißt, da bleiben an den befallenen Pflanzen nur die Blattadern stehen.

"Das kann bis zum Totalschaden bei einzelnen Kulturen führen"

Krauter: Mit welchen ökonomischen Schäden wäre denn zu rechnen, wenn sich diese Japankäfer in Deutschland flächig ausbreiten könnte, gibt es da Hochrechnungen?
Schäfer: Da jetzt konkrete Zahlen zu nennen, bin ich nicht in der Lage. Aber die Schäden sind dort, wo der Käfer eingeschleppt worden ist, erheblich, weil diese Polyphagie vorliegt, weil so viele verschiedene Nutzpflanzenarten befallen werden. Das kann bis zum Totalschaden bei einzelnen Kulturen führen.
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Krauter: Jetzt wurde der Japankäfer 2014 in die Lombardei eingeschleppt, 2017 wurde er in Tessin gesichtet und jetzt eben in der Schweiz, also schon an der deutschen Grenze. Was können wir jetzt tun, um den Vormarsch dieser Tiere zu stoppen?
Schäfer: Zunächst mal kann man vielleicht ein ganz klein wenig beruhigen, dass man sagt, es hat auch schon Fälle in Deutschland gegeben, die erfolgreich getilgt worden sind, wir haben in den 60er-Jahren eine Einschleppung in den Frankfurter Flughafen gehabt, da hat man dann mit Lockstoff-Fallen, Käfer reagieren auf Pheromone, es geschafft, dass hier keine feste Etablierung stattgefunden hat. Man hatte Einzelfunde auch vor nicht allzu langer Zeit schon mal gehabt. Das heißt also, man kann durchaus etwas dagegen machen, allerdings ist das Risiko, dass hier tatsächlich eine Etablierung stattfinden kann, sehr hoch, denn der Käfer findet bei uns gute Bedingungen, um sich festsetzen zu können. Die Vorgehensweise sieht natürlich so aus, dass zum einen hier ein Monitoring, eine Erhebung stattfindet, indem man in den angrenzenden Gebieten zur bekannten Befallsregion entsprechende Pheromon-Fallen aufhängt und damit hofft, dass man frühzeitig eine Einwanderung erkennt und dann auch dagegen vorgehen kann. Hier gibt es also biologische Gegenmaßnahmen, indem man zum Beispiel mit Nematoden etwas macht, man kann mechanische Gegenmaßnahmen gegen die Larven insbesondere im Wurzelbereich starten, mit Motorfräsen Arbeiten durchführen. Und natürlich gibt es auch synthetische Pflanzenschutzmittel, mit denen man hier sehr wirkungsvoll die Käfer erfassen kann, allerdings muss man eben den Befall auch lokalisieren. Und da ist ein ganz wichtiges Instrument, dass die Bevölkerung aufmerksam mithilft und schaut, ob sie irgendwo diese Käfer entdeckt.

"Käfer einzusammeln ist gut, konservieren, zur Not auch einfrieren"

Krauter: Was sollte man tun, wenn man so einen Käfer entdeckt?
Schäfer: Wir bieten auf unserer Webseite einen Link, wo Ansprechpartner aufgeführt sind. Das sind in den jeweiligen Bundesländern die jeweiligen Pflanzenschutzdienste. Und konkret auf dieser Webseite finden Sie unter Ansprechpartnern tatsächlich auch die Personen, die Sie direkt ansprechen können.
Krauter: Sollte man die Käfer dann einsammeln und zu Ihnen schicken?
Schäfer: Die Käfer einzusammeln ist gut, wenn man das kann, dann konservieren, zur Not auch einfrieren oder eben in einem Gleisröhrchen unter Alkohol. Dann nicht unbedingt zu uns schicken, sondern da wäre tatsächlich auch der jeweilige Pflanzenschutzdienst der Ansprechpartner, man kann aber durchaus gerne den Kontakt zu uns suchen.
Krauter: Die EU hatte den Japankäfer schon vor einiger Zeit als Quarantäne-Schadorganismus eingestuft. Auf einer Skala von eins bis zehn, wenn zehn sozusagen die schlimmste Bedrohung wäre, wo würden Sie diesen Japankäfer einstufen?
Schäfer: Der ist schon sehr hoch eingestuft, ich möchte mich jetzt nicht auf eine Zahl festlegen, aber wir haben ja sogenannte prioritäre Schadorganismen, das sind um die 20, die wir da aktuell haben. Da zählt der Japankäfer zu. Das sind solche Schädlinge, die potentiell die höchsten wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Folgen bei einer Einschleppung mit sich bringen. Und die Tatsache, dass der Käfer in dieser Liste drinsteht, zeigt, dass wir dem ein sehr, sehr hohes Gewicht beimessen.
Krauter: Das heißt, wir sind jetzt alle gefordert, Ihnen dabei zu helfen, den Vormarsch einzudämmen.
Schäfer: Ja, man kann sogar noch weitergehen und sagen, wir haben seit 2019 ein neues EU-Pflanzengesundheitsrecht. Sie sind nicht nur gefordert, sondern Sie sind sogar verpflichtet, entsprechende Hinweise zu geben. Das heißt, jeder, der hier den Verdacht hat, sollte wirklich aktiv werden, das ist im Prinzip gesetzlich so geregelt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.