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Unfruchtbarkeit durch Umweltverschmutzung

Immer mehr Paare bleiben trotz Kinderwunsch ohne Nachwuchs - für die Betroffenen ist dies oft eine große Belastung. Seit langem schon ist der Verdacht aufgekommen, dass die Umweltverschmutzung zumindest einer der Gründe für Unfruchtbarkeit ist - doch für die Frage, welche Substanzen verantwortlich gemacht werden können, darüber gab es lange keine Antwort. Doch inzwischen ist die Wissenschaft fündig geworden - in der Umwelt verbreitete hormonähnlich wirkende Substanzen könnten für Fruchtbarkeitsstörungen bei Männern verantwortlich sein. Das Umweltbundesamt hat zusammen mit der freien Universität Berlin zu einer Tagung über dieses Thema eingeladen.

Von Verena Kemna |
    Bisphenol A ist eine Chemikalie, die in der Industrie unter anderem für die Produktion von Polykarbonat und Epoxyharzen verwendet wird. Die Industriechemikalie wird zum Beispiel für die Herstellung von Plastikverpackungen eingesetzt, in Babyflaschen aus Plastik, bei der Innenbeschichtung von Konservendosen und als zahnmedizinisches Material. Für die Automobilindustrie gilt Polycarbonat und somit auch Bisphenol A als Stoff der Zukunft. Erst vor kurzem haben Wissenschaftler des Umweltbundesamtes die chemische Substanz auch in recycletem Küchenpapier nachgewiesen. Das heißt, Bisphenol A kommt so gut wie überall vor, obwohl das in manchen Bereichen gar nicht notwendig wäre sagt Andreas Gies vom Umweltbundesamt.

    Andreas Gies: "Zum Beispiel wird es eingesetzt als Stabilisator in PVC. Die PVC-Industrie hat jetzt relativ schnell reagiert und gesagt: Sie werden diesen Stoff in Zukunft nicht mehr als Stabilisator da einsetzen. Wir können diesen Stoff ersetzen zum Beispiel in Lacken, ohne dass die Gebrauchseigenschaften dabei beeinträchtigt werden. Wir müssen aber auch zum Beispiel auf den Abfall gucken. Wir können Abfall nicht auf Mülldeponien lagern, wo der Stoff dann über Jahrzehnte in kleinen Portionen freigesetzt wird."

    In den Augen der Wissenschaftler gilt die Substanz als Musterbeispiel für die Frage, wie weit Industriechemikalien nicht nur die Umwelt beeinträchtigen, sondern auch bei Mensch und Tier zu Schäden führen. Die amerikanische Umweltbehörde hat festgestellt, dass etwa 80.000 unterschiedliche Chemikalien hormonelle Wirkungen entfalten können. Dazu gehört auch Bisphenol A. So haben epidemiologische Studien gezeigt, dass sich in den vergangenen Jahzehnten die Samenqualität des Mannes vermindert hat. Außerdem wurden bei wild lebenden Tieren Veränderungen an Fortpflanzungsorganen beobachtet.

    Andreas Gies: "Die Sorge die es uns bereitet ist, dass wir bei Versuchstieren sehen, dass diese Chemikalie in der Entwicklung, in der frühen Entwicklung von Neugeborenen negative Auswirkungen hat. Hauptsächlich negative Auswirkungen auf die Entwicklung der Reproduktionsorgane, der Geschlechtsorgane. Wie sehen, dass diese Chemikalie in Versuchstieren in sehr geringen Dosen dazu führt, dass weibliche Nachkommen verfrüht in die Pubertät kommen, dass männliche Nachkommen ´ne geringere Spermienzahl und zum Beispiel ´ne vergrößerte Prostata haben."

    Doch es gibt viele wissenschaftliche Unwägbarkeiten. Tiere reagieren anders als Menschen, außerdem ist das Risiko solcher Substanzen nicht immer gleich. Es hängt ab von der Schadstoffmenge, dem Zeitraum und der Toxizität, also der Giftigkeit. In den Laboratorien der Universitäten wurde bereits bei geringen Mengen Bisphenol A eine Wirkung festgestellt. Anders dagegen die Untersuchungsergebnisse industrieeigener Labors. Das Marktpotential von Bisphenol A wird in der Bundesrepublik auf jährlich etwa 3 Milliarden Mark geschätzt. Sollten sich die Ergebnisse der Universitäten bestätigen, müssten die Vorschriften der Fortpflanzungstoxikologie grundsätzlich verändert werden. Behördlich vorgeschriebene Untersuchungen müssten dann auch das Risiko im Bereich niedriger Dosis erfassen.

    Andreas Gies: "Wir müssen ja weltweit die Gefahren, die von dem Stoff ausgehen, bewerten, um zu gucken, ob es notwendig ist, dass dieser Stoff eingeschränkt wird ob wir ihn, wie wir sagen, regulieren müssen, also verbieten müssen oder bestimmte Auflagen für seinen Gebrauch beschließen müssen. Wir haben da eine welweite Diskussion. Die Methoden sind harmonisiert, in Amerika ganz ähnlich wie in Europa. Und diese Grundlagen hier bilden die Grundlagen für eine endgültige Bewertung dieses Stoffes. Die müssen wir uns aber erarbeiten, da wir hier Neuland betreten. "

    In Japan und in den USA gilt Bisphenol A bereits jetzt auch im Bewußtsein der Verbraucher als umstrittene Chemikalie. 1995 wurden allein in der Bundesrepublik Deutschland 210.000 Tonnen Bisphenol A produziert. Über die Abfallentsorgung landeten fast 68.000 Tonnen auf Müllhalden und somit in den Umweltkreislauf. Fast 50.000 Tonnen wurden in der Müllverbrennung entsorgt.

    Weitere Informationen im Internet unter: www.bisphenol-a.de/