Grüne Rasenflächen im Rheintal. Im Hintergrund die Bergkette des Odenwaldes. Das Gelände des UNESCO-Weltkulturerbe Kloster Lorsch ist nicht eben, sondern an einigen Stellen ragen mit Gras bewachsene, schnurgerade Erhebungen wie langgezogene Hügelgräber etwa einen halben Meter aus dem Boden. Sie deuten die Umrisse der alten Klosterkirche, der Wohngebäude oder des Kreuzgangs an. Hier stand die Mitte des 8. Jahrhunderts gegründete Benediktinerabtei. Der Historiker Hermann Schefers leitet die Welterbestätte Kloster Lorsch bei Bensheim in Südhessen:
"Wir haben jetzt hier wirklich die schönste Stelle erwischt, wo man wirklich sieht, wo sich die einstigen Klostergebäude befunden haben. Das ist so durch Eindrücke in den Boden markiert. Wir ahnen die Größe der Klosterkirche, die etwas erhöht über den Klausurgebäuden gestanden hat."
Verstreut im weitläufigen Grün: Einige wenige Klostergebäude, die aus dem Mittelalter noch erhalten sind. Vor allem die mit rot-weißen Kachelelementen verzierte sogenannte "Tor- oder Königshalle", eines der ältesten und bedeutendsten Baudenkmäler Deutschlands aus vorromanischer Zeit. Die großzügigen Grünflächen drumherum sind erst vor kurzem durch einen Landschaftsarchitekten angelegt worden.
"Und haben eben diesen wunderbaren Blick an den westlichen Odenwald. Das war früher stark mit Wildwuchs bedeckt, hatte auch seine Qualitäten. Aber das, was wir hier haben, ist eine etwas strengere Aussage. Man fühlt sich an einem besonderen Ort und das ist das, was wir eigentlich wollten."
Möglich wurde diese sehr gelungene Neugestaltung der Außenanlagen des Klosters Lorsch durch Finanzzuwendungen der öffentlichen Hand – speziell für Welterbestätten. Hermann Schefers:
"In Form eines Investitionsprogramm des Bundes, des Landes Hessen und der Kommune Lorsch, das uns jetzt in den letzten Jahren – genau zwischen 2009 und 2014 – ungefähr zwölf fast 13 Millionen Euro, wobei das Land noch einmal ganz erheblich drauf gelegt hat, um gewisse Dinge, die man sonst erst in fünf Jahren gemacht hätte, jetzt schon zu machen, weil zwei Baustellen hintereinander sind nicht so leicht zu verkraften."
Das Beispiel Dresden ist eine Warnung
Zu viele Baustellen in Welterbe-Arealen – die mag auch die UNESCO nicht, die das Welterbe-Label vergibt. In Deutschland ist das spätestens klar geworden, als man in Dresden entschied, die Waldschlösschen-Brücke über die Elbe zu schlagen, obwohl die UN-Kulturorganisation das nicht wollte. Die Konsequenz ist bekannt: Dresden verlor 2009 den Welterbe-Status.
Auch in Hessen gibt es immer wieder lokalen Streit um die Frage, ob das UNESCO-Label wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten behindert oder nicht.
"Ich kann ehrlicherweise manche Diskussionen über den Umgang mit dem Welterbe nicht ganz nachvollziehen. Sie werden in erster Linie negativ gesehen so im Sinne von: ‚Was darf ich denn noch machen, damit das gerade noch Welterbe bleibt‘."
... sagt Markus Harzenetter, der hessische Landesdenkmalpfleger und Welterbe-Beauftragte des Landes.
"Die richtigere Frage ist eigentlich: Wie kann ich einem als Welterbe erkannten Juwel so wenig Schaden wie möglich zufügen? Wie gehe ich so behutsam wie möglich mit dieser einmaligen kulturellen Quelle um? Und nicht die Frage: Wie lange darf ich gewissermaßen im Welterbe agieren, bevor mich die UNESCO rügt?"
Doch genauso agieren manche Bürgermeister etwa im UNESCO-Welterbe "Oberes Mittelrheintal". Sie bauen Seilbahnen oder Sommerrodelbahnen, um den Tourismus zu fördern. Und riskieren damit immer wieder Streit mit der UNESCO, die zu viele wirtschaftsfördernde Neubauten im Weltkulturerbe-Areal kritisch sieht.
