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Ungarns Premier weiter auf Anti-EU-Kurs
"Wer nicht in den Kampf geht, ist ein Loser"

Die regierende Fidesz-Partei hat in Ungarn bei den Europawahlen einen haushohen Sieg eingefahren. Premier Viktor Orbán fährt seit Jahren einen Konfrontationskurs zur EU. Und an dem will er auch nach den Wahlen festhalten.

Von Stephan Ozsváth |
    Konflikte seien nichts schlechtes, sondern notwendig, sagt Ungarns Ministerpräsident Orbán.
    Konflikte seien nichts schlechtes, sondern notwendig, sagt Ungarns Ministerpräsident Orbán. (dpa / picture alliance / Szilard Koszticsak)
    Die Wahlplakate der ungarischen Regierungspartei Fidesz waren eindeutig: „Botschaft an Brüssel", hieß es da neben dem Konterfei des Ministerpräsidenten Orbán: „Respekt für die Ungarn". Das klingt wie eine neuerliche Kampfansage an Brüssel. In seinem wöchentlichen Interview mit dem ungarischen Staatsradio bekräftigte der Nationalkonservative Viktor Orbán kurz vor der Europawahl diesen Eindruck:
    "Es wird Konflikte geben. Aber mit den Konflikten die zwischen uns und Brüssel anstehen, sind wir im Mittelfeld. In Ungarn gibt es ein Missverständnis. Hier denke viele, dass wir in Brüssel gute Jungs sein müssen. Je weniger Konflikte, je weniger Lärm, desto besser. Es ist aber genau anders herum: Je weniger Lärm, je weniger Konflikte, desto weniger Interessen können wir durchsetzen. Wer nicht in den Kampf geht, und nicht für sich einsteht, der ist ein Loser. Der kann seine Nation nicht vertreten. In diesem Sinne ist der Konflikt nichts Schlechtes, sondern notwendig."
    Nach dieser Lesart hat es in den vergangenen vier Jahren immer wieder Ärger mit Brüssel gegeben: Mediengesetz, Unabhängigkeit von Justiz und Notenbank, Zwangspensionierung von Richtern, neue Verfassung – immer wieder lag Ungarn im Clinch. Für Unruhe sorgte Viktor Orbán jüngst nach seiner Wiederwahl, als er umfassende Minderheiten-Rechte für die Ungarn forderte, die in der West-Ukraine leben.
    In der Ukraine lebten 200.000 Ungarn, so Orbán. Sie müssten die doppelte Staatsangehörigkeit bekommen und alle Gemeinschaftsrechte. Außerdem, so Orbán, "erwarten wir von der neuen Ukraine, dass ihnen die Möglichkeit zur Selbstverwaltung gegeben wird."
    Orbán gegen EVP-Spitzenkandidat Juncker als EU-Kommissionspräsident
    Nicht nur die Regierung in Kiew reagierte gereizt und bestellte umgehend den ungarischen Botschafter ein. Kritik an Orbán äußerten auch seine EU-Kollegen. Orbáns polnischer Amtskollege Tusk mahnte zur Vorsicht bei der Wortwahl – es solle nicht so klingen, als unterstütze man die Separatisten in der Ukraine. Gar von einem „Messerstich in den Rücken der Regierung in Kiew" sprach der rumänische Premier Ponta, ein Sozialdemokrat. Auch in der Heimat erntete Orbán für seinen Vorstoß Kritik: Selbst die rechtsextreme Jobbik ging auf Abstand, ihr Abgeordneter Ádám Mirkóczki sagte: "Wir sind absolut für die Autonomie. Aber in der aktuellen Lage, ist es nicht gut, Öl ins Feuer zu gießen. Die Ukraine hat genug Probleme."
    Politiker der linken Opposition in Ungarn finden: Orbán erweise der ungarischen Minderheit in der Ukraine einen Bärendienst. Autonomie für die Ungarn im Nachbarland könne es nur unter einer Bedingung geben, meint Bernadett Szél von den ungarischen Grünen: "Die Betroffenen müssen selbst darum bitten." Sie sei neugierig, so die Grüne, wer Orbán ermächtigt habe, "im Namen der Ukraine-Ungarn zu sprechen."
    Was also ist das Motiv hinter Orbáns Worten? Ungarische Interessen stehen an erster Stelle, betont er immer wieder. Bei der Europa-Wahl hat Fidesz wieder haushoch gewonnen - und gleich schoss Orbán wieder quer: Den konservativen Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten, Juncker, will Orbán nicht wählen, kündigte er im regierungsnahen Sender Hír TV an.