Rund die Hälfte der Flüchtlinge und Migranten weltweit sind Kinder und Jugendliche. Wer sie in die Gesellschaft integrieren will, muss sie lernen lassen. Aber das gelingt in vielen Ländern nur schlecht oder gar nicht. Zu diesem Ergebnis kommt die UNESCO in ihrem diesjährigen Weltbildungsbericht, der heute in Berlin vorgestellt wurde. Besonders dramatisch sei die Situation für Kinder aus Flüchtlingsfamilien, sagte Maria Böhmer, Präsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission.
"Vier Millionen junge Flüchtlinge im Alter von 5-17 Jahren besuchen überhaupt keine Schule. Das muss zu einem Aufschrei führen, heute, am Tag der Kinderrechte. Jedes Kind hat ein Recht auf Bildung."
Hochgerechnet hätten Kinder und Jugendliche, die auf der Flucht sind, in den vergangenen zwei Jahren durch mangelndes Bildungsangebot rund 1,5 Milliarden Schultage verpasst. Neun von zehn Flüchtlingen fliehen dem Uno-Flüchtlingshilfswerk zufolge ins Nachbarland. Und die seien häufig besonders überfordert, weil ihr Bildungssystem kaum genug Kapazität für die einheimische Bevölkerung habe.
"Flüchtlingskinder oft jahrelang ohne Bildung"
"Kinder und Jugendliche erhalten monate-, oft jahrelang überhaupt keine formelle Bildung. Und wenn sie dann endlich in den Schulen ankommen, sind ihre Lehrkräfte oftmals überfordert."
Sagte Martin Jäger, Staatssekretär im Bundesentwicklungsministerium. Das betreffe auch Studierende und Auszubildende, die ihr Studium oder ihre Ausbildung häufig nicht fortsetzen könnten - und selbst dann oft keinen Zugang zum Arbeitsmarkt fänden, weil die Anforderungen dort sich gewandelt hätten. Damit steht die berufliche und gesellschaftliche Integration von Flüchtlingen auf dem Spiel. Die Anerkennung von Bildungs- und Berufsabschlüssen immerhin ist ein Feld, in dem Deutschland herausragt. Sie ist seit 2012 gesetzlich verankert und bietet auch die Möglichkeit, dass Teile einer Ausbildung anerkannt werden. Dadurch könnten Flüchtlinge ihre Ausbildung fortzusetzen, sagte Maria Böhmer.
"Dieses Signal müssen wir auch den vielen Migrantinnen und Migranten und Flüchtlingen geben, die nach Deutschland kommen. Oft sind sie enttäuscht und sagen, unsere Fähigkeiten, unsere Kompetenzen werden hier nicht anerkannt."
Auch die Sprachvermittlung für Kinder in Kitas und Schulen ist dem Weltbildungsbericht zufolge verhältnismäßig gut in Deutschland. Die Investitionen zahlten sich aus, schreiben die Autoren des Berichts. Deutschland hat etwa für die Jahre 2016 bis 2020 800 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, damit Kinder in Kindertagesstätten Deutsch lernen können. Böhmer mahnte, dass noch mehr getan werden müsse. Mangelnde Deutschkenntnisse seien heute ein wesentliches Hindernis, um eine Ausbildung zu beginnen oder abzuschließen. Kritik übte die UNESCO an gesonderten Lehrprogrammen für Kinder von Flüchtlingen. Separater Unterricht in Deutschland, Frankreich oder Österreich, benachteilige Einwanderer und Flüchtlinge.
"Wir müssen darauf achten, dass dieses Angebot so gelingt, dass man zügig in eine Regelklasse wechselt. Denn der Kontakt mit deutschen Kindern ist ungemein wichtig, nicht nur für die Sprache, sondern auch, um dieses Land kennenzulernen und seine Sitten und Gebräuche, seine Regeln."
Mehr interkulturelle Kompetenz für Lehrer und Erzieher
Sagte Maria Böhmer. Sie verwies aber auch darauf, dass die Willkommensklassen in Deutschland wichtig seien, um Kindern erste Sprachkenntnisse zu vermitteln. Die Probleme in der Schule enden aber nicht bei Kindern von Flüchtlingen. Böhmer warnte davor, Schulen allein zu lassen, die mit der Integration von Kindern aus Einwandererfamilien zu kämpfen hätten.
"Wir haben viele hochmotivierte Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher. Aber sie stoßen zunehmend an ihre Grenzen angesichts der Heterogenität, die heute in den Klassen und in den Kindertagesstätten die Normalität darstellt. Das heißt, interkulturelle Kompetenz zu vermitteln, das muss ein festes Angebot in der Lehrerausbildung und in der Erzieherausbildung sein."
Auch dass es Mädchen, die neu ins Land kommen, schwerer falle als Jungs, in Bildung und Beruf Fuß zu fassen, müsse sich ändern.