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Ungarns Jugend und der Aufstand von 1956

Am kommenden Montag begeht Ungarn den 50. Jahrestag des anti-sowjetischen Aufstands von 1956. Doch statt stolz und geeint präsentiert sich das Land zum Nationalfeiertag tief zerrissen: Rechte und Linke werfen der jeweils anderen Seite vor, das Erbe des gescheiterten Aufstands für sich vereinnahmen zu wollen. Wie aber denken die Jüngeren über den Aufstand von 56? Jan Pallokat ist der Frage in Budapest nachgegangen.

    Ein zweisprachiges deutsch-ungarisches Gymnasium im 20. Bezirk von Budapest. Geschichtslehrer Gabor Kertesz vertritt einen Kollegen bei der Aufsicht einer Deutschklausur. Doch seine Gedanken sind bei einem ganz anderen Thema: Dem Ungarn-Aufstand vor 50 Jahren, und der Frage, wie er damit in seiner Geschichtsklasse am besten umgeht. Doch Kertesz tut sich schwer damit.

    "Es ist schwierig, ganz schwierig. Erstens weil die damaligen Augenzeugen noch leben und in politischen Ämtern sitzen, das macht das Thema heikel. Deswegen sollte man es ein bisschen vorsichtiger mit den Kindern besprechen. Andererseits liegt der Aufstand noch nicht so lange zurück, und die, die auf beiden Seiten der Front gekämpft haben, leben noch."

    Mitten im Kampf um die Deutungshoheit zu 56 muss Geschichtslehrer Kertesz gut aufpassen, nicht in den Verdacht zu geraten, der einen oder der anderen Seite zuzuneigen.

    "Wenn man das Thema in der Geschichtsstunde irgendwie persönlich vortragen will, läuft man Gefahr von Eltern und Schulleitern kritisiert zu werden. Deswegen passt man auf, was man sagt, weil man nicht weiß, wer die Eltern der Kinder sind."

    Und wo sie politisch stehen. Teilweise tobt der Streit der politischen Blöcke und ihrer Welt- und Geschichtsbilder sogar innerhalb der Familien und zerreißt alte Freundschaften. Nur die jüngeren Ungarn selbst bleiben eher passiv; Geschichtslehrer berichten, viele Schüler würden lieber die Geschichte der USA oder Israels durchnehmen, als den Aufstand im eigenen Lande:

    " Wir schreiben Arbeiten darüber. Mehr nicht. Die Jugend von heute macht sich da weniger Gedanken."

    Sagt Gymnasiast Fabian Staszynski. Ein Marktforschungsinstitut hat ermittelt, dass jeder fünfte ungarische Abiturient praktisch nichts über 1956 weiß, und die, die etwas zu wissen glaubten, brachten Rahmendaten und Akteure heillos durcheinander. Und das trotz oder gerade wegen der Flut von Denkmalen, Aufrufen, Debatten und Feierlichkeiten. Und doch finden neuerdings auch jüngere Ungarn auf Umwegen einen ersten Zugang zum Thema. Ein unlängst aufgefundenes Tagebuch eines Kindes, das die Ereignisse aus seiner Sicht beschreibt, findet als Kinderbuch Anklang.

    Dieser Tage kommt ein außerdem Computerspiel namnes Freedom Fighters 56 auf den Markt; in einer Mischung aus Action- und Strategiespiel kann man hier in die Rolle junger Aufständischer schlüpfen und sich durch das umkämpfte Budapest jener Tage schlagen. Den Lauf der Geschichte kann man darin nicht ändern; der Aufstand scheitert am Ende, aber mit Mut und klugen Entscheidungen kann man Punkte sammeln und das Spiel sozusagen moralisch gewinnen.

    Andrea Lauer Rice, ungarischstämmige Amerikanerin und Entwicklerin des Spiels, betont, ihr sei es darum gegangen, für die Jüngeren die Erlebnisse der Älteren erfahrbar zu machen: Wie hat sich der Einzelne damals verhalten? Wer hat mitgemacht und wer weggeschaut? Rice möchte Einzelschicksale darstellen statt ideologische Debatten zu führen: Denn so finden jüngere Ungarn leichter Zugang zum 56er-Aufstand. Das zeigt auch ein recht erfolgreicher Kinofilm zum Thema - er hat den Gymnasiasten Fabian angeregt, sich mehr Gedanken über den Aufstand zu machen und über die Rolle der Generation der Eltern oder Großeltern dabei.

    "Ich glaube schon dass man darauf stolz sein kann. Bis jetzt war es mir ziemlich egal. Aber nach dem (Kino)film habe ich dann doch Stolz empfunden und dachte, heute würden die Leute so was wohl nicht mehr machen."

    Seine Mitschülerin Anett Kostik aber sieht das ganz anders:

    "Ich denke nicht, dass man darauf stolz sein sollte, dass so viele gestorben sind. Es hätte ja auch eine diplomatische Lösung geben können."

    Wieder ist Fabian anderer Ansicht:

    "Sie haben ihr Leben geopfert für die Freiheit, und ich glaube schon, dass das eine gute Tat war."