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Ungarn
Wie Orbán und seine Vertrauten sich durch den Fußball bereichern

Der ungarische Fußball erstrahlt in neuem Glanz. Die Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orbán hat in den vergangenen zehn Jahren den Bau vieler neuer Stadien und Trainingsanlagen vorangebracht. Doch die Machthabenden in Budapest tun das nicht nur aus reiner Liebe zum Sport.

Von Constantin Eckner |
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban im Gespräch mit Csanyi Sandor, Chef des ungarischen Fußballverbandes.
Liebt den Fußball: Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán (li.) (dpa / picture alliance / Andrew Surma)
Neuer Kunstrasen, hochmoderne Trainingsanlagen, ein schmuckes Stadion. Im kleinen ungarischen Dorf Felcsút schlägt das Herz jedes Fußballers höher. Der ansässige Verein Puskás Akadémia trainiert und spielt hier unter besten Bedingungen. Man könnte meinen, die Anlagen stünden da als Huldigung an den Namensgeber, Fußballlegende Ferenc Puskás. Weit gefehlt. Ein kleines weißes Haus neben dem Stadion verrät den wahren Grund. Es gehört nämlich Viktor Orbán.
"Ich glaube, dass Orbán den Fußball wirklich liebt. Er geht ständig zu den Spielen. Du gehst nicht so oft ins Stadion, wenn es dir dort nicht gefällt. Aber es gibt eben auch eine wirtschaftliche Seite des Ganzen", sagt der Fußballkorrespondent Tomasz Mortimer.

Orbans Herzensprojekt

Puskás Akadémia ist das Herzensprojekt des ungarischen Ministerpräsidenten, aber auch viele andere Vereine im ganzen Land dürfen sich neuer Stadien erfreuen. Denn seit dem Regierungswechsel 2010 wurden für den Sport rund zwei Milliarden Euro ausgegeben. Zum Vergleich: Alle Universitäten und Fachhochschulen erhalten zusammen in einem Jahr gerade einmal halb so viel.
Ist die Orbán-Regierung einfach nur sportverrückt? Miklós Ligeti von Transparency International hat so seine Zweifel: "Die Förderung hat den Sport sicherlich vorangebracht. Aber man hätte das auch erreichen können, ohne dafür ein undurchsichtiges finanzielles Gebilde zu konstruieren."
Das Wochenendhaus von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban, steht  direkt neben der Pancho Arena in Felcsut. 
Das Wochenendhaus von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban, steht direkt neben der Pancho Arena in Felcsut. (dpa / picture alliance / Martin Fejer)
Das viele Geld fließt eben nicht einfach an die Vereine und Verbände, die es dann investieren. Der Vorwurf lautet: Freunde und Vertraute Orbáns bereichern sich hier im großen Stil. Miklós Ligeti versucht, das System am Beispiel des Oligarchen Lőrinc Mészáros zu erklären. Dieser ist Unternehmer und noch dazu Präsident von Puskás Akadémia:
"Staatliche Gelder gehen an die Unternehmen von Herrn Mészáros – beispielsweise für den Bau von öffentlichen Straßen und Gebäuden. Diese Unternehmen verzeichnen Gewinne. Doch statt Steuern zu zahlen, fließen die Gewinne an die Stiftung seines Fußballvereins. Durch diese Stiftung beauftragt er dann wiederum seine eigenen Firmen mit dem Bau von Sportanlagen. Die Gelder verlassen also nie die Taschen von Herrn Mészáros."
Die Ferenc-Puskas Fussball-Akademie: Das im Makovecz-Stil gebaute Stadion.
Die Ferenc-Puskas Fußball-Akademie (dpa / picture alliance / Martin Fejer)

Vetternwirtschaft im ungarischen Sport

Die ungarische Regierung bestreitet die Vorwürfe natürlich. Sie verweist lieber auf die sportlichen Erfolge: auf das Erreichen der Europameisterschaft durch das Nationalteam oder den internationalen Durchbruch von Spielern wie Dominik Szoboszlai und Roland Sallai, die in der Bundesliga aktiv sind. Aber gelassen nehmen Orbán und seine Mitstreiter die Vorwürfe nicht. Das zeigt beispielsweise der Fall von János Kele. Kele war einige Jahre als Studioexperte für das ungarische Sportfernsehen tätig – bis er sich auf seiner privaten Facebook-Seite kritisch zu einem möglichen Fall der Vetternwirtschaft geäußert hat.
"Ich schrieb während einer Sommerpause einen Facebook-Eintrag zu einem neuen Sportausrüster namens 2Rule. Diese Firma gehört dem bekannten Lőrinc Mészáros. In meinem Text warf ich die Frage auf, wie dieser vollkommen neue Ausrüster innerhalb kürzester Zeit Verträge mit drei Erstligaklubs sowie dem olympischen Komitee abschließen konnte, ohne ein einziges T-Shirt oder was anderes produziert zu haben. Aus meiner Sicht veranschaulicht das, wie in diesem Konstrukt operiert wird. Der Staat gibt den Vereinen zwar Zuschüsse, aber die Vereine müssen mit diesem Geld dann befreundete Unternehmen beauftragen. Damit landet Steuergeld im großen Maßstab in den privaten Taschen von jenen, die Regierungspartei Fidesz und Orbán nahestehen."
Schon kurz nach seinem Facebook-Eintrag teilte ihm der regierungstreue Senderchef mit, dass man fortan auf Keles Dienste verzichten werde. Der Rat: Er solle sich doch zurückhalten, dann könne man vielleicht später wieder zusammenarbeiten. Kele denkt aber gar nicht daran und kritisiert stattdessen genau wie andere Orbán-Gegner immer zu die Vetternwirtschaft im ungarischen Sport. Aber Veränderung ist nicht in Sicht. Die könnte es erst nach einem Regierungswechsel geben, wie Miklós Ligeti findet.
"Wenn es mal zum Regierungswechsel kommt, muss dieses Finanzierungsprogramm beendet werden. Und die Sportverbände, Finanzämter und Ministerien müssen dazu gezwungen werden, die Bücher offenzulegen."
Bis dahin wird aber noch einige Zeit vergehen; viele weitere Millionen werden wohl unter dem Vorwand der Sportförderung bei Orbán-Freunden landen; und Orbán selbst kann auch künftig mit Stolz die Spiele in Felcsút verfolgen.