Abend für Abend versammeln sich auf dem Budapester Freiheitsplatz in dieser Woche mehrere hundert Demonstranten und rufen: "Nem Hajduk - wir lassen es nicht zu!" Dann gehen sie jubelnd dazu über, die Bauzäune einzureißen, die am Dienstag hier aufgestellt worden waren.
Die Polizei ist anwesend, schaut dem Treiben aber bislang nur zu. Ein Beamter sagt:
"Diese Baustelle hat alle behördlichen Genehmigungen. Alles ist rechtmäßig."
Rechtmäßig, aber politisch höchst umstritten. Denn das, was die Demonstranten nicht zulassen wollen, ist ein Denkmal, das die rechtskonservative Regierung Orbán hier errichten will. Ein Denkmal, das an die Besetzung Ungarns durch Hitler-Deutschland erinnern soll. Szabolcs Kerek-Barczy von der oppositionellen demokratischen Koalition fasst die Empörung der Demonstranten in Worte:
"Dieses Denkmal demütigt jene unserer Landsleute, an die wir uns erinnern müssten. Das Denkmal verleumdet unserer Vergangenheit, jene Vergangenheit, der wir uns stellen müssen. Die aufgebrachten Menschen hier sind mit Recht zornig."
Und zwar deswegen, weil das damalige ungarische Staatsoberhaupt Miklós Horthy mit Hitler zusammengearbeitet hat und auch nach der Besetzung durch die Nazis im Amt blieb. Zudem wurden schon unter Horthy die Juden Ungarns verfolgt und zum Teil den Deutschen ausgeliefert. Im deutlichen Gegensatz dazu soll das Denkmal einen deutschen Reichsadler zeigen, der sich auf den Ungarn symbolisierenden Erzengel Gabriel stürzt. Horthy und die damaligen Machthaber würden als Unschuldsengel reingewaschen. Diese alte Frau ist empört:
"Ich habe den Holocaust überlebt. Ich rufe alle auf, hierherzukommen und gegen dieses Denkmal zu protestieren."
Entsetzen bei jüdischen Gemeinden
Auf seine Art protestiert hat ein anderer Holocaustüberlebender: Gusztáv Zoltai ist als geschäftsführender Direktor des Verbands der jüdischen Glaubensgemeinschaften Ungarns zurückgetreten. Der 79-Jährige, der das Amt seit 23 Jahren innehatte, ist tief enttäuscht. Auch deswegen, weil die Regierung Orbán ihre Zusage gebrochen hat, wie der Präsident des jüdischen Verbands, András Heisler, sagt:
"Wir verstehen das nicht, weil uns Orbán versprochen hat, den Bau zu stoppen und nach Ostern mit uns sprechen wollte. Wir haben uns daran gehalten und im Wahlkampf keine Stellung bezogen. Jetzt sind wir entsetzt darüber, dass dieses Denkmal errichtet werden soll."
Eine Arglist Orbáns, die die Opposition nicht überrascht, aber richtig wütend macht. Aus ihrer Sicht sei die Errichtung des Denkmals eine klare Geste Orbáns in Richtung der rechtsextremen Jobbik-Partei. Tatsächlich wird der Nazi-Kollaborateur Horthy von Jobbik gefeiert. Aber auch Orbáns Partei Fidesz distanziert sich nicht eindeutig von ihm. So wehrt Orbán zum Beispiel die Kritik daran, dass heute wieder Straßen nach Horthy benannt werden, lapidar damit ab, das sei eine Entscheidung lokaler Behörden und zudem sei er kein Historiker, dafür ein Politiker, der vor drei Jahren in die neue Verfassung historisch-traditionelle Werte aufnahm und der keine Gelegenheit auslässt, den historischen Vertrag von Trianon, bei dem Ungarn einen großen Teil seines Staatsgebiets verlor, als Unrechtsvertrag zu bezeichnen.
"Wir werden alles gegen dieses Denkmal tun"
Die Demonstranten auf dem Budapester Freiheitsplatz wollen bleiben und kündigen wie der Oppositionspolitiker Szabolcs Kerek-Barczy auch tatkräftigen Widerstand an:
"Die Zeit ist gekommen, wo Worten Taten folgen müssen. Dieses Denkmal wird nicht gebaut."
"So ist es", ruft diese Frau hinterher. Und András Heisler, der Präsident des Verbands der jüdischen Glaubensgemeinschaften Ungarns, schließt sich an:
"Ich denke, dieses Denkmal ist schlecht für alle. Es zerstört auch Ungarns Ruf. Wir werden alles gegen dieses Denkmal tun. Mit zivilem Widerstand und mit internationaler Unterstützung können wir den Aufbau verhindern oder zumindest erschweren."
Eine Form des Widerstands betrifft den ungarischen Holocaustgedenktag am 16. April. Der Verband jüdischer Gemeinden in Ungarn hat angekündigt, alle von der Regierung geplanten Veranstaltungen zu diesem 70. Jahrestag zu boykottieren.