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Ungarn
Orban will Notstandsrecht für Terrorfälle

Die rechtskonservative Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban plant Notstandsgesetze, die ihr weitreichende Befugnisse geben würde. Sie könnte beispielsweise die Versammlungs- und Pressefreiheit einschränken und Grenzen schließen. Der linken und rechten Opposition gehen die Pläne zu weit.

Von Stephan Ozsváth, ARD |
    Der ungarische Premierminister Viktor Orban nimmt am 23.09.2015 im Kloster Banz bei Bad Staffelstein (Bayern) als Gast an einer Pressekonferenz anlässlich der Herbstklausur der CSU-Landtagsfraktion teil.
    Ungarns Ministerpräsident Orban will die Verfassung ändern. (picture alliance / dpa / Nicolas Armer)
    Es sind nur wenige Hundert, die vor dem Parlament in Budapest nach Republik und Europa rufen; Demonstranten, denen die jüngsten Pläne der Regierung Orban Bauchschmerzen bereiten. Diese will eine Art "Ermächtigungsgesetz" in die Verfassung schreiben.
    Orban wolle für sich selbst "die völlige Ermächtigung - ohne, dass das Parlament Einspruch erheben darf", empört sich der ehemalige Finanzminister Lajos Bokros vor dem Parlament. Das gehe in Richtung Diktatur. "Wir werden mit allen Mitteln für unsere Freiheit kämpfen", kündigt der Vorsitzende der Bewegung "Modernes Ungarn" an.
    Sicherheit als wichtigstes Gut
    Was die Regierung Orban plant, hat es in sich. Bei Terrorgefahr - so die geplanten Notstandsgesetze - will die Regierung die Versammlungs- und Pressefreiheit einschränken, Grenzen schließen, die Reisefreiheit der eigenen Bürger und deren Kontakte zu Ausländern einschränken sowie Telefongesellschaften und Internet-Anbieter zu Abschaltungen zwingen. Außerdem möglich: Streikverbote und Ausgangssperren.
    Viktor Orban begründet das so: Ungarn solle "solche Möglichkeiten wie die meisten westlichen Staaten" bekommen, um gegen Terrorgefahr auftreten zu können. Das Wichtigste in der Gesellschaft sei schließlich die Sicherheit.
    In Frankreich wurde der Notstand nach den Terrorattacken im November ausgerufen. Auch in Österreich und Deutschland gibt es entsprechende Verordnungen. Allerdings hat das Parlament ein gewichtiges Wort mit zu reden, in Frankreich der Ministerrat. Nicht so in Ungarn: Dort soll der Regierungschef den Notstand selbst ausrufen können. Und das Parlament würde den Plänen nach erst nach 60 Tagen gefragt: wenn es um die Verlängerung eines Notstands geht.
    Notstand nur schwammig definiert
    Was ein Notstand ist, ist in dem Gesetzentwurf ziemlich schwammig gehalten. Der Opposition in Ungarn, links wie rechts, gehen die Pläne zu weit. Der Sozialist József Tobias fragt nach den Pflichten, die ein Staat im Falle einer terroristischen Bedrohung oder eines Terrorangriffs habe. Er ist überzeugt: "Diese Maßnahmen dürfen die Freiheitsrechte der Bürger nur verhältnismäßig beeinträchtigen."
    Und der rechtsextreme Abgeordnete Adam Mirkoczki ist nicht damit einverstanden, dass die Regierung "nur auf Zuruf" eine "solch außergewöhnliche Rechtsordnung" in Kraft setzen wolle. Seine Partei verlange eine Ermächtigung "durch das Parlament, außerdem nur mit Vierfünftel-Mehrheit".
    Der Regierung fehlt die Zweidrittelmehrheit
    Die Regierung in Budapest möchte die Notstands-Gesetze in die Verfassung schreiben. Für die dazu erforderliche Zweidrittelmehrheit fehlen ihr Stimmen, sie braucht Verbündete. Doch der Anwalt György Magyar warnt bei der Demonstration vor dem Parlament, wenn das Regierungslager nur zwei Stimmen geschenkt bekäme oder kaufen können, dann hätte es die Zweidrittel-Mehrheit, "um dem Land eine schreckliche Verfassungsänderung zu bescheren".
    Und dann, so malte die Aktivistin Andrea Katona den Teufel an die Wand, glaube Orban, sei seine Zeit gekommen, eine Ein-Personen-Diktatur einzuführen.