Hochbegabung muss einem nicht in die Wiege gelegt sein. So hat es auch Caroline Quast erlebt. Sie ist Abiturientin an einem Technischen Gymnasium in Karlsruhe.
"Man könnte es mit dem Begriff Spätzünder bezeichnen. Ich war in der Grundschule noch nicht so gut. Dann habe ich einen ungewöhnlichen Weg gemacht. Ich bin auf die Realschule, habe mich dann immer verbessert, habe dann einen Einser-Schnitt gehabt und bin jetzt auch im Gymnasium so im Einser-Bereich unterwegs", erzählt die Schülerin.
Und damit gilt Caroline Quast als Hochbegabte, obwohl dafür längst nicht mehr nicht nur Notendurchschnitt und IQ alleine ausschlaggebend sind. Auffassungsgabe, Formulierungsfähigkeit, Schlagfertigkeit – auch das gehöre dazu, hieß es in Stuttgart. Caroline Quast würde daher gerne viel mehr erfahren als das, was im Unterricht angeboten wird:
"Ich hatte tatsächlich vor einem Jahr eine Tiefphase, weil mir bewusst geworden ist, dass, sobald ich ein Thema im Unterricht interessant fand, gesagt wurde: Ja, aber das ist jetzt nicht für das Abi relevant, also machen wir das auch nicht, und ich dann das Gefühl hatte, wenn‘s spannend wird, wird abgeschnitten."
Gelangweilte Hochbegabte fördern
Hier der große Wissensdurst, dort das reguläre Unterrichtsangebot, das Hochbegabte eher langweilt als fordert – ein weit verbreitetes Phänomen. Häufig sitzen sie Schulbank an Schulbank mit regulären Schülerinnen und Schüler. Wie sie aber dennoch, ihrer Begabung entsprechend, fordern und fördern? Hier stellten die Experten in Stuttgart verschiedene Konzepte vor – beispielsweise die Einrichtung so genannter "Hochbegabten-Oberstufenzüge" an 15 baden-württembergischen Gymnasien, unter anderem am Bismarck-Gymnasium in Karlsruhe. Dort war Peter Gilbert bis vor kurzem Schulleiter:
"Man ist manchmal schneller. Man ist oft abstrakter. Man hat die Möglichkeit, komplexe Sachverhalte sehr viel schneller darzustellen oder mit den Schülern solche komplexen Sachverhalte auch schneller zu erarbeiten, was in der Regelklasse auch zu einer Überforderung führen."
Hochbegabten-Gymnasium in Baden-Württemberg
Neben den 15 Hochbegabten-Kursstufen hat Baden-Württemberg in Schwäbisch-Gmünd gleich auch noch ein eigenes Landesgymnasium für Hochbegabte eingerichtet. Lukas Schachner unterrichtet dort Physik, Technik, Latein und Italienisch:
"Wir haben eine ausgewählte Gruppe von Schülern. Wir haben kleinere Klassen. Wir haben viele Unterstützungssysteme, Mentor-Systeme. Jeder Schüler hat einen individuellen Lehrer zugeordnet Man nimmt das Kind sehr individuell wahr."
Nur: Deutlich mehr Interessenten als Plätze zur Verfügung stehen wollen jedes Jahr aufs Hochbegabten-Gymnasium. Die, die dort nicht ankommen, müssen auf die herkömmlichen Schulen. Dort, so eine oft gehörte Forderung in Stuttgart, müssten mehr Angebote außerhalb des regulären Unterrichtes wie Arbeitsgemeinschaften und Zusatzkurse anbieten. Immerhin bestehen in Baden-Württemberg als bisher einzigen Bundesland in 66 Städten sogenannte "Hector-Kinderakademien" für Hochbegabte - mit großem Zulauf. Denn: Gerade die Förderung von Hochbegabten im Grundschulalter sei besonders wichtig, damit sich die Talente rechtzeitig entfalten können, so die Experten.
Deutschland mittelmäßig im internationalen Vergleich
Dennoch ist Baden-Württemberg bei der Hochbegabten-Förderung kein "Musterländle" und Deutschland im internationalen Vergleich eher Mittelmaß. Das zeigt sich am Anteil der Hochbegabten an der Gesamtschülerzahl im internationalen Vergleich, wie der Bildungsforscher Professor Ulrich Trautwein von der Universität Tübingen erklärt:
"Die obersten Kompetenzen-Stufen, also das, was nur manche Schüler erreichen – da sieht man, dass es in Singapur 15 Prozent sind, in Deutschland sind es nur einstellige wenige Prozent. In dieser Gruppe sind dann Schülerinnen und Schüler aus manchen ostasiatischen Ländern fast drei Mal so häufig vertreten wie die in Deutschland."
Zwar biete der Ganztages-Unterricht an vielen Schulen mittlerweile das Potential für Förderangebote sowohl für lernschwächere als auch für hochbegabte Schülerinnen und Schüler:
"Das ist halbwegs im Bereich der leistungsschwächeren Schülerinnen und Schüler gelungen, obwohl ich auch sagen würde: Da gibt es noch Defizite. Im Bereich der Hochbegabung kann man praktisch an keiner Ganztagesschule ein wirkliches systematisches Programm erkennen."
Und schließlich gibt es in Deutschland noch ein weiteres Problem: Häufig werden überdurchschnittliche Begabungen gar nicht erkannt. Baden-Württembergs CDU-Kultusministerin Susanne Eisenmann sieht hier die Gefahr, dass Talente regelrecht verkümmern könnten:
"Wir brauchen bessere Möglichkeiten, um Hochbegabungen festzustellen. Und wir müssen auch die Ausbildung zum Erkennen von Hochbegabungen noch stärker in den Blick nehmen."