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Ungenutzte Stipendien
"Das Geld bleibt auf der Straße liegen"

Stipendien sind eine Alternative zum BAföG, doch viele werden gar nicht abgerufen. Besonders kleine Stiftungen hätten oft nicht die Mittel, um ihre Stipendien zu bewerben, sagte Mira Maier, Gründerin des Portals mystipendium.de, im Dlf. Und viele Studierende glaubten irrtümlich, sie hätten keine Chance.

Mira Maier im Gespräch mit Stephanie Gebert |
    Studenten verfolgen in einem Hörsaal auf dem neuen Campus der Universität Leipzig eine Juravorlesung.
    Viele Studierende schrecken vor der Bürokratie bei der Beantragung eines Stipendiums zurück (dpa / Peter Endig)
    Stephanie Gebert: Mehr Schüler und Studenten sollen in den Genuss von BAföG kommen, so hat es die Regierung gestern beschlossen und eine Reform angestoßen. Dennoch wird es viele geben, die weiter durchs Raster fallen und kein Geld vom Staat für ihren Bildungsweg bekommen. Eine gute Alternative wäre da ein Stipendium. Die Betonung liegt auf dem Konjunktiv "wäre", denn es gibt zwar einen Haufen Programme, die Beihilfen zahlen, viele werden aber nicht abgerufen, und so bleiben Tausende Euro liegen. Damit sich das ändert, hat Mira Maier eine Plattform im Internet ins Leben gerufen, mystipendium.de heißt die. Das ist im Grunde eine Sammlung Hunderter Stipendienprogramme, und es wird aufgelistet, welche Bedingungen dann dafür erfüllt werden müssten. Ich grüße Sie, Frau Maier!
    Mira Maier: Hallo!
    Gebert: Was war denn Ihr Stipendium, das Ihnen auf dem Berufsweg geholfen hat, oder haben Sie sich mit BAföG durchgehangelt?
    Maier: Nee, ich hab selber nach monatelanger Recherche endlich ein Stipendium gefunden, das mich in meinem Vorhaben unterstützt hat. Das ist eine kleinere regionale Stiftung, die gezielt das gefördert hat, was ich gemacht hab, also genau das Studienfach und die Region, und hab da ein bisschen Glück gehabt.
    Gebert: Jetzt wissen wir schon ein bisschen länger, dass viele Stipendien ungenutzt in der Schublade liegen bleiben. Warum schaffen es denn die Stiftungen oder Organisationen nicht, ausreichend auf ihre ja durchaus hilfreichen Angebote hinzuweisen und ihre Stipendien – ich sag’s mal ganz lapidar – unters Volk zu bringen? Mithilfe der sozialen Medien ist das ja heute einfacher denn je.
    Maier: Die meisten Stiftungen sind kleine Stiftungen, die nur ein oder zwei Plätze im Jahr haben, und denen fehlen schlichtweg die Personalkapazitäten und die Werbemittel, um auf ihre Stipendien aufmerksam zu machen. Die haben halt wirklich nur ein oder zwei Stipendien zu vergeben, meistens dann noch sehr spezifische Auswahlkriterien wie beispielsweise, dass man im selben Ort geboren sein muss wie der Stifter, und das kann ein ganz kleiner Ort in Deutschland sein. Deshalb passen dann gar nicht so viele auf die einzelnen Stipendien, und die Stiftungen gehen am Ende ohne Bewerber aus.
    "Millionen Euro im Jahr, die schlichtweg keiner abholt"
    Gebert: Was passiert dann mit dem Geld?
    Maier: Das Geld bleibt auf der Straße liegen, das sind geschätzt mehrere Millionen Euro im Jahr, weil die schlichtweg keiner abholt. Und wenn man sich dann mal in so eine Stiftung reinversetzt, wenn sich da keine Leute bewerben, dann werden die das Geld natürlich auch anderweitig vergeben, also nicht mehr in Stipendien, sondern vielleicht für einen anderen Zweck.
    Gebert: Wir hatten gestern die BAföG-Reform im Bundeskabinett, ich hab’s gerade gesagt, und einer der Gründe, warum weniger Schüler und Studenten in den letzten Jahren einen Antrag auf BAföG gestellt haben, ist auch die Furcht vor der vielen Bürokratie. Ist das auch eine Hürde bei der Vergabe von Stipendien, warum viele davor zurückschrecken?
    Maier: Das ist zum Teil so. Also es gibt Stiftungen, die eine relativ hohe bürokratische Hürde haben, es gibt aber auch Stiftungen, wo wirklich ein Anschreiben und ein Lebenslauf reicht. Gerade bei den kleineren Stiftungen reicht in aller Regel ein Anschreiben und ein Lebenslauf, also das ist eine Fehlannahme, dass das Wochen dauert, die Bewerbungsunterlagen zusammenzustellen.
    Gebert: Jetzt haben Sie gerade von der kleinen Stiftung erzählt, wo der Stifter in einem bestimmten kleinen Ort geboren ist, und wenn ich auch aus diesem Ort komme, habe ich gute Chancen, das ist aber ja längst nicht überall so. Viele glauben ja auch, sie müssten besondere Begabungen zum Beispiel mitbringen, um überhaupt ein Stipendium zu bekommen. Auch das ein Irrtum?
    Maier: Das ist ein Irrtum. Natürlich gibt es Stiftungen, die nach besonders guten Noten auswählen, aber genauso gibt es auch Hunderte Stiftungen, denen Noten relativ egal sind, also die Noten gar nicht als Auswahlkriterium heranziehen oder aber einen sehr, sehr niedrigen, also ein relativ schlechter Notenschnitt mehr als gut genug ist.
    "Kaum ein Profil, auf das keine Stipendien passen"
    Gebert: Was ist denn zum Beispiel etwas, wo Sie sagen, das ist zwar sehr exotisch, aber trotzdem durchaus eine relativ kleine Hürde, und ich würde empfehlen, da auch mal hinzugucken – an alle Schüler und Studenten da draußen?
    Maier: Also wir haben selber eine ganze Reihe an Stipendienprogrammen, die relativ exotisch sind. Zum Beispiel haben wir ein Stipendienprogramm für Leute mit schlechten Noten vergeben, das ist doch relativ außergewöhnlich, genauso auch für Leute mit ungewöhnlichen Lebensläufen oder Leute, die einfach in kein Raster passen. Das heißt, ich würde wirklich empfehlen, bei uns auf der Seite zu schauen, dort haben wir eine ganze Reihe an ungewöhnlichen Auswahlkriterien. Da gibt es kaum ein Profil, auf das keine Stipendien passen.
    Gebert: Und was ist mit den großen Begabtenförderungswerken, die haben wahnsinnig – so stellt man es sich jedenfalls vor – viel Post, wenn sie so ein Stipendium ausschreiben. Da könnte ich mir vorstellen, dass viele Studierende sagen, hab ich eh keine Chance mit meiner Bewerbung.
    Maier: Also es ist so, dass das viele denken, aber auch das ist nicht richtig, die Chancen stehen auch da besser, als man glaubt. Trotzdem würde ich empfehlen, sich weiter zu orientieren, gerade bei kleineren, unbekannteren Stiftungen sind die Chancen natürlich noch höher.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.