Oder: Just in dem Moment, da die UNESCO die seit langem geplante Mittelrhein-Brücke in der Nähe der Loreley nicht mehr ablehnte, fordern Kommunalpolitiker den Bau weiterer Brücken über den Fluss:
"Es müssten eigentlich zwei, drei Brücken sein. Das gibt es nirgends in Europa, ich habe man nachgeschaut, wo es auf 100 Kilometer keine Brücken gibt."
... sagt etwa Uwe Bernd, Beigeordneter der Stadt Kaub am Rhein. Und Jürgen Helbing, Bürgermeister der Nachbargemeinde Lorch, will Windräder im Welterbegebiet bauen. Obwohl er weiß, dass die UNESCO sehr skeptisch ist:
"Wir sind im UNESCO-Welterbe seit 2002, das leben wir auch in Lorch. Und wir werden beweisen, dass Windenergie in Lorch nicht Welterbe-unverträglich sein wird."
"Unsere fachliche Auffassung ist, dass das Welterbe frei von Windkraft-Anlagen gehalten werden sollte."
... entgegnet Hessens Welterbebauftragter Markus Harzenetter, der von seinem Dienstsitz aus die Wirtschaftsförderungs-Aktivitäten der Kommunen immer im Blick hat. Denn die Barock-Fürstenresidenz "Schloss Biebrich" liegt am Wiesbadener Rheinufer. Das UNESCO-Weltkulturerbe "Oberes Mittelrheintal" beginnt nur wenige Kilometer rheinabwärts bei Rüdesheim und Bingen. Das Welterbe-Gebiet reicht von hier rund 80 Kilometer nach Norden über die Loreley bis nach Koblenz.
Was ist ein Outstanding Universal Value?
Wenn größere bauliche Veränderungen in einem Welterbeareal geplant werden, wird der Landesdenkmalpfleger immer gehört. Das will das Land Hessen so. Denn einen Fall wie die Dresdener Waldschlösschen-Brücke soll es in Hessen nicht geben. Markus Harzenetter:
"Wir als Landesamt für Denkmalpflege sind ausdrücklich autorisiert, von unserem Minister, Herrn Minister Rhein, als zuständigem obersten Denkmalschützer. Dass wir sehr kritisch auf alle Vorgänge achten, die den OUV – also den "outstanding universal value" – eines Welterbes tangieren könnten."
39 Kultur-Denkmäler in Deutschland haben für die UNESCO aktuell einen "outstanding universal value", also einen "außergewöhnlichen universellen Wert". Sechs von ihnen liegen in Hessen.
Auch Landesarchäologe Udo Recker wacht darüber, dass der außergewöhnliche universelle Wert der hessischen Welterbe-Stätten erhalten bleibt. Etwa beim 550 Kilometer langen obergermanisch-rätischen Limes. Die östliche Grenzbefestigung des römischen Reiches aus dem 2. Jahrhundert nach Christus verläuft von Rheinland-Pfalz über Hessen und Baden-Württemberg bis nach Bayern. Der Limes ist das größte Weltkulturerbe Deutschlands und nicht einfach zu managen, sagt Udo Recker:
"Keine einfachen Anforderungen. Aber: Wir haben, was den Limes anbelangt, uns schon im Rahmen der Antragstellung darüber Gedanken gemacht, wie man mit einem solchen Denkmal umgeht. Und es gibt für Hessen einen sogenannten Limesentwicklungsplan. Das heißt, für jeden Abschnitt des Limes gibt es eine klare Vorstellung unseres Hauses, was man dort im Sinne von "Das Denkmal erlebbar machen" machen könnte. Das reicht von den ganz einfachen Turmrekonstruktionen bis hin zum Wall oder zur Palisaden-Rekonstruktionen bis hin zur Freihaltung von Sichtachsen. Da sind wirklich den Ideen keine Grenzen gesetzt."
In die Grenzen weisen muss der hessische Landesarchäologe jedoch bisweilen Tourismusförderer der Gemeinden entlang des Limes. Wenn sie etwa den vorhandenen 900 Wachtürmen oder Resten von 120 Militärlagern entlang des länderübergreifenden Kulturdenkmals noch ein paar Türme oder nachgebaute Lager hinzufügen wollen, um damit zahlende Gäste zu locken:
"Es macht keinen Sinn, über 550 Kilometer oder auch nur über 153 hessische Kilometer Limes alles zwei Kilometer einen Turm stehen zu haben. Wir haben z.B. ein abgestuftes System, wie man so etwas erlebbar macht. Wir haben für Hessen die Saalburg als zentrale Vermittlungsebene."
