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Ungarn
Proteste gegen Internetsteuer

Es ist nicht ungewöhnlich, dass die ungarische Regierung eigene Wege geht, etwa Spezialsteuern zu erheben. Mit der geplanten Internetsteuer aber hat sich die Premier Orban offensichtlich verkalkuliert: Auch gestern Abend gingen wieder mehrere Tausend Menschen auf die Straße.

Von Karla Engelhard |
    Menschen in Budapest protestieren mit ihren Smartphones gegen die geplante Internet-Steuer.
    Menschen in Budapest protestieren mit ihren Smartphones gegen die geplante Internet-Steuer. (dpa / picture alliance / Laszlo Beliczay)
    "Das lassen wir nicht zu", riefen die Demonstranten in Budapest und meinten damit die geplanten Internetsteuer, die die rechtskonservative Fidesz-Partei unter Premier Victor Orban durchpeitschen will. Zsolt Várady, Gründer des ungarischen Facebook, sagte vor den Versammelten in der Budapester Innenstadt:
    "Die Internetsteuer ist ein Symbol für die Zwangsherrschaft der Regierung. Sie treibt das Land zurück. Wir fordern, die Regierung auf diesen Gesetzesvorschlag zurückzunehmen."
    In zehn Städten wurde in Ungarn protestiert. In Budapest wurden ungarische und EU-Fahnen geschwenkt, selbstgemalte Pappschilder an Besenstielen festgebunden oder einfach in den Händen hochgehalten. Jungen und ältere Männer wie Frauen gleichermaßen begeistert und kämpferisch. Eine ältere Dame, die sich als Universitätsprofessorin Maria Dornbach vorstellt, meinte:
    "Es geht um viel mehr als nur um die Internetsteuer. Es geht auch um die Beleidigung der Demokratie. Praktisch es gibt keine Pressefreiheit, keine Demokratie in Ungarn. Die Internetsteuer, hat die Leute endlich wachgerüttelt, sie ist ein Symbol."
    Bereits am Sonntag hatte es Demonstrationen gegen die Steuer gegeben. Die Proteste in der Landeshauptstadt werden von der neu gegründeten Facebook-Gruppe "Hunderttausend gegen die Internetsteuer" organisiert. Sie bekommt auch eine breite Zustimmung in den sozialen Netzwerken. Laut Statistik haben Zweidrittel der Haushalte in Ungarn Internetzugang. Durch die hohe Mehrwertsteuer von 27 Prozent ist das schon nicht ganz billig, aber steuerfrei, bisher.
    Sondersteuer wie jede andere auch?
    In Budapest zogen die Demonstranten am Abend zum Null-Kilometer-Stein am Budaer Brückenkopf der Kettenbrücke. Von diesem Null-Kilometer-Stein aus werden alle Entfernungen im Land gemessen. Die Botschaft der Protestler: "Null Forint" an Steuern fürs Internet.
    Inzwischen wurde auf Anfrage des Internetportals Portfolio.hu vom Ministerium für Nationalwirtschaft erklärt, dass es gar keine Internetsteuer gebe. Es handle sich vielmehr um eine Telekommunikationssteuer, um eine Sondersteuer, wie die Bankensteuer, die die Regierung einführte, damit auch die Multis ihren Anteil an den öffentlichen Lasten tragen. Wer von Internetsteuer spräche, würde das Volk irreführen, so die Erklärung des Ministeriums. Egal wie man die Steuer nennt, ab 2015 sollen private Internetnutzer monatlich bis zu 700 Forint, umgerechnet 2,27 Euro, und Firmenkunden 5000 Forint, mehr als 16 Euro, zahlen.
    Das ungarische Parlament will ungeachtet der landesweiten Proteste Mitte November über die umstrittene Internetsteuer abstimmen. Da der Gesetzesvorschlag von der rechtskonservativen Fidesz-Partei kommt, kann diese ihn auch mit ihrer Zweidrittelmehrheit im Parlament durchwinken. Eine Internet-Maut ist in der Europäischen Union bisher einzigartig und wird auch von Brüssel scharf kritisiert. Ein junger Ungar, der mit einer blauen EU-Fahne zu Demo gekommen, bringt die Stimmung vor allem unter den jungen Protestlern auf den Punkt:
    "Ich möchte zur EU gehören. Aber ich sehe, dass es derzeit bei uns in eine andere Richtung geht. Es gibt viele Dinge, gegen die man bei uns demonstrieren müsste. Aber bisher fehlte der Funke. Der ist jetzt da, mit der Internetsteuer. Ich bin überrascht und freue mich, dass was passierte. Viele Menschen sind nicht wegen Internetsteuer auf der Straße, es geht um mehr. Aber wir kennen Viktor Orbán, der lässt sich nicht umstimmen und der weicht nicht zurück."