Archiv

Ungarische Flüchtlingspolitik
Orban punktet innenpolitisch

Mit seiner harten Haltung im Umgang mit Flüchtlingen hat der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán innenpolitisch gepunktet. Kritiker halten ihm allerdings vor, dass er mit seiner Rhetorik, die eine fremdenfeindliche Grundstimmung in der Bevölkerung aufgreife, viel zu kurz denke und dem Land schade.

Von Stephan Ozsváth | 18.09.2015
    Ungarische Polizei geht mit Tränengas gegen Flüchtlinge vor
    Ungarische Polizei geht mit Tränengas gegen Flüchtlinge vor (ARMEND NIMANI / AFP)
    Bilder von der serbisch-ungarischen Grenze am Mittwoch: Blutüberströmte Flüchtlinge, weinende Kinder, deren Gesichter mit Wasser übergossen werden, um das Tränengas der ungarischen Polizei abzuwaschen. Das kurdisch-irakische Fernsehen RUDAW zeigt die Bilder auf seiner Facebook-Seite.
    Das ungarische Fernsehen zeigt andere Bilder: Randalierende Flüchtlinge, die auf die Polizisten losgehen. Und eine noch am Abend der Krawalle auf der ungarischen Seite des Zauns abgehaltene Pressekonferenz. Auftritt Sicherheitsberater von Premier Orbán und Regierungssprecher Zoltán Kovács.
    "Mit Eisenstangen, Rohren und Stöcken bewaffnet und steinewerfend haben illegale Migranten die ungarische Grenze angegriffen", sagt der Regierungssprecher. "Sie haben den Zaun aufgerissen. Seitdem schützt die ungarische Polizei mit ihren Körpern die ungarische Grenze. Vor den Augen der Weltpresse zeigt sich, dass es sich nicht um eine friedliche Menge handelt, sondern um Menschen, die nicht einmal vor Gewalt zurückschrecken, wenn sie herüber kommen wollen."
    Gewalttätige Zuwanderer, potenzielle Terroristen, Wirtschaftsflüchtlinge. So bezeichnen ungarische Regierungsvertreter die Flüchtlinge seit Monaten. Die Randale-Bilder im Fernsehen passen zu dieser Rhetorik. Seit den Anschlägen auf die Satire-Zeitschrift "Charlie Hebdo" Anfang des Jahres warnt Premier Orbán vor Überfremdung, will das christliche Ungarn gegen Muslime verteidigen. Für den Politologen Bulcsú Hunyadi Rechtsaußen-Rhetorik.
    "Der will nichts Gutes für sein Land"
    Hintergrund: Die Regierungspartei Fidesz hatte wegen Korruptionsaffären und der geplanten Internet-Steuer im Winter viele Anhänger an die rechtsextreme Konkurrenz Jobbik verloren. Den Abwärtstrend hat Fidesz mittlerweile stoppen können. Dank des Flüchtlingsthemas. Zwei Drittel der Ungarn finden laut Umfragen die harte Flüchtlingspolitik der Regierung Orbán gut. Auch diese Budapesterin. "Ich bin absolut einverstanden mit den Maßnahmen der Regierung, sagt sie. Man müsste sie dort halten, wo sie geboren sind. Der Zaun ist auch richtig."
    Auch diese Frau findet: Es kommen zu viele Flüchtlinge. Dennoch meint sie. "Ehrlich gesagt: Mich regt auf, was ich jeden Tag sehe. Welchen Sinn haben die Wasserwerfer von Röszke und all das? Diese Menschen kämpfen einfach um ihr Leben."
    Kritik kommt auch vom Ungarischen Helsinki Komitee. Viktor Orbán greife eine fremdenfeindliche Stimmung auf, die es ohnehin in der Gesellschaft gebe, meint Gábor Gyulai. Doch obwohl er damit innenpolitisch punkte, liege Viktor Orbán falsch. "Wenn Viktor Orbán sagt: Wir brauchen keine Zuwanderung. Null. Niemand soll nach Ungarn kommen. Dann ist das nicht nur absurd, nicht nur nicht zu verwirklichen, nicht nur gegen das Recht. Wer glaubt, dass Ungarn - das seit Jahrzehnten eine der niedrigsten Geburtenraten hat - ohne Zuwanderung auskommt. Der weiß weder wie die Wirtschaft noch eine Gesellschaft funktioniert. Und der will nichts Gutes für sein eigenes Land."