Wie die römischen Legionäre aßen
Eine Schulklasse in der "Saalburg", einem nachgebauten Römerkastell am Limes. Spielerisch wird hier einiges vermittelt über das Leben der römischen Wachsoldaten um 200 nach Christus, erklärt die Archäologin Suzana Matešić:
"Hier kann man dargestellt sehen, welche Nahrungsmittel den Menschen damals zur Verfügung standen und wie sie die zubereitet haben. Wir haben in der Saalburg auch eine Taverne, wo authentisch nachgekochte Speisen auch eingenommen werden können."
Das nachgebaute Römerkastell "Saalburg" liegt auf einem dicht bewaldeten Bergplateau im Taunus, etwa 30 Kilometer nördlich von Frankfurt am Main. Von einem großzügigen Parkplatz aus fällt der Blick auf eine burgartige Anlage aus Sandsteinquadern. Die Rekonstruktion der Bauten sind dem deutschen Kaiser Wilhelm II. zu verdanken. Er hatte sich schon als Kind bei seinen Besuchen in der nahegelegenen Kurstadt Bad Homburg für die Ausgrabungsarbeiten interessiert und veranlasste schließlich um das Jahr 1900 die aufwändige Rekonstruktion des alten Römerkastells:
"Und da gibt es sehr eindrucksvolle fotografische Zeugnisse, wie Kaiser Wilhelm zu Pferde vor dem Ausgräber der Saalburg thront und empfangen wird und hier alles gezeigt bekommt."
Die Archäologin Suzana Matešić hat ihr Büro unmittelbar neben dem Teehäuschen, das vor 120 Jahren eigens für Kaiserin Victoria errichtet wurde, damit bei den Besichtigungen der Saalburg-Baustelle keine Langeweile aufkam. Suzana Matešić ist Geschäftsführerin der 14-köpfigen Deutschen Limeskommission, in der vor allem die betroffenen Bundesländer über die Entwicklung des hierzulande größten UNESCO-Welterbes wachen. Bayern ist aktuell Vorbild darin, wie man die Geschichte des Limes anschaulich vermitteln kann:
"In Bayern haben es die Kollegen bereits in Angriff genommen, eine übergeordnete Erzählstruktur für die Museen am Limes zu schaffen, um auch eine Verbindung zu schaffen und für den Besucher einen Anreiz zu schaffen, wenn man an einem Ort war, sich auch mal den nächsten anzuschauen, weil es da auch andere Inhalte zu vermitteln gibt. Das haben wir noch nicht überall am Welterbe."
Auch entlang des Limes gibt es überall immer wieder Konflikte zwischen der Denkmalpflege und den Entwicklungsinteressen der Kommunen, über deren Gemarkungen das UNESCO-Welterbe verläuft. Die Trasse des römischen Grenzwalls muss freigehalten werden. Doch genau dort wollen Gemeinden Wohngebiete oder andere Infrastrukturen errichten. Suzana Matešić von der "Deutschen Limeskommission":
"Natürlich möchte eine Gemeinde ein Neubaugebiet weiter entwickeln, wenn da jetzt ausgerechnet der Limes lang läuft, von dem vielleicht gerade in dem Bereich gar nicht viel zu sehen ist, ist es auch schwierig zu vermitteln, dass es dennoch ein schützenswertes und erhaltenswertes Denkmal ist."
Ein erhaltenswertes Denkmal - das ist auch ein ehemaliger Vulkankegel gut 60 Kilometer weiter südlich. Die sogenannte "Grube Messel" ist kein Kulturdenkmal der UNESCO, sondern war das erste "Naturdenkmal", das die UN-Organisation in Deutschland zertifizierte. Das war 1995. Damit ging ein Polit-Krimi zu Ende.
Subtropisches Klima in Hessen
Bagger schaufeln rote Erde auf die Ladeflächen von Lastwagen. Gleich neben diesem geräumigen Industrieareal mit Schlacken, die als Rohstoffe wertvoll sind, liegt die "Grube Messel" - ein Vulkankrater von mehreren hundert Metern Durchmesser. Auf dem Boden des Vulkankegels findet man heute Tierfossilien und Pflanzen, die bis zu 48 Millionen Jahre alt sind.
