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Ungeklärte Besitzverhältnisse

Auf vielen Grundstücken der fast 170.000 Griechen, die 1974 vor den türkischen Truppen flohen, wohnen heute türkische Zyprer, Ausländer oder Siedler vom türkischen Festland. Bei einer unabhängigen, international besetzten Schlichtungskommission können Griechen jetzt auf Entschädigung oder Rückgabe von Besitz klagen.

Vor Gunnar Köhne |
    Kyrenia - oder türkisch Girne - ist ein Mittelmeerstädtchen in Zyperns Norden wie aus dem Bilderbuch. Restaurierte Altstadthäuser gruppieren sich um das halbrunde Hafenbecken, in den Cafés sitzen wintermüde Touristen bei Kaffee oder Wein und genießen die milden Temperaturen. Viele wollen gleich hier bleiben und sich ein Haus im warmen Paradies bauen. Das waren auch die Pläne der Britin Marianne Stokes. Zusammen mit ihrem Lebenspartner beschloss sie vor fünf Jahren im türkischen Nord-Zypern ein neues Leben zu beginnen. Ihr Erspartes steckten sie in den Bau eines Hauses, in der Nähe von Kyrenia, zwei Etagen, großer Garten, Blick aufs Meer. Doch das Traumhaus ist immer noch eine Bauruine, der Balkon eine graue Betonplattform:

    "Das sollte die Winterterrasse werden. Sehr schön hier, gerade im Winter. Hier könnte man seinen Morgenkaffee trinken und zuschauen wie die Sonne hinter den Bergen aufgeht ...."

    Doch das Haus wurde nie fertig, weil sich herausstellte, dass es nicht auf einem, sondern auf zwei Grundstücken stand. Der Verkäufer, ein türkischer Zyprer hatte sie betrogen. Und nun will Stokes es auch nicht mehr weiterbauen, weil sie fürchtet, irgendwann einmal könne ein vormaliger griechisch-zyprischer Besitzer es ihr wieder wegnehmen:

    "Ich frage mich, wie kann ich eigentlich feststellen, wem das Land vor der Teilung gehörte? Darauf haben wir keine Antwort bekommen. Wie Tausende andere Betroffene haben wir gar keinen anderen Wohnsitz mehr als hier in Nord-Zypern. Könnte man uns einfach so unser Dach über dem Kopf nehmen? Ich glaube nicht."

    Doch, kann man, entschied ein britisches Gericht im Falle des Ehepaares Linda und David Orams. Auch sie hatten sich in Nord-Zypern ein kleines Häuschen gebaut. Der ehemalige Besitzer, ein griechischer Flüchtling aus Süd-Zypern, hatte das britische Ehepaar in deren Heimatland verklagt und Recht bekommen. Der griechische Besitzer konnte seine Ansprüche dank einer EU-Richtlinie durchsetzen – schließlich gilt der türkisch besetzte Norden der Insel juristisch als Hoheitsgebiet der griechischen Republik Zypern. Die Orams haben inzwischen ihr Haus in Zypern geräumt.

    Auf vielen Grundstücken der fast 170.000 Griechen, die 1974 vor den türkischen Truppen flohen, wohnen heute türkische Zyprer, Ausländer oder Siedler vom türkischen Festland. Mit dem Bauboom ist es seit dem Urteil gegen die Orams in Nord-Zypern erst einmal vorbei. Bei den Immobilienmaklern lassen sich derzeit nur noch Häuser und Grundstücke mit einem Grundbucheintrag von vor der Teilung 1974 verkaufen.

    Genau das wollte der griechische Anwalt Konstantin Kandunas, der den Prozess gegen die Orams erfolgreich durch alle Instanzen getrieben hat, erreichen. Er warnt Ausländer vor dem Landkauf im türkischen Norden:

    "Diese Käufer haben natürlicherweise kein Interesse an einer Lösung des Zypernproblems. Dass der Verkauf von Land an Ausländer im Norden durch das Urteil gestoppt worden ist, hat also verhindert, dass das Zypernproblem noch komplizierter wird als es ohnehin schon ist."

    Der türkisch-zyprische Jurist, Kudret Özersay, der die Nord-Regierung in den Verhandlungen berät, verweist darauf, dass in den ehemaligen griechischen Häusern türkische Flüchtlinge leben, die ihrerseits vor 30 Jahren im Süden Besitz zurücklassen mussten. Die könne man nicht einfach so vor die Tür setzen:

    "Der heutige Besitzer hat auch bestimmte Rechte. Das Menschenrecht auf Familie und auf ein Heim würde verletzt, wenn man diesen Leuten nicht auch irgendeine Entschädigung anböte. Man muss in dieser Frage einen Kompromiss suchen."

    Nach Aufforderung durch den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof hat die türkische Regierung im Norden mittlerweile eine unabhängige, international besetzte Schlichtungskommission eingesetzt. Dort können Griechen auf Entschädigung oder Rückgabe von Besitz klagen. Fast 500 haben dies bislang auch schon getan, und in vielen Fällen kam es zu gütlichen Einigungen. Doch die Regierung im Süden hat solche außergerichtliche Einigungen für null und nichtig erklärt. Die Eigentumsfrage bleibt vorerst also weiter einer der dicksten Brocken in den Wiedervereinigungsverhandlungen zwischen Griechen und Türken auf Zypern.