Europäische Union
Ungarn übernimmt Ratspräsidentschaft

Ungarn hat turnusgemäß den Ratsvorsitz in der Europäischen Union übernommen. Die Amtszeit beträgt sechs Monate. Regierungsvertreter aus Ungarn werden damit bis Ende Dezember die Leitung zahlreicher Ministertreffen übernehmen und bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den EU-Staaten vermitteln.

01.07.2024
    Ungarns Premierminister Viktor Orban neben Fahnen europäischer Länder
    Ungarn übernimmt die EU-Ratspräsidentschaft (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Geert Vanden Wijngaert)
    Die Budapester Regierung hat sich vorgenommen, mit der Präsidentschaft die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit der EU voranzutreiben. Um das Wachstum zu fördern, wolle man ein neues Abkommen dazu verabschieden, teilte die Regierung zur Übernahme des EU-Ratsvorsitzes mit. Außerdem soll illegale Migration besser bekämpft werden - unter anderem durch Abkommen mit sogenannten Drittstaaten.

    Orban ist für EU-kritische Haltung bekannt

    Der ungarische Ministerpräsident Orban ist für seine EU-kritische Haltung bekannt. Immer wieder geriet er in der Vergangenheit mit den anderen Mitgliedstaaten aneinander und blockierte bei wichtigen Abstimmungen. So in letzter Zeit vor allem bei der Unterstützung für die von Russland angegriffene Ukraine und Sanktionen gegen Moskau.
    "Die Präsidentschaft bedeutet nicht, dass man der Chef von Europa ist. Die Präsidentschaft bedeutet, dass Sie derjenige sind, der den Kompromiss machen muss", gab der scheidende belgische Ministerpräsident De Croo seinem Budapester Kollegen zuletzt in Brüssel mit auf den Weg. Zuvor hatte Belgien die EU-Ratspräsidentschaft inne.

    Budapest will Europa "wieder großartig machen"

    Inwiefern Orban das annehmen wird, ist fraglich. Die Ukraine wird in den kommenden Wochen und Monaten weiter eine große Rolle für die EU spielen - wenn es um weitere Hilfen geht, aber auch bei den laufenden Beitrittsgesprächen mit dem Land. Die EU-Staats- und Regierungschefs verständigten sich zudem erst kürzlich darauf, dass Europa in militärischen Belangen weniger abhängig werden und seine Rüstungsindustrie deutlich stärken soll. Hier liegt es nun an Ungarn, diese Bestrebung voranzutreiben.
    Die ungarische Regierung wählte für die Zeit des Ratsvorsitzes den Slogan: "Make Europe Great Again" - "macht Europa wieder groß". Er orientiert sich an der Kampagne des früheren US-Präsidenten Trump, die "Make America Great Again" hieß. Ungarns Ministerpräsident Orban ist erklärter Anhänger Trumps. In der Vergangenheit hatten sich beide immer wieder gegenseitig gelobt. Erst im März pries Orban Trump bei einem Treffen als "Präsidenten des Friedens", während der Amerikaner den Ungarn wiederum als "besten Führer" überhaupt rühmte.
    Es wird sich zeigen, wie genau diese Führung mit Blick auf den Ratsvorsitz aussehen wird. Doch am Ende ist auch die Macht der Ratspräsidentschaft begrenzt: Die Gesetzesvorschläge gehen von der EU-Kommission aus. Der Wortlaut der Rechtstexte wird dann vom EU-Staaten und Parlament final ausgehandelt. Zudem sind drei Wochen nach der Europawahl weder die Kommission noch das Parlament voll arbeitsfähig. Zahlreiche wichtige Positionen müssen noch vergeben werden. Viele neue Gesetzesinitiativen sind daher in dieser Phase nicht zu erwarten. 

    Orban schmiedet rechtes Parteienbündnis

    Orban will aber auch im EU-Parlament seinen Einfluss ausbauen. Kurz vor der Übernahme der Ratspräsidentschaft kündigte er die Gründung einer neuen Rechtsaußen-Fraktion im Parlament an. Die Gruppierung "Patrioten für Europa" umfasst neben der ungarischen Regierungspartei Fidesz die rechte österreichische FPÖ und die liberal-populistische tschechische ANO. Das Bündnis ist für weitere Parteien offen, die sich zu dem am Sonntag von den drei Parteichefs in Wien unterzeichneten "Patriotischen Manifest" bekennen. 
    Mit dem erhofften Zulauf würde die Gruppierung zur "größten Fraktion der rechtsgerichteten Kräfte Europas" aufsteigen, so Orban. Ihr Manifest enthält die bekannten Positionen rechter, rechts-populistischer und rechtsextremer Parteien: Ablehnung von Migration und "Green Deal", keine Unterstützung der von Russland angegriffenen Ukraine sowie Rückbau der Integration in der EU zwecks Stärkung der Souveränität der Nationalstaaten. 

    Weiterführende Informationen

    EU-Ratsvorsitz Ungarn - Rückt Orbán die EU noch weiter nach rechts?
    Ungarn und die EU - Ein Blockierer als Vorsitzender
    Diese Nachricht wurde am 01.07.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.