Mit einem Videoclip wirbt die UNESCO für die Reihe rund um die "Islamische Kultur". Ein Bilderreigen, der religiöse Baudenkmäler zeigt, historische astronomische Instrumente, Miniaturen aus der Blütezeit des Islam. Die Sammlung sei ein einmaliges Werkzeug zum interkulturellen und interreligiösen Dialog, heißt es im Werbeclip.
Eine Botschaft, die auch Irina Bokova, Generaldirektorin der UN-Einrichtung für Bildung und Erziehung, bei der feierlichen Präsentation der letzten beiden Bände in der UNESCO unterstrich. Diese Buchreihe schreibe sich ganz in das Mandat ihres Hauses ein: der des Brückenbaus zwischen den Völkern und den Menschen.
"Dieser Ehrgeiz ist heute dringlicher denn je", sagt Bokova. "Die Mission der UNESCO besteht darin, Werkzeuge zu liefern, Wegmarken, Wissen, damit die Menschen einander besser kennen, besser verstehen. Um Lügen, Verwechslungen und Vorurteile auszuschalten, die auf Ignoranz beruhen und die zu häufig zur Abschottung und zu Hass führen."
Fundierte Kenntnisse der islamischen Kultur will die Reihe vermitteln, pro Band ein Thema. Da geht es um die Grundfeste des Glaubens und die religiöse Botschaft. Um den Platz des Individuums in der muslimischen Gesellschaft. Um die Entwicklung von Wissenschaft und Technologie auf islamischem Boden. Um Erziehungsfragen sowie um kulturelle, künstlerische und spirituelle Ausdrucksformen. Und um den Islam in der heutigen Welt.
Wert gelegt wurde auf eine pluralistische Darstellung. Kontroversen waren alltäglich, sagt Ali Moussa Iye, bei der UNESCO für die Publikation zuständig:
"Schon beim ersten Band, zu den Wurzeln des Islam, brachen wilde Diskussionen aus, es gab viele Probleme. Eigentlich hätte dieser Band als erster veröffentlicht werden sollen. Er kam als letzter heraus, 40 Jahre nach Projektstart. Ein Beispiel: der wissenschaftliche Beirat stimmte gegen drei Viertel der anfangs gelieferten Beiträge. Mancher Autor verweigerte, seinen Text zu überarbeiten, da mussten andere Experten gefunden werden."
Vorstellung vom monolithischen Islam ist ein Zerrbild
Denn dieses Werk fußt, wie andere historische Abrisse auf einem wissenschaftlichen Konsens. Eine Herausforderung angesichts der Tatsache, dass Muslime heute rund um den Globus zu finden sind: Ihre Zahl wird auf rund 1,6 Milliarden geschätzt. Und sie frönen unterschiedlichen Glaubensauslegungen. Die gängige Vorstellung vom monolithischen Islam bezeichnet Ali Moussa Iye als Zerrbild:
"Es ist unglaublich, dass man dem Islam heute einen seiner größten Erfolge vorwirft: dass er sich an unterschiedliche Völker und Kulturen anpassen konnte. Hätte der Islam dies nicht vermocht, hätte er sich nie so ausbreiten können. Denn anders als hier und dort behauptet wird, wurde der Islam nicht mit dem Schwert verbreitet. Sondern über die Handelsrouten. Die Völker bekannten sich zum Islam, weil er sie nicht zwang, ihre Kultur, ihre Lebensweise zu ändern. Er bereicherte sie. Heute aber wird dem Islam genau diese Anpassungsfähigkeit vorgeworfen, das ist doch ein Paradox."
Aktiv unterstützt wird die Buchreihe unter anderem von der "Organisation für islamische Zusammenarbeit". Deren Vertreterin Salima Dalibey sagte in der UNESCO:
"Diversität ist uns ein wichtiges Schlagwort - unsere muslimische Welt ist ungemein vielfältig. Und dazu stehen wir voll und ganz und voller Stolz."
Blütezeiten und Wunden der islamischen Welt
Auf den 8.000 Seiten der Kollektion geht es um ein Jahrtausend islamischer Kultur, wird an frühere Blütezeiten erinnert. Dazu gehört, dass Araber Schriften aus dem antiken Griechenland übersetzten und somit dieses Wissen für die Nachwelt retteten. Im 9. Jahrhundert unserer Zeitrechnung schon, am Hof der Abessiden in Bagdad, beschäftigte man sich intensiv mit dem Thema "Humanismus und Religion", sagte Mahmoud Hussein in der UNESCO. Hinter dem Namen Mahmoud Hussein verbergen sich zwei französische Schriftsteller ägyptischer Abstammung, renommierte arabische Intellektuelle: Baghat Einadi und Adel Rifaat.
"Der Islam war damals ein immenses Reich mit unzähligen Bevölkerungsgruppen unterschiedlicher Kultur und Religion. Die Hauptstadt Bagdad zählte eine Million Einwohner, in Rom lebten damals 30.000 Menschen, in Lutetia, dem späteren Paris, nicht mal 10.000."
Doch es geht in der Werkreihe nicht nur um die apologische Darstellung der islamischen Kultur, sondern auch um die Wunden der muslimischen Welt - Verletzungen von außen wie die Kolonialisierung, wie die heutige Globalisierung sowie eigene Versäumnisse. Zu muslimischer Selbstkritik ruft Kalthoum Saafi auf - die Tunesierin, Professorin für politische Soziologie an der Pariser Sorbonne, war als Islam-Expertin zur UNESCO-Präsentation geladen.
"Die große Masse der Muslime ist heute vom universellen Wissen abgeschnitten. Laut dem letzten Entwicklungsbericht der Vereinten Nationen von 2003 wird in der arabischen Welt pro Jahr und pro Million Einwohner ein ausländisches Buch übersetzt. Zum Vergleich: in Ungarn sind es 519 Werke, in Spanien 920. Und ich rede noch nicht mal von Frankreich oder den Vereinigten Staaten."
Werkzeug und Diskussionsgrundlage
Nun sucht die UN-Institution nach Mitteln, das Werk bestmöglich zu verbreiten, im Osten wie im Westen. Als Werkzeug bei der weltweiten Diskussion zum Thema Islam.
Ghaleb Bencheikh jedenfalls wird dafür Werbung machen, in seinen allwöchentlichen Islam-Sendungen, je eine Stunde Programm im öffentlichen französischen Radio und im Fernsehen. Bencheikh, Physiker und Theologe, möchte dazu beitragen, den Islam aus der langjährigen Krise heraus zu holen:
"Bildung, Wissenserwerb, Kultur, die Öffnung hin zur Welt, die Wissenschaften, ästhetische Werte wie Schönheit, schöne Künste, Musik, Dichtung, verbunden mit dem Respekt vor der menschlichen Würde, vor Andersdenkenden - dies alles gehört zu einer programmatischen Vision, wie der Islam aus der Krise finden könnte."
Das Projekt der UNESCO weckt die Hoffnung, dass die Gegenwart wieder so vielfältig werde, wie es die Vergangenheit war.