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UNESCO-Welterbe-Komitee
Handel mit Raubgrabungen unterbinden

Der Handel mit archäologischen Objekten aus Raubgrabungen blüht wieder, seit in Krisengebieten eine politische Unübersichtlichkeit herrscht. Der Markt sei groß, sagte Markus Hilgert, Direktor des Vorderasiatischen Museums Berlin. Deswegen sei es wichtig, gegen den illegalen Handel international vorzugehen.

Markus Hilgert im Gespräch mit Henning Hübert |
    Henning Hübert: Ende dieser Woche wird das UNESCO-Welterbe-Komitee auf seiner Tagung in Bonn wieder neue Stätten in seine Listen aufnehmen. Zum Auftakt hat es aber vor allem die Zerstörungswut von Terrormilizen wie dem IS in Syrien und im Irak gegeißelt – als einen Versuch, das Gedächtnis der Menschheit auszulöschen. Bei der heutigen Verabschiedung einer Erklärung war ausdrücklich von Kriegsverbrechen die Rede, die von jedem Staat verfolgt werden müssten. Daneben wendet sich das Komitee gegen den illegalen Handel mit Antiken zur Finanzierung der Terroristen.
    Wir haben schon darüber berichtet, dass die UNESCO gemeinsam mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz hier für mehr Aufklärung sorgen wird. Markus Hilgert ist Direktor des Vorderasiatischen Museums Berlin, arbeitet also für die Stiftung auf der Museumsinsel und damit selbst in einer Welterbestätte, die konserviert, was anderswo zerstört wird. Ich habe Markus Hilgert gefragt, was er am Tagungsort Bonn erfahren hat über das Ausmaß der Zerstörungen.
    Markus Hilgert: Das ist schon so, dass das, was wir in den letzten Wochen und Monaten gesehen haben, tatsächlich Grund zu größter Sorge gibt, denn die Zerstörungen gehen weiter, ungebremst, kann man sagen, und deswegen ist es auch so wichtig, dass es zu einer globalen Koalition, also zu einer globalen Zusammenarbeit derjenigen kommt, die hier Hilfe leisten können.
    Es wird illegal ausgegraben
    Hübert: Gehen Sie davon aus, dass nach wie vor Antiken aus Syrien und dem Irak abtransportiert und zu Geld gemacht werden, oder greifen diese ersten Ächtungsappelle schon?
    Hilgert: Nein. Ich glaube schon, dass wir nach wie vor davon ausgehen müssen, dass in großem Stile illegal ausgegraben wird, dass in großem Stile geschmuggelt wird. Es deutet sehr viel darauf hin, dass nach wie vor Ströme von Objekten über die Grenzen der Nachbarländer ins Ausland gebracht werden, und es deutet nach wie vor sehr viel darauf hin, dass diese Objekte dann im dunklen Handel vor allen Dingen verschwinden. Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass mit dem Verkauf dieser Objekte direkt oder indirekt auch terroristische Aktionen finanziert werden, und deswegen ist die Lage sehr ernst und ist tatsächlich Handlung geboten.
    Hübert: Am Rande in Bonn gab es auch Kritik an der UNESCO. Der Verein World Heritage Watch kritisiert, dass die UNESCO sich zu wenig helfen lasse von anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen. Was glauben Sie? Hat die UNESCO einen Überblick über Bedrohungen von Welterbestätten, global gesehen?
    Hilgert: Ja, das denke ich schon, denn die UNESCO ist ja sehr gut vernetzt. Sie hat auch engen Kontakt mit unterschiedlichen Nichtregierungsorganisationen oder Institutionen wie der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, aber auch Institutionen in den betroffenen Ländern. Insofern glaube ich schon, dass die UNESCO vielleicht die einzige Organisation ist auf internationaler Ebene, die tatsächlich einen globalen Überblick über das hat, was akut bedroht ist. Und es ist andererseits auch so, dass die UNESCO ja schon seit geraumer Zeit, also seit etwa 20 Jahren versucht, gerade das zivilgesellschaftliche Engagement auch im Schutz und in der Entwicklung von Weltkulturerbestätten zu erhöhen, und es gibt sehr viele Foren innerhalb der UNESCO, die versuchen, genau dieses zivilgesellschaftliche Engagement auch anzukurbeln.
    Hübert: Die Stiftung und die UNESCO sagen, damit sich Raubgrabungen nicht mehr lohnen, müssten sich mehr Käufer abwenden, die Deals dann ablehnen. Bemerken Sie da bei Ihrer sogenannten Dunkelfeld-Forschung, die Sie betreiben, einen Stimmungswechsel, oder herrscht in der Szene jetzt wegen dieses Fehlen der Staatlichkeit gerade in Syrien, der Unübersichtlichkeit der Lage so was wie Goldgräberstimmung?
    Hilgert: Ich glaube, es stimmt beides. Wir beobachten auf der einen Seite schon einen Bewusstseinswandel, der allmählich eintritt, sowohl im Handel als auch bei den Sammlerinnen und Sammlern, und das ist gut und richtig so. Gleichzeitig kann man noch nicht davon sprechen, dass das Problem gelöst ist. Ganz im Gegenteil, sondern es ist tatsächlich so, dass nach wie vor Ströme von archäologischen Objekten geplündert werden und dann außer Landes gebracht werden in Länder wie Irak und Syrien, und die werden ja nur deswegen außer Landes gebracht und geplündert, weil es einen lukrativen Handel gibt, weil es einen Abnahmemarkt gibt. Und solange es diesen Markt gibt, solange die Handelbarkeit und die Gewinnspannen hoch sind, wird es auch Plünderungen und Raubgrabungen geben, und deswegen ist es so unglaublich wichtig, dass man etwas gegen den allzu leichten Handel tut und vor allen Dingen gegen den illegalen Handel mit archäologischen Kulturgütern.
    Save Havens kurbeln auch illegalen Handel an
    Hübert: Wann kann das trotzdem für Sie sinnvoll sein? Sie sitzen ja auch auf 380.000 Sammlungsobjekten insgesamt. Da wird ja nicht jedes Stück legal mit Kaufvertrag von einem Staat besiegelt zu Ihnen gelangt sein. Wann kann es denn für Sie sinnvoll sein, so ein Objekt einfach auch mal abzutransportieren aus einem Krisengebiet?
    Hilgert: Gar nicht. - Gar nicht. - Die Frage, ob es Safe Havens geben sollte, also letzte Zufluchtsorte für gestrandete archäologische Objekte, ist eine, die völkerrechtlich, aber auch nationalrechtlich nicht ganz unproblematisch ist. Ich persönlich bin der Ansicht, dass es solche Safe Havens nur in Übereinstimmung mit den jeweiligen Herkunftsstaaten geben kann. Ich kann nicht als Museum oder als Museumsdirektor einseitig erklären, dass ich ein Safe Haven bin, weil ich damit ja letztlich auch wieder indirekt den Handel ankurbeln würde. Das heißt, es kann nur darum gehen, im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten gemeinsam mit den Herkunftsstaaten in den Fällen, wo es angezeigt ist, wenn zum Beispiel Objekte gestrandet sind, eine temporäre Zuflucht anzubieten, aber natürlich mit dem Ziel, dass diese Objekte dann in die Herkunftsländer zurückkehren.
    Hübert: Die Einschätzung von Markus Hilgert, Direktor des Vorderasiatischen Museums Berlin.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.