"Wir hatten zu dieser Zeit subtropisches Klima hier. Woran insbesondere die Krokodile erinnern, aber auch Pflanzen wie Palmenfunde und etliches Andere. Und damit sind diese Fossilien nicht nur fantastisch erhaltene Skelette, sondern es sind auch sogenannte "Klimazeugen", die auch den Wissenschaftlern Informationen liefern, die man auf den ersten Blick eigentlich nicht vermuten würde."
... sagt Marie-Luise Frey, Diplomgeologin und Geschäftsführerin des südhessischen Welterbes Grube Messel. Dass Geologen und Klimaforscher heute hier graben können, haben sie einer Bürgerinitiative zu verdanken. Ohne deren Engagement wäre die weltweit fast einmalige Fossilienfundstätte am Nordrand des Odenwaldes heute wohl kein UNESCO-Welterbe, sondern eine Mülldeponie. Die Genehmigungen für die Abfall-Wirtschaft waren vor 25 Jahren bereits erteilt, die ersten Müllwagen hatten ihre Fracht schon abgekippt. Marie-Luise Frey deutet auf einen großen Haufen länglicher Betonblöcke oben am Rand der Grube, die eindeutig nicht hier hin gehören:
"Wenn man auf der linken Seite diese graufarbenen, länglichen Stelen sieht, meinen oft die Besucher auf den ersten Blick, man hat da irgendwelche Baumstämme abgekippt. Das ist aber nicht der Fall. Das sind also tatsächlich Relikte aus früheren Tagen, wo man, kurz bevor dann glücklicherweise die Bürgerinitiative die Grube Messel gerettet hat, dieses abgekippt hat."
Der damalige hessische Umweltminister Joschka Fischer kaufte Anfang der 90er-Jahre für das Land Hessen die archäologisch wertvolle Grube am Nordrand des Odenwaldes. Wenig später wurde Messel das erste UNESCO-"Weltnaturerbe" Deutschlands. Zum Dank benannten die Archäologen ein zwei Meter langes Schlangenfossil aus der Grube nach Joschka Fischer:
"Ja, das ist die Paleophython Fischeri. Und die Kollegen hatten dieses Objekt damals neugefunden, so dass ihm dann die Ehre zu Teil wurde, dass sein Name mit in den neuen wissenschaftlichen Namen eingegangen ist."
In der sogenannten "Schatzkammer" des 2010 eröffneten Besucherzentrums des UNESCO-Weltnaturerbes Grube Messel ist dann selbstverständlich auch ein Original-Schlangenskelett zu sehen – allerdings nicht das der Fischer-Schlange selbst. Die meisten der entdeckten bedeutenden Fossilien befinden sich im Frankfurter Senckenberg-Museum oder im hessischen Landesmuseum Darmstadt.
Das Besucherzentrum der Grube Messel gehört zu einer weiteren Einrichtung, die die UNESCO zertifiziert hat: der sogenannte "UNESCO Geopark Odenwald-Bergstraße".
Gebiete mit landschaftlichen oder geologischen Besonderheiten können den Titel "UNESCO Global Geopark" beantragen. Das sind "Stätten mit besonderem Wert im internationalen Maßstab und Regionen mit einer einzigartigen Landschaft, besonderen Fossil- oder Mineralfundstellen oder bedeutenden geologischen Formationen." Der geologisch extrem alte Odenwald und die südhessische Bergstraße erfüllen diese Kriterien der UN-Organisation. Die Grube Messel ist Teil dieses Geoparks, erklärt die Geologin Marie-Luise Frey. Man kooperiert auch mit anderen internationalen Geoparks:
"So dass also da die Grube Messel quasi über andere europäische Geoparks, insbesondere Lesbos in Griechenland, die Haute Provence in Frankreich, aber auch mit chinesischen Geoparks wir jetzt zum Beispiel auch Kontakte zu anderen Stätten Europas, aber auch in Kanada und China - zu Welterbestätten dort haben. Die jetzt sagen, die wollen mit uns zusammenarbeiten."
Wovon die Archäologen träumen
Der Limes gehört – wie der englische Hadrianswall und der schottische Antoniuswall - organisatorisch zum transnationalen UNESCO-Weltkulturerbe Namens "Grenzen des römischen Reiches". Suzana Matešić, Geschäftsführerin der "Deutschen Limeskommission", erinnert daran, dass der deutsche Abschnitt des Limes nur ein kleiner Teil eines einst gigantischen Grenzsystems des römischen Reichs war:
"Es gibt eine römische Reichsgrenze rund um das Mittelmeer herum. Also, wenn wir das alles zusammenfassen, kämen wir auf über 5000 Kilometer. Und natürlich ist es das große Ziel von uns leicht idealistischen Archäologen, dass wir das irgendwann mal als Welterbestätte eingetragen haben. Aber aktuell ist es tatsächlich so, dass zwei weitere Partner aktuell Welterbeanträge vorbereiten. Das ist zum einen der niedergermanische Limes, als Zusammenschluss zwischen dem obergermanisch-rätischen Limes und dem Hadrianswall und Antionuswall."
