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UNESCO-Welterbekomitee über Klimawandel
"Die Situation in den Welterbestätten ist nicht rosig"

Massentourismus, fehlende Langfristpläne und unterlassener Klimaschutz machen dem geschützten Natur- und Kulturerbe zu schaffen. "Wir können einfach nicht so weitermachen und so tun als hätten wir eine zweite Welt", sagte Mechthild Rössler, Direktorin des UNESCO Welterbezentrums im Dlf.

Mechtild Rössler im Gespräch mit Antje Allroggen |
Meeresspiegelanstieg, zu viele Touristen und zu große Kreuzfahrtschiffe. Die UNESCO droht seit 2016 Venedig den Weltkulturerbe-Status zu entziehen. Das UNESCO-Welterbekomitee tagt vom 30. Juni bis 10. Juli 2019 in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku.
Die UNESCO droht seit 2016 Venedig den Weltkulturerbe-Status zu entziehen (imago/Reinhard Balzerek)
Erleichterung in Osaka. Dort haben sich die Staaten bis auf die USA auf eine Erklärung zum Klimaschutz einigen können. Lange war unklar, ob es überhaupt eine gemeinsame Abschlusserklärung geben würde. Und kaum geht der G 20 Gipfel zuende, tagt auch die Unesco in Baku in Aserbaidschan. Deren Komitee wird unter anderem über 36 Nominierungen für die Welterbliste verhandeln. Unter anderem will die historische Königsstadt Bagan in Myanmar gerne aufgenommen werden, auch der Vatnajökull-Nationalpark in Island und die Montanregion Erzgebirge / Krusnohori ebenfalls. Aber auch das Klima wird auf der 43. Sitzung des UNESCO Welterbekomitess eine Rolle spielen. Schließlich machen die Temperaturschwankungen auch den Kulturstätten zu schaffen. Wir haben die Direktorin des UNESCO-Welterbezentrums, Mechthild Rössler, gefragt, welchen Raum das Thema Klimaschutz in Baku einnehmen wird.
Klimawandel ist riskant für die Welterbestätten
Mechthild Rössler: Klimaschutz ist wirklich eine ganz große Frage, weil sehr viele Welterbestätten von dem Klimawandel betroffen sind. Und wir haben gerade ein Treffen vor dem Welterbekomitee, wo sich die einzelnen "Site Managers", das heißt die einzelnen Verantwortlichen der Welterbestätten zusammensetzen und verschiedene Diskussionen haben wie sie die Stätten besser schützen können, wie sei das Management besser ausrichten. Und ich glaube, dass Klimawandel auch zu den großen Risiken dieser Stätten gehört. Wir haben ja Stätten in Grönland, wie den Ilulissat Ice shot, oder Stätten die in Küstenzone im Mittelmeerraum liegen, und die sind natürlich bedroht von den Effekten des Klimawandels, d.h. von größeren Regenfällen, von Überflutungen historischer Innenstädte. Venedig ist betroffen, auch durch die großen Wellen usw. Und ich denke, Klimawandel ist einer der Punkte, einer der Punkte, es gibt natürlich viele andere, die bei dem täglichen Management zu berücksichtigen ist.
Antje Allroggen: Jetzt haben sie schon viele Gründe genannt. Wenn Sie sich in Baku treffen, wird es da auch um den Zustand einiger Welterbestätten gehen, die sich in schlechtem Zustand aufgrund des schlechten Klimas befinden?
Vielfältige Bedrohungen für das Welterbe
Rössler: Wir werden 166 Reports anschauen. Insgesamt haben wir ja im Moment 1092 Welterbestätten. Und diese 166 Berichte sind die Spitze des Eisbergs. Wir haben eine Reihe von Stätten, die auf der Gefahrenliste bereits sind. Das ist nicht unbedingt nur wegen des Klimawandels, sondern es gibt auch Stätten, die liegen in Konfliktzonen. Es gibt Stätten, wo es Entwicklungen gibt bei einigen historischen Innenstädten, die nicht vereinbar sind mit dem Welterbestatus. Es gibt Naturstätten, wo die Tiere extrem bedroht sind wie im Golf von Kalifornien, die Vaquitas (Schweinswale), oder es gibt Stätten, die sind Opfer von Naturkatastrophen geworden wie das Katmandu –Tal in Nepal, wo wir nach dem Erdbeben mit dem Wiederaufbau beschäftigt sind. Es gibt also sehr vielfältige Diskussionen beim Welterbekommitee.
Allroggen: Die Unsesco hat schon 2006 in einem Bericht kundgetan, dass der Klimawandel eine ernst zu nehmende Gefahr für das Kultur- und naturerbe ist. Bis die Unesco zehn jahre später mitteilte, dass der Fortschritt bei der Umsetzung der Strategie und der Richtlinien inden meisten Ländenr noch sehr gering sei. Das ist ja keine besonders positive Bilanz.