Also den beiden britischen Abschnitten der römischen Grenzbefestigung. Gleichzeitig wollen Bayern und Österreich gemeinsam einen Donauabschnitt des Limes in das UNESCO-Welterbe aufnehmen lassen.
Der hessische Landesarchäologe Udo Recker gibt grundsätzlich zu bedenken, dass m mit dem Welterbe-Label nicht inflationär umgegangen werden sollte:
"Das Labeling darf nicht zur Selbstgefälligkeit werden. Wenn so etwas selbstverständlich wird und wenn man wirklich von einem Welterbe ins nächste Welterbe stolpert, dann geht die Wertigkeit verloren. Man sollte schon exemplarische Orte mit einer ganz speziellen Bedeutung, mit einer ganz speziellen Aussage herausheben und damit auch betonen, wieso, weshalb, warum das jetzt wichtig ist."
Es gelte beim UNESCO-Welterbe auch, nicht nur eine eurozentrische Brille aufzusetzen, fordert Udo Recker:
"Weil wir reden hier über Welterbe! Und es gibt in anderen Kontinenten Kulturen und Geschehnisse, die mindesten genau gleichwertig sind. Die aus anderen Zeiten stammen, die aus anderen Gefügen stammen. Die aber nur deswegen, weil sie nicht europäisch sind, nicht weniger wert sind. Und da hat die UNESCO noch - meiner Meinung nach - einiges nachzuholen."
Bloß kein Disneyland
Bei den schon bestehenden deutschen Welterbestätten geht es vor allem darum, den latenten Konflikt zwischen Bewahrungsauftrag und Wirtschaftlichkeit so zu managen, dass die Würde der Orte bewahrt bleibt.
"Es geht nicht um Disneyland, es geht schon darum, dass man Orte erlebbar macht."
Eine Veranstaltung wie die RTL-Show "Deutschland sucht den Superstar" im alten Zisterzienserkloster Eberbach im Rheingau am 20. April ist bei den örtlichen Fachleuten umstritten.
"Zu Eberbach will ich jetzt nicht viel sagen, denn das ist kein Weltkulturdenkmal. Das ist ein Betrieb, der eher wirtschaftlich geführt wird als Kulturbetrieb."
Eberbach liegt zwar ein paar Kilometer südlich des UNESCO-Welterbes Oberes Mittelrheintal und kann deshalb nahezu bedenkenlos vermarktet werden - im Kloster Lorsch wäre dies undenkbar. Dies betont Hermann Schefers, der Leiter der UNESCO-Welterbestätte:
"In den 90er Jahren wurden hier Open-Air-Konzerte veranstaltet, bei denen ich mich frage, warum muss das gerade hier sein. Denn die Bühnenarchitektur, die Tribünen, die aufgestellt werden, verdecken im Grunde genommen das, was diesen Ort zu etwas besonderem macht. So dass man das im Grunde genommen auch auf einem Parkplatz machen könnte, wo die Infrastruktur wahrscheinlich auch unproblematischer wäre."
Zuviel Rummel und Kommerz nimmt Kulturdenkmälern ihre Würde, glaubt der Historiker Hermann Schefers. Er sieht seine Rolle als Leiter der Welterbestätte Kloster Lorsch darin, die besondere Aura des Ortes auch für künftige Generationen zu erhalten – notfalls auch gegen Verwertungsinteressen:
"Ich bin jetzt kein Gegner von Veranstaltungen generell. Aber diese Veranstaltungen müssen etwas mit dem Geist des Ortes zu tun haben. Und dieser Geist des Ortes ist etwas, was man von Generation zu Generation neu entdecken muss. Und für uns ist wichtig, dass wir das, was wir bekommen haben von unserer Vorgängergeneration, ganz im Sinne der biblischen Talente vermehrt gewissermaßen an die nächste Generation weitergeben und dieser nächsten Generation auch ein Sensorium dafür mitgeben, mit was für Besonderheiten wir es hier zu tun haben."