Rössler: Das stimmt. Wir möchten eigentlich mehr, dass die Politiken, die die Unesco vorgibt, bei den einzelnen Staaten dann auch umgesetzt werden. Und wir wünschen uns auch etwas mehr Unterstützung der Manager der einzelnen Welterbestätten in dieser Frage. Und Klimawandel ist eines der Themen, die Site-Manager sehr beschäftigen. Un dich glaube, dass der Austausch – was machst du bei deiner Stätte, wie geht’s du damit im Managementplan um, hast du einen Risikoplan integriert?- diese Fragen stehen hier im Vordergrund.
Allroggen: Aber der Titel Unesco Weltkuturerbe verpflichtet die Stätten doch eigeltich dazu, sie zu schützen. Dafür gibt es ja auch finanzielle Anreize. Das Unesso-Sigel gilt doch als Garant für höhere Besucherzahlen. Reicht das nicht aus? Müsste man noch nach anderen Instrumenten Ausschau halten, um die "Awareness", das Bewusstsein, zu vergrößern?
Welterbeschutz für die nächste Generation
Rössler: Die Situation in den Welterbestätten ist nicht rosig. Wir haben unglaubliche Probleme in vielen Welterbestätten und ich denke, dass die Welterbekonvention besser umgesetzt werden muss. Wir haben manchmal Nominierungen, wo der Managementplan nicht steht und die Stätte wird trotzdem eingeschrieben und dann müssen wir dahinter her sein, dass die Konditionen, die eigentlich zum Welterbe gehören, erst einmal geschaffen werden. Das Problem mit dem Tourismus ist, dass viele Nominierungen aus kurzfristigen politischen Überlegungen auch vorgelegt werden und nicht diese Langfristigkeit des Welterbes. Das heißt, wir schützen gemeinsam die Stätten auf der Welterbeliste nicht für uns, sondern für die Generationen, die nach uns kommen, dass das wirklich umgesetzt wird. Und ich denke, dass die Strategie, die vom Welterbekommitee verabschiedet wurde, nämlich die Politik zur Umsetzung der nachhaltigen Entwicklung in den Welterbestätten, ein integraler Bestandteil des Managements sein sollte. Und dass der sogenannte "overtourism", diese Massen von Touristen, die in einigen Welterbestätten zu sehen sind, dass das eigentlich nicht mit dem Welterbestatus vereinbar ist. Und dass die lokale Bevölkerung auch ein Wort dabei mitreden sollte. Das sind alles Situationen, die könnten wirklich verbessert werden.
Allroggen: Wie sieht es denn bei einem Highend - Szenario aus, also wenn der Kohlendioxid-Ausstoß einfach ungebremst so weitergeht? Wie viele Welterbestätten wären dann betroffen?
Rössler: Es gibt einige Studien zum Mittelmeerraum. Da wär ein sehr großer Teil der Welterbestätten betroffen, und zwar beides , Kultur- und Naturerbestätten durch den Anstieg des Meeresspiegels, durch die Veränderungen im Klima mit mehr Regenfällen im Mittelmeerraum usw. Und ich denke, dass die einzelnen Stätten, aber auch die Ministerien die Verantwortung übernehmen müssen, zu sehen, wie kann man die Probleme langfristig angehen und wie kann man den Stätten vorab wirklich helfen mit finanzieller Unterstützung. Die Unesco schüttet ja keine Gelder aus, wie sich viele Leute das so vorstellen. Wir haben den Welterbefonds, der eigentlich ein Fonds ist zum Transfer von Ressourcen, aber meistens versucht die Unesco den Ländern, vor allem den Ländern der Dritten Welt zu helfen, Gelder zu finden bzw. wir organisieren Gelder , um spezifische Projekte zumache. Und vor allem Projekt ein gefährdeten Welterbestätten. Und das ist wirklich unsere Priorität
Allroggen: Und wie wäre es, schlicht und einfach mit der Option, den CO2 Verbrauch zu reduzieren, sich also an das Pariser Klimaabkommen zu halten? Das würde auch nicht so viel kosten.
Es gibt keine zweite Welt
Rössler: Das sollte eigentlich gemacht werden und ernst genommen werden von allen Staaten. Das ist leider nicht der Fall. Und wir werden vermutlich Welterbestätten auch in der langfristigen Zukunft verlieren, wenn das nicht umgesetzt werden kann. Aber da muss auch jeder einzelne was dazu beitragen. Wir können einfach nicht so weitermachen und so tun als hätten wir eine zweite Welt. Diese Welterbestätten sin die allerwichtigsten Ergebnisse unserer Kultur und Zivilisation und der biologischen Vielfalt. Wenn wir nicht in der Lage sind, diese den nächsten Generationen zu überliefern, was bleibt dann überhaupt?